Mit dem Beschluß des Oberlandesgericht Brandenburg vom 14.05.2007 (10 WF 93/07) ist das unterhaltsberechtigte Kind gem. § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB nicht daran gehindert, seinen Unterhaltsanspruch auch rückwirkend für die Vergangenheit – ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB – geltend zu machen.

Gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB könne der Berechtigte für die Vergangenheit ohne Einschränkungen Erfüllung verlangen für den Zeitraum, in dem er aus rechtlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. Ein rechtliches Hindernis bestehe insbesondere, solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war (Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., § 1613, Rz. 13 a). Die Vorschrift des § 1613Abs. 2 Nr. 2 a BGB gelte allerdings nicht, wenn, wie vorliegend, Unterhalt für die Zeit vor dem 1.7.1998 verlangt werde (BGH, FamRZ 2004, 800).

Für diesen Zeitraum könne aber, soweit, wie hier, der Vater auf Unterhalt in Anspruch genommen werde, auf die entsprechende Vorschrift des § 1615 d BGB in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung zurückgegriffen werden.

Auch im Anwendungsbereich des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB unterliege der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung gemäß § 242 BGB (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1613, Rz. 22). Ob eine Verwirkung auch dann bereits in Betracht komme, wenn sich das Kind, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, vor Anerkennung der Vaterschaft längere Zeit nicht darum bemüht habe, Unterhalt zu erhalten (so OLG Jena, NJW-RR 2002, 1154; a. A. OLG Brandenburg – 1. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2000, 1044), könne dahinstehen. Denn vorliegend sei Verwirkung jedenfalls auf Grund des Zeitablaufs nach Anerkennung der Vaterschaft durch den Beklagten mit Jugendamtsurkunde vom 5.3.2004 eingetreten.

Hinsichtlich der Verwirkung, also der Frage, ob sich die Geltendmachung rückständigen Unterhalts unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als unzulässig darstelle, bedürfe es des Zeit- und des Umstandsmoments (vgl. Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6, Rz. 135 ff.).

Beim Unterhalt seien an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen.

Das Zeitmoment könne bereits für Zeitabschnitte, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder einem erneuten Tätigwerden liegen würden, bejaht werden. Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein könne bevor er überhaupt fällig geworden sei, müßten gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden (BGH, FamRZ 1988, 370).

Neben dem Zeitmoment komme es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, das heißt, es müßten besondere Umstände hinzutreten, aufgrund deren sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf habe einrichten dürfen und eingerichtet habe, daß der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH,FamRZ 1988, 370, 373).

Da von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen sei, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten sei, daß er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemühe (vgl. BGH, a.a.O.), dürfe der Unterhaltsschuldner, wenn das Verhalten des Unterhaltsgläubigers den Eindruck erweckte, in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig zu sein, davon ausgehen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Soweit es beim Umstandsmomentauch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet habe, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reiche die Feststellung aus, daß ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasse, so daß er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen könne und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerate (BGH, a.a.O.; Senat, NJW-RR 2002, 870).

Seien Anhaltspunkte dafür, daß es im zu entscheidenden Fall anders liegen würde, nicht ersichtlich, so bedürfe es keiner besonderen Feststellungen dazu, daß der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen eingerichtet habe (BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.).

Auch Ansprüche auf Kindesunterhalt könnten verwirkt sein, obwohl die Verjährung solcher Ansprüche eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt sei (BGH, FamRZ 1999, 1422).

Die Grundsätze zur Verwirkung erführen für titulierte Ansprüche, deren Durchsetzung mit Hilfe des Titels eher näher liegen dürfte als bei nicht titulierten Forderungen, keine Einschränkung (BGH, FamRZ 1999, 1422).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei vorliegend von Verwirkung der Unterhaltsansprüche bis einschließlich Februar 2003 auszugehen. Durch Jugendamtsurkunde vom 5.3.2004 habe der Beklagte die Vaterschaft anerkannt und sich zur Unterhaltszahlung ab 1.März 2003 verpflichtet. Das Jugendamt des Bezirksamtes P… von B… habe dem Beklagten als Beistand und damit gesetzlicher Vertreter für die damals noch minderjährige Klägerin (vgl. KG, NJW-RR 2005, 155 f.) unter dem 23.4.2004 mitgeteilt, daß für die Zeit vom 1.3.2003 bis zum 31.3.2004 Unterhaltsrückstände in Höhe von insgesamt 3.252 € aufgelaufen seien. Von Unterhaltsrückständen aus der Zeit davor sei in dem Schreiben keine Rede. Erstmals mit Anwaltschreiben vom 5.1.2006 habe die Klägerin auch rückständigen Unterhalt aus der Zeit von Mai 1987 bis Februar 2003 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt habe die Fälligkeit sämtlicher Ansprüche bis einschließlich Februar 2003 länger als ein Jahr zurückgelgen. Der Beklagte habe sich bereits ein Jahr nach Erhalt des Schreibens des Jugendamtes vom 23.4.2004 darauf einrichten können, für weitere Rückstände nicht in Anspruch genommen zu werden. Von Verwirkung des Unterhaltsanspruchs insoweit sei somit auszugehen.

Zu dieser Themaitk auch : OLG Naumburg – Beschl. v. 28.12.2009 – 3 WF 257/09 -; OLG Karlsruhe – Beschl. v. 12.09.2005 – 16 UF 153/05