Das Finanzgericht Köln erkannte in seinem Urteil vom 16.07.2013 (9 K 935/13), daß die Tochter der Klägerin vorliegend im Zeitpunkt der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gemäß §§ 62, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfülle, da sie sich in einer Berufsausbildung zur Handelsassistentin befände.
Die Einschränkung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der ab 2012 gültigen Fassung, wonach ein Kind nach Abschluß einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums nur dann berücksichtigt werde, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, greife im Streitfall nicht, da es sich unstreitig um eine Erstausbildung handele. Ein vorangegangener Besuch des Gymnasiums und einer Berufsschule erfülle zwar den Berücksichtigungstatbestand der Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, stelle aber keine „erstmalige Berufsausbildung“ im Sinne der enger auszulegenden Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar. Letztere liege nur vor, wenn dem Kind alle notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt worden seien, die es für die Ausübung des von ihm angestrebten Berufes benötige (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Auflage 2013, § 32 Rn 49 und BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2011, BStBl I 2011, 1243, Tz 21).
Weitere tatbestandliche Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld enthalte das Gesetz nicht.
Die Höhe der Ausbildungsvergütung der Tochter sei für den Kindergeldanspruch der Klägerin nicht maßgeblich, da die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (EStG a.F.) enthaltene Regelung zum 1. Januar 2012 entfallen sei (Art. 1 Nr. 17 Buchst. a. Art. 18 Abs. 1 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011, BGBl I 2011, 2131 ff.). Gleiches gelte für den Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Ehemann nach §§ 1608 Satz 1, 1360, 1360a des Bürgerlichen Gesetzbuches, der bis 2011 zu den maßgeblichen Einkünften und Bezügen gehört habe (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Dezember 2011 III R 8/08, BStBl II 2012, 340).
Die Einkünfte des Ehemannes der Tochter seien für den Kindergeldanspruch der Klägerin ebenfalls nicht von Bedeutung. Ob ein sog. Mangelfall vorliege, sei unerheblich, weil der Umstand, daß die Tochter verheiratet sei, dem Kindergeldanspruch nicht entgegenstehe.
Für verheiratete Kinder sehe das Gesetz keinerlei besonderen Einschränkungen vor. Der Kindergeldanspruch setze entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine „typische Unterhaltssituation“ mehr voraus. Nach diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal sei ein Kindergeldanspruch nicht gegeben, wenn ein Kind verheiratet gewesen sei und kein sog. Mangelfall vorgelegen habe (BFH-Urteil vom 19. April 2007 III R 65/06, BStBl II 2008, 756) oder das Kind einer Vollzeitbeschäftigung nachgegangen sei (BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 III R 78/04, BFH/NV 2006, 2248 und III R 58/05, BFH/NV 2006, 2249).
Das Erfordernis des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der „typischen Unterhaltssituation“ habe der BFH in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Dies gelte sowohl für die Fälle der Vollzeitbeschäftigung (BFH-Urteile vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BStBl II 2010, 982; vom 27. Januar 2011 III R 57/10, BFH/NV 2011, 1316; vom 22. Dezember 2011 III R 64/10, BFH/NV 2012, 927, III R 65/10, BFH/NV 2012, 929, III R 67/10, BFH/NV 2012, 930, III R 93/10, BFH/NV 2012, 932 und III R 66/10, BFH/NV 2012, 1301) als auch für die Fälle des verheirateten Kindes (BFH-Urteil vom 11. April 2013 III R 24/12, juris). Zur Begründung führe der BFH aus, daß eine typische Unterhaltssituation kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Berücksichtigungstatbestände sei. Die Frage, ob ein Kind typischerweise nicht auf Unterhaltsleistungen seiner Eltern angewiesen sei, sei nach der gesetzlichen Regelung erst im Rahmen der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a. F.) zu prüfen.