Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.03.2007 (VI ZR 158/06):

Zur Darlegungs- und Beweislast des Arztes nach den Grundsätzen voll beherrschbarer Risiken bei einem Spritzenabszess des Patienten infolge einer Infektion durcheine als Keimträger feststehende Arzthelferin (Fortführung von Senat, Urteil vom 8. Januar 1991 – VI ZR 102/90 – VersR 1991, 467):

 

„Anders als im Bereich des ärztlichen Handelns, in dem grundsätzlich der Patient die Darlegungs- und Beweislast für einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler sowie dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden trägt

[…], kommt bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des men-schlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, der Rechtsgedanke des […] § 282 BGB a.F. [nunmehr § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB] zum Tragen, wonach die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt.“

„Die Verlagerung der Darlegungs- und Beweislast auf die Behandlungsseite in Anwendung des Rechtsgedankens des § 282 BGB a.F. setzt nämlich nicht voraus, daß die aus dem Klinikbetrieb oder der Arztpraxis stammende objektiv gegebene Gefahr für die Behandlungsseite im konkreten Fall erkennbar war. Steht wie im Streitfall fest, daß sich ein aus diesem Bereich stammendes objektiv voll beherrschbares Risiko verwirklicht hat, ist es vielmehr Sache des Arztes oder des Klinikträgers darzulegen und zu beweisen, daß es hinsichtlich des objektiv gegebenen Pflichtenverstoßes an einem Verschulden der Behandlungsseite fehlt […]. So hat der erkennende Senat z.B. dem Krankenhausträger und seinen Ärzten die Beweislast für die Gewähr ein-wandfreier Voraussetzungen für eine sachgemäße und gefahrlose Behandlung zuge-wiesen, wenn es etwa um Fragen ging wie […] die Sterilität der verabreichten Infusi-onsflüssigkeit […]. Dasselbe gilt für […] die richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch (Senatsurt. vom 24. 1. 1984 – VI ZR 203/82 – VersR 1984, VersR Jahr 1984 Seite 386, VersR Jahr 1984 Seite 387). All diesen Fällen ist gemeinsam, dass objektiv eine Gefahr bestand, deren Quelle jeweils festgestellt werden konnte und die deshalb objektiv beherrschbar war.“