Bundessozialgericht B 4 AS 67/12 R: Keine Kürzung von Unterkunftskosten bei Hartz IV-Empfängerrn, bei Fehlverhalten eines Beziehers der Bedarfsgemeinschaft.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und den mit ihr zusammen lebenden Söhnen, dem Kläger zu 2 (geb 1994) und dem 1987 geborenen D., für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009 als SGB II-Leistungen ua Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in tatsächlicher Höhe von 526,50 Euro anteilig zu je einem Drittel (175,50 Euro). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er D. die Leistungen vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009) und bewilligte die SGB II-Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft wegen des von der Klägerin zu 1 erzielten Einkommens mehrfach ‑ zuletzt mit dem von den Klägern erstmals mit Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 ‑ neu. Den auf D. entfallenden KdU-Anteil setzte er für den im Verfahren streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 mit „0 Euro“ fest.

Das SG hat ‑ bestätigt durch das LSG ‑ den Beklagten verurteilt, der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere Leistungen für KdU in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu zahlen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es könne offen bleiben, ob D. mit Blick auf die von den Klägern möglicherweise geltend gemachten Zweifel im streitigen Zeitraum noch Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Da keine wirksame Kostensenkungsaufforderung vorliege, bestehe keine Obliegenheit zur Kostensenkung. Seien die Kosten als angemessene oder als unangemessene demnach zu übernehmen, stehe einer Anrechnung des auf D. entfallenden Kopfteils als „fiktiven“ zu Lasten der Kläger entgegen, dass deren tatsächliche Aufwendungen nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setzte ua voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen getragen werde. Die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der Unterkunftskosten im Außenverhältnis bestehe unverändert fort. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung als unangemessen erkannter KdU.

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs bestehe kein Anlass. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege tatsächlich nicht vor. Eine Verpflichtung zur Übernahme des ausstehenden Mietanteils bestehe nicht. Aufgrund der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden liege in der Regel kein Kündigungsgrund nach dem BGB vor. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 GG, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise „ins Leere laufe“.

SG Düsseldorf                           – S 25 AS 258/10 –
LSG Nordrhein-Westfalen           – L 6 AS 1589/10 –