Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2014 (B 12 KR 13/13 R), Terminbericht:

Die Revision der Klägerin war nur iS der Aufhebung des LSG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.

Zwar hat das LSG zu Recht angenommen, dass die Beklagte als Rentenversicherungsträger gemäß § 28p Abs 1 S 5 SGB IV berechtigt war, nicht nur gegenüber dem Beigeladenen zu 1. (= vermeintlicher Arbeitgeber), sondern auch gegenüber der Klägerin einen Verwaltungsakt über ihren sozialversicherungsrechtlichen Status zu erlassen. Diese Befugnis folgt aus der Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Regelung. Dass § 28p SGB IV den Rentenversicherungsträgern die Prüfung bei den Arbeitgebern und den Erlass von Verwaltungsakten jenen gegenüber als Aufgabe zuweist, rechtfertigt nicht die Annahme, dass dies abschließend ist und die Versicherungspflicht gegenüber dem vermeintlich Versicherten von ihnen nicht festgestellt werden darf. Die im Rahmen einer Betriebsprüfung zu erlassenden Verwaltungsakte setzen stillschweigend auch eine Entscheidung über die Versicherungspflicht voraus. Diese grundsätzlich einheitlich gegenüber Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirkende Entscheidung kann auch durch einen gleichlautenden Verwaltungsakt direkt gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen. Die Feststellungsbefugnisse der Rentenversicherungsträger im Zuge von Betriebsprüfungen schließen die gleichen Befugnisse ein wie diejenigen der Einzugsstellen, die in diesem Zusammenhang gerade keine Entscheidungsbefugnisse mehr haben.

Die vom LSG getroffenen Feststellungen reichen indessen nicht aus, um das Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht aufgrund von (abhängiger) Beschäftigung nach § 7 SGB IV iVm den für die einzelnen Versicherungszweige geltenden besonderen Vorschriften beurteilen zu können. Nach der stRspr des BSG setzt Beschäftigung im Wesentlichen voraus, dass der Betroffene von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist, dh in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt; eine selbstständige Tätigkeit ist dagegen vornehmlich geprägt durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Was im Einzelfall vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl zB BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 21 RdNr 13 mwN). Dafür müssen alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 LS und RdNr 25). All das hat das LSG zwar im Ausgangspunkt berücksichtigt, jedoch kann seine Gewichtung und Bewertung im Rahmen der Gesamtabwägung wegen eines Abwägungsdefizits revisionsrechtlich keinen Bestand haben. So fehlen bereits klare Feststellungen zu zentralen für die Abwägung bedeutsamen Indizien. Die Ausführungen des LSG stellen oftmals bloße Wertungen dar, die die ihnen zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen nicht klar erkennen lassen und unklar, zT auch widersprüchlich sind; damit sind sie nicht geeignet, in eine ordnungsgemäße Gesamtabwägung eingestellt zu werden. So fehlen etwa Feststellungen zu Existenz und Inhalt eines Arbeits- bzw Dienst- oder Werkvertrags bzw einer Rahmenvereinbarung. Unklar ist, ob eine Entlohnung nach geleisteten Stunden zu einem festen Stundensatz bzw eine monatlich fixe Entlohnung unter Festlegung fixer Arbeits- oder Tätigkeitszeiten vereinbart war. Stattdessen heißt es im LSG-Urteil, es sei „vereinbarungsgemäß meist“ ein monatlicher „Pauschalbetrag“ von 1500 Euro gezahlt worden; andererseits hätten „je nach Arbeitsanfall“ die Rechnungssummen „darüber oder darunter“ gelegen und es hätten sich auch Abweichungen ergeben. Konkrete Feststellungen zum Inhalt der jeweiligen Rechnungen ‑ die „im Voraus“ gestellt worden seien ‑ ua zur Schwankungsbreite der Zahlungen, zur monatlichen Abrechnung (iS einer Auflistung von Stunden, „Überstundenausgleich“ im Folgemonat, usw) sind nicht getroffen worden. Unklar ist auch, welche Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für die im Gesetz hervorgehobene Tätigkeit nach Weisungen und für eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers nicht vorlagen (Pflicht zu regelmäßiger Anwesenheit zu bestimmten Zeiten im Betrieb?). Ferner durfte die Einschaltung Dritter in die Aufgabenerledigung nicht schon mit Blick auf deren geringen Umfang als unerheblich für die Annahme von Selbstständigkeit angesehen werden. Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt vielmehr ein zu berücksichtigendes Anzeichen dar, das im Rahmen der Gesamtabwägung gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen kann, aber nicht muss (vgl BSG Urteil vom 11.3.2009 ‑ B 12 KR 21/07 R). Insoweit mussten aber zunächst einmal Feststellungen zu den Vereinbarungen zwischen der Beigeladenen zu 1. und der Klägerin getroffen werden; erst anschließend durften dann die tatsächliche Praxis und die Gründe für den Umfang des Tätigwerdens Dritter gewürdigt werden. Das LSG muss die fehlenden Feststellungen noch nachholen und dann erneut eine Gesamtabwägung vornehmen.