Amtsgericht Berlin-Schöneberg, Urteil vom 10.07.2009 (17b C 181/07):

Die Beklagte hafte gemäß § 836 Abs. 1 S. 1 BGB, da der Schornstein des Hauses ein Gebäudeteil darstellt, welches sich – unstreitig – in Teilen vom Gebäude abgelöst habe und dadurch eine Sache – nämlich das Fahrzeug des Klägers – beschädigt worden sei.

Daß die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung sei, sei zu bejahen, da sich nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes nicht feststellen lasse, daß der Orkan „Kyrill“ über dem Hause der Beklagten Windstärken erreicht habe, die über 12 Beaufort hinausgegangen seien. Insoweit lasse sich dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes entnehmen, daß zwar Windstärken von 12 Beaufort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erreicht worden seien, aber keine Windstärken über 12 Beaufort.

Nach Ansicht des Deutschen Wetterdienstes sei der Orkan „Kyrill“, der am 18./19.1.2007 den Berliner Raum überquert habe, als sehr seltenes Witterungsereignis einzustufen.

Jedoch sei – entgegen der Ansicht der Beklagten – kein außergewöhnliches Naturereignis anzunehmen, welches zu einer Beweislastumkehr fühe.

Denn das sich nach den Grundsätzen des § 836 BGB ergebene vermutete Verschulden des Grundstücksbesitzers -hier der Beklagten- und der vermutete ursächliche Zusammenhang zwischen dem Verschulden des Besitzers des Gebäudes und dem Schaden seien nicht widerlegt worden.

Grundsätzlich müsse ein Gebäude mit seinen sämtlichen Einrichtungen der Witterung standhalten und tue es dies nicht, so sei bei der Haftung aus § 836 BGB nach dem Beweis des ersten Anscheins anzunehmen, daß die Loslösung von Gebäudeteilen infolge von Witterungseinwirkungen darauf beruhe, daß die Anlage entweder fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten worden sei.

Dies gelte nur dann nicht, wenn ein außergewöhnliches Naturereignis vorliege, dem auch ein fehlerfrei errichtetes und mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Bauwerk nicht Stand zu halten vermöge.

Weil ein Gebäudebesitzer auch ungewöhnliche Stürme in seine Betrachtung einbeziehen und im Rahmen der ihn treffenden Verkehrssicherungspflicht entsprechende Vorsorge für die Festigkeit des Gebäudes und der Gebäudeteile treffen müsse, gelte dies auch für Windstärken bis 12 Beaufort, die mit einem Orkan einhergehen (vergleiche OLG Rostock Urteil vom 15.9.2003 Aktenzeichen 3 U 5 8/03; OLG Köln Urteil vom 5.2.2004 Aktenzeichen 12 U 112/03 – recherchiert in Juris)

Eine Erschütterung des insoweit eingreifenden Anscheinsbeweises könne erst bei Orkanstärken oberhalb von 12 Beaufort der auf 17 Stufen erweiterten Windstärkenscala gelten (vgl. OLG Koblenz Urteil vom 9.2.2004 Az 12 U 11 /03).

Derartige Windstärken seien jedoch nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes in der Nacht des Orkans „Kyrill“ am Schadensort nicht gemessen worden.

Somit sei nach dem Beweis des ersten Anscheins erwiesen, daß die Ablösung von Teilen des Schornsteins des Gebäudes der Beklagten die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung des Schornsteins gewesen sei.

Die insoweit für das Gegenteil beweispflichtige Beklagte habe den erforderlichen Beweis nicht geführt.