Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 15.12.2011 (6 K 2346/09):

Mit der bestimmungsgemäßen Nutzung verbundene Beeinträchtigungen von als sozialadäquat anzusehenden Anlagen, also solchen, die von der Bevölkerung insgesamt als üblich und tolerierbar angesehen und hingenommen werden, sind von den Nachbarn regelmäßig hinzunehmen. Unzulässig sind derartige Anlagen nicht schon deshalb, weil sich ihre Benutzung auf die nähere Umgebung unvermeidbar nachteilig auswirkt, sondern erst dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die dazu führen, daß die Belastung der Nachbarn über das Maß hinausgeht, das typischerweise zugemutet wird.

Anknüpfend daran sind selbst in einem reinen Wohngebiet die durch das Einwerfen von Altglas in einen Sammelbehälter entstehenden und je nach den Umständen des Einzelfalls nach der Höhe des Schallpegels und den spezifischen Eigenarten der einzelnen Schallereignisse – Splittern, Klirren, Dröhnen – auch überraschenden, impulsartig auftretenden und in ihrer Häufigkeit deutlich bemerkbaren bis sehr lästigen Geräusche von den Nachbarn grundsätzlich als sozialadäquat und zumutbar hinzunehmen; dasselbe gilt für die üblichen Begleitgeräusche bei der Anlieferung von Altglas mit Kraftfahrzeugen und die Geräusche der Entleerung des in den Behältern befindlichen Altglases in Entsorgungsfahrzeuge.

Auch die außerhalb der vorgesehenen Einwurfzeiten auftretenden Lärmbeeinträchtigungen sind Belastungen, die typischerweise mit deren Betrieb verbunden sind, denn die Gefahr solcher Störungen durch rechtswidriges Verhalten der Benutzer sind solchen Anlagen, die ungehindert zugänglich sind, immanent. Durch Fehlverhalten der Benutzer verursachte Belästigungen der Umgebung berühren die Zumutbarkeit erst dann, wenn eine mit der Anlage geschaffene Gefahrenlage zum Tragen kommt, die Anlage also einem derartigen Missbrauch Vorschub leistet, etwa als Folge der konkreten Standortentscheidung.

Bei Ermittlung und Bewertung des von der Nutzung von Wertstoffbehältern ausgehenden Lärms sind als Anhalt die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) sowie die VDI-Richtlinie 2058 heranzuziehen. Sie dürfen aber namentlich wegen der Eigenart der dadurch hervorgerufenen Emissionen, die durch unregelmäßige und unterschiedliche Impulsschallpegel gekennzeichnet sind, nicht starr und schematisch angewendet werden.

Die Zumutbarkeit von Lärmemissionen immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen ist – wie schon ausgeführt -, soweit es an speziellen anlagenbezogenen und typisierenden Normierungen fehlt, vielmehr unter Berücksichtigung der Art der jeweiligen Störung, der anhand der bauplanungsrechtlichen Anforderungen bestimmten, Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets sowie gesetzlich vorgegebener Wertungen in Bezug auf die Lärmquelle entsprechend den Grundsätzen hierfür geeigneter Regelwerke für genehmigungsbedürftige Anlagen aufgrund einer individuell-konkreten Abwägung zu ermitteln und zu bewerten. Dabei verbietet es sich in aller Regel, die in derartigen Regelwerken abstrakt festgelegten Richtwerte ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalles als absolut verbindlich zugrunde zu legen; das gilt im Übrigen auch für die Empfehlungen des Umweltbundesamtes (UBA) zur Einhaltung eines Mindestabstands von 12 m zwischen Wertstoffsammelbehältern und Wohnbereichen.

Neben den genannten sind schließlich als weitere Faktoren für die Bewertung der Zumutbarkeit der von Altglascontainern ausgehenden Immissionen noch etwa der Bedarf für die festgelegten Standorte und die Verfügbarkeit eines geeigneten Alternativstandortes zu nennen. Mit dem Beschluß über die Aufstellung von Wertstoffsammelanlagen im Gemeindegebiet und die Festlegung von deren Standort hat die Gemeinde in Ausübung ihrer kommunalen Planungshoheit eine gestalterische, mit Einwirkungen auf die nähere Umgebung verbundene Entscheidung getroffen. Dabei steht ihr ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihre Entscheidung muss sich aber an den materiellen Anforderungen messen lassen, die an planerische Entscheidungen im weitesten Sinne zu stellen sind. Um dem Abwägungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausreichend Rechnung zu tragen, hat die Gemeinde daher zu prüfen, für wie viele Containerstandplätze in ihrem Gemeindegebiet ein Bedarf gegeben ist und ob es in Bezug auf einen in Betracht kommenden Standort Alternativen gibt.

Allerdings kommt als Alternativstandort allein ein Standort in Betracht, der bei zumindest vergleichbarer Attraktivität für den vorgesehenen Benutzerkreis greifbar weniger belästigende Auswirkungen auf die (Wohn-) Nachbarschaft hat und sich insofern als besser geeignet geradezu aufdrängt. Beruft sich ein Kläger auf einen solchen, so muss er zu dessen Geeignetheit und auch Verfügbarkeit substantiiert vortragen.

Gemessen an diesen Grundsätzen steht den Klägern der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Abwehranspruch nicht zu. Denn die von der Benutzung der streitgegenständlichen Altglascontainer ausgehenden Immissionen sind ihnen zumutbar, weshalb es sich bei diesen Immissionen nicht um abzuwehrende schädliche Umwelteinwirkungen handelt. Dies ergibt sich aus einer anhand der vorstehend aufgeführten Kriterien vorgenommenen Gesamtabwägung im Einzelfall.