Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg , Entscheidung vom 29.3.2012 (2 Wx 60/11), können, wenn zum Nachweis des testamentarischen Erbrechts die Urschrift der Urkunde, auf die das Erbrecht gestützt wird, nicht vorgelegt werden kann, sondern nur eine Kopie, die Errichtung und der Inhalt des Testaments auch mit anderen Beweismitteln bewiesen werden.

Für den Widerruf eines Testaments durch Vernichtung der Originalurkunde hat derjenige Beteiligte die Feststellungslast zu tragen, der sich auf diese rechtsvernichtende Tatsache beruft. Die Nichtauffindbarkeit der Originalurkunde nach dem Tode des Erblassers begründet noch keine tatsächliche Vermutung, dass das Testament vom Erblasser mit Widerrufswillen vernichtet worden ist.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der im Jahr 2001 verstorbene Erblasser keine gesetzlichen Erben. hinterlassen Es wurde Nachlaßpflegschaft angeordnet und ein Nachlaßpfleger eingesetzt. Gut 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers legte der Neffe der bereits vorverstorbenen Ehefrau (des Erblassers) eine Kopie eines handschriftlichen Testaments des Erblassers dem Nachlassgericht vor, worin er (der Neffe) zum Alleinerben eingesetzt war. Das Originaltestament war indes nicht mehr auffindbar. Das Nachlaßgericht wies den Erbscheinsantrag mit dem Argument zurück, daß zunächst zweifelsfrei feststehen müsse, daß das Original tatsächlich vom Erblasser handschriftlich niedergelegt worden und der Verlust der Originalurkunde nicht auf einem Widerruf des Testaments mittels bewusster Vernichtung durch den Erblasser zurückzuführen sei. Insbesondere stand für das Nachlassgericht nicht fest, ob der Erblasser das Original des Testaments nur verloren und nicht bewußt durch Vernichtung der Originalurkunde widerrufen habe. Da beide Möglichkeiten gleichrangig nebeneinander standen, wurde der Erbscheinsantrag zurückgewiesen.

Im Beschwerdeverfahren benannte der Antragsteller seine Ehefrau als Zeugin für den Errichtungsakt des Originaltestaments. Nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung der Ehefrau des Neffen durch das OLG gab der Senat der Beschwerde statt und wies das Nachlassgericht an, den Alleinerbschein zu erteilen.

Das Oberlandesgericht Naumburg führte in seinen Entscheidungsgründen aus, daß das Erbrecht, welches auf einer gewillkürten Erbfolge beruht, durch Vorlage der Originalurkunde zu beweisen sei, § 2355, 2356 I 1 BGB. Sofern das Originaltestament nicht mehr auffindbar sei, gelte der Grundsatz, daß die Wirksamkeit des Testaments bestehen bleibe, wenn die Originalurkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst unauffindbar sei. In diesen Konstellationen könne die formgültige Errichtung sowie der Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden. Dies sei z.B. auch durch Vorlage einer Kopie des Originaltestaments möglich. Allerdings seien dann an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OLG München, NJW-RR 2010, 1664). Die vom Senat vernommene Zeugin habe zwar als Ehefrau des Beschwerdeführers ein eigenes, wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Dennoch habe sie geschildert, daß sie den Erblasser im Krankenhaus besucht habe, der dort, auf dem Krankenbett sitzend, auf einem Papierblock das Testament niedergelegt habe. Er habe sie selbst ebeten, eine Kopie seines Testaments anzufertigen, und ihr das Original hierzu mitgegeben. Nach Rückkehr aus dem Krankenhaus habe die Zeugin dem Erblasser absprachegemäß das Originaltestament zurückgereicht. Die Kopie habe sie jahrelang in einem Kochbuch aufbewahrt. Erst in einer Fernsehzeitschrift, in welcher Gerichtsurteile besprochen wurden, habe sie gelesen, daß man auch auf eine solche Kopie unter Umständen ein Erbrecht stützen könne. Deshalb sei erst jetzt, gut 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers, das Testament dem Nachlaßgericht vorgelegt worden. Der erkennende Senat sah keine Zweifel an der Kernaussage der Zeugin, nämlich an der formgültigen Errichtung des Testaments durch den Erblasser selbst.

Das Nachlaßgericht habe hingegen die Feststellungslast hinsichtlich der Vernichtung des Originaltestaments gem. § 2255 BGB fehlerhaft interpretiert. Hierfür komme es auf den Inhalt der materiell-rechtlichen Norm an. Derjenige, der das Erbrecht beanspruche, habe die den Anspruch begründenden Tatsachen vorzutragen und zu beweisen. Hierzu würden die Existenz, formgültige Errichtung und der Inhalt der letztwilligen Verfügung rechnen. Hingegen gehe die Nichterweislichkeit rechtshindernder oder rechtsvernichtender Tatsachen nicht zu Lasten des Testamentserben. Diese Feststellungslast trage derjenige, dem diese Tatsachen, wozu auch der Widerruf eines nach Errichtung und Inhalt erwiesenen Testaments gehöre, zugute kommen würden. Die bloße Nichtauffindbarkeit des Originaltestaments begründe weder eine tatsächliche Vermutung noch einen Erfahrungssatz, daß das Testament vom Erblasser vernichtet worden sei (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1994, 42).