Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.02.2013 (19 U 96/12) kann ein Gefährdungshaftung des Tierhalters für einen regungslos und schlafend im Verkehrsraum liegenden Hund bestehen.

In den Entscheidungsgründen führte das Oberlandesgericht Hamm aus, daß es auf die tierimmanente Gefahr des Hundes zurückzuführen sei, daß in dem vorliegenden Fall die Klägerin unstreitig beim Verlassen des Ladenlokals über ihn gestürzt sei  und sich am rechten Knie verletzt habe.

Bei der Rechtsgutverletzung der Geschädigten habe sich gerade die dem Tier typischerweise anhaftende Gefahr verwirklicht, indem der Schaden auf der Unberechenbarkeit und Selbstständigkeit tierischen Verhaltens sowie der dadurch hervorgerufenen Gefährdung beruht (vgl. BGH NJW-RR 2006, 813, 814). Dies sei nach der Rechtsprechung auch der Fall, wenn ein Tier ein gefährliches Verkehrshindernis bildet, weil es sich eigenmächtig ohne Rücksicht auf den Verkehr in den Verkehrsraum begeben hat und dort ruht. Ein solches unbekümmertes Verhalten entspreche der tierischen Natur; in ihm wirke sich die Gefahr aus, die die Haltung des Tieres mit sich bringe und derentwegen die besondere Tierhalterhaftung geschaffen worden sei. Demgemäß sei nicht darauf abzustellen, daß der Hund regungslos auf dem Boden gelegen und geschlafen habe, sondern darauf, wie das Tier in seine Lage gelangt sei (BGH VersR 1959, 853 f.; 1956, 127 f.; OLG Celle VersR 1980, 430; OLG Köln 19 U 114/10, Beschl. v. 24.8.2010 m.w.N.). Der Hund habe sich nicht etwa aufgrund irgendeiner Einwirkung durch einen Menschen, die ihm keine andere Freiheit gelassen habe, sondern unstreitig frei und von selbst in den einzigen Zugang des Ladens begeben und schlafen gelegt, wobei er diese für den eröffneten Publikumsverkehr neuralgische Stelle aufgrund der Größenverhältnisse so gut wie versperrt habe. Der Vergleich der Beklagten mit einer beispielweise an der Stelle verkehrshinderlich abgestellten Getränkekiste sei verfehlt, weil eine solche sich nicht selbst dorthin hätte begeben und die Gefahrenlage schaffen können.

Da der Hund unstreitig nicht dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt der Beklagten zu 1. gedient habe, können sie sich nach § 833 S. 2 BGB nicht entlasten.

Entgegen ihrer Ansicht sei ihre deliktische Haftung im Außenverhältnis gegenüber der Klägerin auch durch keinerlei Auswirkungen aus ihrem Arbeitsverhältnis beschränkt. Sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht gegenüber der Klägerin verletzt.

Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lasse, habe die erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen zur Abwendung von Gefahren zu treffen, die bei der im Einzelfall gebotenen Sorgfalt nach dem typischen, am Ort zu erwartenden Verkehr zu erwarten seien; Voraussetzung sei, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergebe, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten (st. Rspr., vgl. BGH NJW 2004, 1449 f.; VersR 1959, a.a.O.; Palandt-Sprau, BGB, 72. A., § 823 Rz. 46 m.w.N.). Gemessen daran habe die Beklagte zu 1. jedenfalls eingreifen müssen, wenn sie konkreten Anlaß dafür gehabt hätte, daß es durch die Anwesenheit ihres Hundes in dem Geschäftslokal zu einer Gefährdung Anderer hätte kommen könne.

Einen solchen Anlaß habe sie hier nach ihrer eigenen persönlichen Darstellung gegenüber dem Senat gehabt. Danach habe sie, als sie mehrere Minuten die Klägerin an der Kasse bebedient habe, bemerkt, daß der Hund neben der Kassentheke, wo er sich bis dahin befunden habe, aufgestanden und weggegangen sei. Sie habe deshalb -zutreffend- damit gerechnet, daß er sich wie schon gewohnt und ihr bekannt auf seinem Lieblingsplatz auf der Matte im einzigen Ladenzugang ablegen würde. Damit habe er in Gehrichtung zum Ausgang unstreitig nur etwa 1,5 m -für einen Erwachsenen kaum zwei Schritte- unmittelbar im Rücken der Klägerin gelegen, die bezahlte und das Lokal verlassen würde. Es sei deshalb nicht nur objektiv vorhersehbar gewesen, sondern für die Beklagte zu 1. zu erkennen gewesen, daß die Klägerin, die erkennbar den Hund dort nicht bemerkt hatte, ihn beim Hinausgehen übersehen und über ihn stürzen könnte. Die Beklagte zu 1. hätte sie deshalb davor warnen bzw. den Hund wegschaffen müssen. Daß die Beklagte dies unstreitig nicht getan habe, begründe bei der gegebenen Sachlage den Vorwurf der  Fahrlässigkeit, weil sie außer Acht gelassen hat, was von einem Verständigen in ihrer Lage und mit ihrer Kenntnis zu erwarten gewesen wäre (§ 276 II BGB).

Weil sie sich über § 278 BGB diese ursächliche und schuldhafte Pflichtverletzung zurechnen lassen müsse, folge die Schadensersatzhaftung der Beklagten zu 2. aus dem Unterbleiben der Verkehrssicherung durch sie als Geschäftsinhaberin, die sie als Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag mit der Klägerin geschuldet habe (§§ 433, 241 II, 280 I, 249 I, 253 II BGB). Die vertraglichen Verkehrssicherungspflichten würden sich mit den allgemeinen decken, s.o.; die Beklagte zu 1. hätte als Ladenangestellte diese Pflichten für die Beklagte zu 2. gegenüber der Klägerin wahrzunehmen (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 278 Rz. 13, 18 m.w.N.).

Es habe sich nicht etwa nur um eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) bei Gelegenheit der Vertragserfüllung ohne sachlichen Zusammenhang mit ihr obliegenden Aufgaben gehandelt. Dagegen spreche schon, daß die Beklagte zu 2) ihr die Mitnahme des Hundes seit langer Zeit gestattet hatte.Ein Mitverschulden (§ 254 I BGB), das der Klägerin anzulasten wäre, hätten die Beklagten abweichend von der Ansicht des Landgerichts nicht bewiesen.

Nach dem aufgrund des Beweisergebnisses zugrunde zu legenden Hergang habe sie die Sorgfalt gewahrt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch in der Situation zu beachten hätte, um eigenen Schaden zu vermeiden. Aufgrund der schon dargestellten Enge im räumlichen und zeitlichen Ablauf habe sie den Hund direkt hinter ihr beim Wegwenden von der Kasse und Hinausgehen, bei dem man den Blick -über das Tier hinweg- nach vorne geradeaus richtet bzw. kurz bei der Verabschiedung den Umstehenden zuwendet, wie von der Beklagten zu 1. und der Zeugin Y geschildert, auch bei gehöriger Aufmerksamkeit ungeachtet seiner Größe nicht wahrnehmen müssen, zumal er nach ihrer unwiderlegten Einlassung flach auf dem Boden gelegen habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehe in einer derartigen Situation nach der Rechtsprechung  keine Pflicht, den Blick ohne einen Anhaltspunkt sofort nach unten zu richten und den Boden vor sich auf etwaige Hindernisse zu kontrollieren. Für die Richtigkeit dieser Einschätzung der Situation spreche die Aussage der Zeugin Y, die als einzige Unbeteiligte das Geschehen direkt mit verfolgt und ihren Eindruck bekundet habe, daß sie, wäre sie an der Stelle der Klägerin gewesen, ebenfalls über den Hund gefallen wäre.

Wollte man der Klägerin überhaupt den Vorwurf eines Mitverschuldens machen, wäre dieses auf den Grad leichtetster Fahrlässigkeit beschränkt und würde deshalb hinter dem schwereren Verschulden der Beklagten vollständig zurücktreten.