Unterhaltsvereinbarungen, die auf der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 (BVerfG FamRZ 2011, 437) beanstandeten Rechtsprechung des Senats zur Bedarfsermittlung durch Dreiteilung des zur Verfügung stehenden Gesamteinkommens des Unterhaltspflichtigen sowie des früheren und des jetzigen unterhaltsberechtigten Ehegatten beruhen (BGHZ 177, 356), sind weder nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam noch nach §§ 119 ff. BGB anfechtbar.
Die Anpassung solcher Vereinbarungen richte sich nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage; sie kann frühestens für solche Unterhaltszeiträume verlangt werden, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Januar 2011 nachfolgen würden.
In Fällen, in denen die nacheheliche Solidarität das wesentliche Billigkeitskriterium bei der Abwägung nach § 1578b BGB darstelle, gewinne die Ehedauer ihren wesentlichen Stellenwert bei der Bestimmung des Maßes der gebotenen nachehelichen Solidarität aus der Wechselwirkung mit der in der Ehe einvernehmlich praktizierten Rollenverteilung und der darauf beruhenden Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse; hieran habe die am 1. März 2013 in Kraft getretene Neufassung des § 1578b Abs.1 BGB nichts geändert.
In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die im Rentenalter stehenden Parteien, die 1962 heirateten und zwei volljährige Kinder hatten, um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab dem 30.07.2008.
Die Ehe war 1998 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Des weiteren hatten die Parteien im Scheidungsverbund einen nachehelichem Unterhalt vereinbart.
Im Laufe eines Abänderungsverfahrens schlossen die Parteien in der Berufungsinstanz am 02.02.2010 einen Teilvergleich, wonach zwischen den Parteien Einigkeit bestand, daß seit dem 30.07.2008 kein nachehelicher Unterhaltsanspruch mehr bestand. Hintergrund für den Abschluß des Vergleichs war ein Hinweisbeschluß des Oberlandesgerichts, wonach sich jedenfalls für den Zeitraum seit der Verkündung der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 30.07.2008 zur „Bedarfsbemessung durch Dreiteilung“ angesichts der Einkommensverhältnisse der zweiten Ehefrau des Ehemanns voraussichtlich kein Unterhaltsbedarf der Ehefrau mehr ergeben würde.
Im Februar 2011 focht die geschiedene Ehefrau den Teilvergleich unter Berufung auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Dreiteilung an. Hilfsweise erhob sie Anschlußberufung und Widerklage, mit dem Antrag den Teilvergleich dahingehend abzuändern, daß ihr auch für die Zeit ab dem 30.07.2008 der vom Amtsgericht zugesprochene Unterhalt zustehe.
Das Oberlandesgericht wies die Anschlußberufung zurück und gab der Berufung des Ehemanns dahingehend statt, daß seine Unterhaltspflicht ab dem 30.07.2008 entfiele. Hiergegen wandte sich die Ehefrau mit der Revision, die führt zur teilweisen Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung führte.
Der Bundesgerichtshof führte aus, daß entgegen der Auffassung der Revision kein rechtserheblicher Irrtum über die Vergleichsgrundlage (§ 779 Abs. 1 BGB) vorliege.
Richtig sei, daß dem Vergleichsschluß vom 2. Februar 2010 erkennbar die frühere Rechtsprechung des Senats zugrundegelegen habe, wonach der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unter Berücksichtigung aller nachehelich eingetretenen tatsächlichen Umstände, dabei insbesondere der Wiederverheiratung des Unterhaltsschuldners und der damit verbundenen Unterhaltspflichten gegenüber dem neuen Ehegatten, zu bestimmen sei (Senatsurteil BGHZ 177, 356 = FamRZ 2008, 1911 Rn. 30 ff.). Diese auf dem Wegfall des Stichtagsprinzips basierende Rechtsprechung habe das Bundesverfassungsgericht für nicht mit dem geltenden Recht vereinbar erklärt (BVerfG FamRZ 2011, 437, 441 ff.). Im Anschluß an diese Entscheidung habe der Senat diese Rechtsprechung zur Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen aufgegeben und sei zu dem – seiner früheren Rechtsprechung zugrunde liegenden – Stichtagsprinzip zurückgekehrt (Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 16 ff.).
Damit lasse sich jedoch ein Irrtum über die Vergleichsgrundlage nach § 779 Abs. 1 BGB nicht begründen. Voraussetzung für die Unwirksamkeit eines Vergleichs nach § 779 Abs. 1 BGB sei es, daß der von beiden Parteien nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrundegelegte Sachverhalt nicht der Wirklichkeit entspreche und der Streit oder die Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutreffe, daß ein Rechtsirrtum, wenn er nicht gleichzeitig einen Irrtum über relevante Tatsachen umschließe, von vornherein nicht in den Anwendungsbereich von § 779 Abs. 1 BGB fallen könne (so zuletzt BGH Urteil vom 18. Dezember 2007 – XI ZR 76/06 – NJW-RR 2008, 643 Rn. 14; offen gelassen in BGH Urteil vom 21. Dezember 2006 – VII ZR 275/05 – 15 NJW 2007, 838 Rn. 10 m.N. zum Streitstand), brauche unter den hier obwaltenden Umständen nicht entschieden zu werden. Selbst wenn der Begriff des Sachverhalts weit auszulegen sein sollte und nicht nur Tatsachen, sondern auch (reine) Rechtsfragen umfasse, müsse der Irrtum der Parteien nach allgemeiner Ansicht das gegenwärtige Bestehen des Sachverhalts betreffen, nicht dagegen das Eintreten oder Ausbleiben künftiger Ereignisse (Senatsurteile vom 19. Februar 1986 – IVb ZR 7/85 – NJW-RR 1986, 945, 946 und vom 24. April 1985 – IVb ZR 17/84 – NJW 1985, 1835, 1836; BGH Urteile vom 13. Juni 1961 – VI ZR 215/60 – JZ 1963, 129 und vom 8. Februar 1984 – VIII ZR 254/82 – NJW 1984, 1746; BAG NZA 2000, 1097, 1101). Aus diesem Grunde könne schon ein Irrtum über die Entwicklung der künftigen Gesetzgebung nicht in den Anwendungsbereich des § 779 Abs. 1 BGB fallen (vgl. bereits RGZ 117, 306, 310); in gleicher Weise betreffe auch die unrichtige Vorstellung über den Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung einen Umstand, der dem Abschluß des Vergleiches erst nachfolge und ihm schon daher nicht als feststehend zugrunde gelegt werden könne (vgl. BGHZ 58, 355, 361 f. = NJW 1972, 1577; OLG Schleswig OLGR 2000, 285, 286; vgl. auch Erman/H.-F. Müller BGB 13. Aufl. § 779 Rn. 30). An dieser Beurteilung ändere sich auch in dem Fall nichts, in dem der Fortgeltung der dem Vergleich zugrunde gelegten Rechtsprechung (erst) durch eine dem Vergleichsschluß nachfolgende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Boden entzogen worden sei.
Richtig sei ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, daß auch die von der Beklagten erklärte Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) nicht durchgreifen könne, weil beide Parteien der gleichen unrichtigen Vorstellung über die Fortgeltung der Senatsrechtsprechung unterlegen seien. Solche Fehlvorstellungen seien nach den zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) entwickelten Grundsätzen zu behandeln (vgl. BGH Urteil vom 5. Februar 1986 18- VIII ZR 72/85 – NJW 1986, 1348, 1349; OLG Hamm NJW-RR 2006, 65, 66). Hiergegen erinnere auch die Revision nichts.