Das Oberlandesgericht Hamm führte in seinem Urteil vom 10.05.2012 (I-28 U 166/11) aus, daß ein Vermieter sich auf Sachmängel nicht mehr berufen könne, wenn er die Mietsache vorbehaltlos abgenommen habe. Ob der Vermieter die Mietsache allerdings „vorbehaltlos“ abgenommen“ habe, beruhe auf tatsächlichen Feststellungen, nämlich auf dem Erklärungswert des Verhaltens des Vermieters im Einzelfall.
Der Erklärungswert des Verhaltens des Vermieters müsse stets beachtet werden, wenn eine „vorbehaltlose Abnahme“ in Frage stehe. Der rechtliche Gehalt der Rückgabe einer Mietsache, die mit Feststellung ihres Zustands verbunden sei, sei daher durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 10. Aufl., § 546 BGB Rn. 55). Das bestätige auch das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 21. März 1974 (WuM 1975, 118, 119). Nach den dort getroffenen Feststellungen habe der Vermieter der Wohnung anläßlich der Rückgabe erklärt, daß die Wohnung „in Ordnung“ sei und der Mieter sich die Kaution in ein bis zwei Tagen abholen könne. Auch im Fall, der dem Urteil der 63. Zivilkammer des Landgerichts C vom 7. Mai 1999 (Grundeigentum 1999, 1053) zugrundegelegen habe, hatte der Vermieter die Wohnung als „in Ordnung“ bezeichnet. So verhalte es sich im Streitfall aber nicht.
Rechtsgrundlage des Abschneidens von Ansprüchen des Vermieters nach vorbehaltloser Rücknahme einer Mietwohnung könne im Einzelfall ein Erlaßvertrag, eine Verzichtserklärung bzw. ein negatives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB sein, unter Umständen auch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB sein (Nachweise bei Schmidt-Futterer/Streyl, aaO; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XIII 33 f.; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 538 Rn. 6; Lehmann-Richter, ZMR 2006, 833 f.).
Ein Erklärungswert, der die Voraussetzungen einer dieser Rechtsgrundlagen erfülle, sei im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten den Zustand der Mietsache gesichtet. Eine ausdrückliche Erklärung in der Art, daß die Wohnung „in Ordnung“ sei oder ähnlich hätten sie nicht abgegeben. Es möge durchaus sein, daß die Klägerin und ihr Ehemann verbal nichts nicht bemängelt hätten. Es möge auch sein, daß nur wenig verbal beanstandet worden sei (Matratze, loser Dreck auf einem neuen Teppich, Ausgestaltung des Bades), aber schriftlich nichts festgehalten worden sei. Jedenfalls hätten die Klägerin bzw. ihr Ehemann oder ihr Schwiegersohn zahlreiche Fotografien des Zustands der Mietsache gefertigt. Zwar sei im einzelnen streitig, ob alle von der Klägerin im Regressprozeß überreichten Fotografien (Anlage K 18) am 30. Mai 2005 angefertigt worden seien. Daß bei Übergabe des Mietobjekts zahlreiche Lichtbilder vom Zustand des Mietobjekts gemacht worden seien, sei indes nicht streitig. Es werde auch durch die Aussage des vom Landgericht als Zeuge vernommenen Mieters E2 bestätigt, ebenso von der Aussage des Zeugen T.
Fertige der Vermieter bei Rückgabe der Mietsache Lichtbilder der Mietsache, könne der Mieter dem regelmäßig nicht den Erklärungswert beimessen, daß der Vermieter keine Ansprüche wegen des Zustands der Mietsache verfolgen wolle. Denn das Anfertigen von Fotografien diene in einer solchen Situation typischerweise zu Beweiszwecken. Denn Sinn und Zweck dessen sei es, den Zustand der Mietsache möglichst beweissicher festzuhalten. Die Berufungsbegründung weise zutreffend darauf hin, daß es keiner Fotografien bedurft hätte, wenn die Mietsache bei Übergabe mangelfrei gewesen wäre.
Hinzu komme ein weiterer Umstand. Der vormalige Mieter E2 habe im Rahmen seiner Anhörung als Beklagter des Vorprozesses in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2006 und erneut bei seiner erstinstanzlichen Zeugenvernehmung im Regreßprozess (LGU 10 Abs. 2) angegeben, daß er die Kläger nach einem schriftlichen Protokoll gefragt habe; das habe die Klägerin ihm verweigert. Aus einer solchen Verweigerungshaltung dürfe ein Mieter aber nicht den Schluß ziehen, daß der Vermieter den Zustand der Mietsache billige. In einer solchen Fallgestaltung dürfe der Mieter berechtigterweise nicht annehmen, der Vermieter verzichte auf Ansprüche oder erkenne (z.B. im Wege eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses) an, daß keine Ansprüche gegen den Mieter bestünden. Im Streitfall lägen daher andere tatsächliche Umstände vor als im Fall des Kammergerichts in dem oben genannten Urteil vom 13. Februar 2003.
Der in erster Instanz streitige Gesichtspunkt, ob die Klägerin und ihr Ehemann am 30. Mai 2005 ein (handschriftliches) Rückgabeprotokoll gefertigt hätte, sei daher nicht entscheidungserheblich.