In dem Beschluß des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 24.10.2012 – 7 UF 969/12 – beschäftigte sich das  Gericht mit dem familienrechtlichen Ausgleichsanspruch eines Elternteils, der nach seiner Verpflichtung zur Leistung von Barunterhalt in einer Jugendamtsurkunde die Betreuung der Kinder übernommen hat.

Die Beteiligten des Verfahrens waren geschiedene Eheleute und die Eltern des am 23.12.1993 geborenen Sohnes S. Dieser lebte bis Juli 2011 bei der Kindesmutter. Bereits im April 2010 hatte sich der Kindesvater zu monatlichen Unterhaltszahlungen durch Errichtung einer Jugendamtsurkunde in Höhe des Mindestunterhalts verpflichtet. Nachdem das Kind im August 2011 in den Haushalt des Kindesvaters gewechselt war, forderte das Jugendamt die Kindesmutter im September 2011 im Rahmen einer errichteten Beistandschaft zur Auskunft über ihre Einkünfte und zur Zahlung von Kindesunterhalt ab Oktober 2011 auf. Zahlungen erfolgten nicht.

Das Amtsgericht hat dem Antrag des Kindesvaters, mit dem er Erstattung des von ihm für den Zeitraum Oktober 2011 bis Dezember 2011 (Ende der Volljährigkeit) geleisteten Kindesunterhalts verlangt, stattgegeben. Der Kindesvater hatte vorgetragen, den Barunterhalt für die Kindesmutter in der Absicht verauslagt zu haben, sich den entsprechenden Betrag von ihr zurückzuholen. Die Kindesmutter entgegnete, der Kindesvater habe den Unterhalt aufgrund der gegen ihn gerichteten Jugendamtsurkunde gezahlt. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hatte keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht Nürnburg führte in seinen Entscheidungsgründen aus, daß in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch gegenüber dem anderen Elternteil für Fälle anerkannt sei, in denen ein Elternteil (allein) für den Unterhalt eines gemeinsamen ehelichen Kindes aufgekommen ist, obwohl (auch) der andere Elternteil dem Kind unterhaltspflichtig war (vgl. etwa BGH FamRZ 1994, 1102, 1103).

Im vorliegenden Fall sei von der Antragsgegnerin nicht bestritten, daß der Antragsteller im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.10. bis 22.12.2011 für einen monatlichen Barunterhalt des Kindes S. von 334,– € aufgekommen sei, der sich für den gesamten Zeitraum auf die beanspruchten 912,93 € belaufe.

Weitere Voraussetzung für das Bestehen des vom Antragsteller geltend gemachten Ausgleichsanspruchs sei nach der Rechtsprechung des BGH, daß der den Unterhalt leistende Elternteil, also der Antragsteller, mit seiner Leistung eine im Innenverhältnis der Eltern zueinander dem anderen Elternteil, also der Antragsgegnerin, gegenüber dem Kind obliegende Verpflichtung erfüllt habe (vgl. etwa BGH a.a.O.).

In seiner Rechtsprechung gehe der Bundesgerichtshof davon aus, daß diese Voraussetzung nicht gegeben sei, wenn der vom zahlenden Elternteil geleistete Barunterhalt einer in einem rechtskräftigen Urteil festgestellten Unterhaltsverpflichtung dieses Elternteils entspreche.

Der Bundesgerichtshof habe diese den Ausgleichsanspruch einschränkende Voraussetzung in einem Urteil vom 20.5.1981 (FamRZ 1981, 761) in einem Fall entwickelt, in dem es um die im Vorfeld der fraglichen Unterhaltsleistungen in einem Urteil rechtskräftig festgestellten Anteile der Haftung der Eltern für den Unterhalt volljähriger Kinder ging.

Er habe dazu ausgeführt, daß der Ausgleichsanspruch nicht dazu bestimmt sei, gerichtlich festgesetzte Unterhaltsverpflichtungen, die auf einer Abwägung der Leistungsfähigkeit beider Eltern beruhen, durch einen Ausgleich von Unterhaltsanteilen im Verhältnis der Eltern zueinander abzuändern. Sei über den Haftungsanteil eines Elternteils in einem Unterhaltsrechtsstreit zwischen diesem und dem unterhaltsberechtigten Kind rechtskräftig entschieden, solle dieser Anteil nach dem Willen des Gesetzgebers nur unter den Voraussetzungen einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO erneut zur Entscheidung gestellt werden. Es würde dem in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Bestreben nach Wahrung der Rechtssicherheit widersprechen, wenn ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen einer Abänderungsklage nach § 323 ZPO ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch zugelassen würde, mit Hilfe dessen der im Unterhaltsprozeß zur Zahlung verurteilte Elternteil geltend machen könne, das Unterhaltsurteil sei von einer unrichtigen Bemessung der Haftungsanteile der Eltern an der gemeinsamen Unterhaltsschuld ausgegangen.

In einem weiteren Urteil vom 25.5.1994 (FamRZ 1994, 1102) habe sich der BGH zu einem Fall geäußert, in dem, wie im vorliegenden, ein minderjähriges Kind geschiedener Eltern seinen Aufenthalt von der Mutter zum Vater verändert hatte, der durch ein Urteil aus der Zeit, als das Kind noch bei der Mutter lebte, zur Leistung von Barunterhalt an das Kind verpflichtet worden war.

In den Gründen seiner Entscheidung habe der BGH auch in diesem Fall ausgeführt, daß im Verhältnis zu dem unterhaltsberechtigten Kind der Vater mit den erbrachten Barleistungen seiner eigenen rechtskräftig festgestellten Unterhaltsverpflichtung nachgekommen sei und deshalb insoweit nicht anstelle der Mutter eine Unterhaltsverbindlichkeit erfüllt habe, die dieser gegenüber der Tochter oblegen hätte.

Auch in dem zu entscheidenden Fall sei die Frage der Barunterhaltspflicht, die bereits Gegenstand des früheren Unterhaltsrechtsstreit zwischen dem Kind und dem Vater war, nur unter den Voraussetzungen und auf dem Weg des § 323 ZPO erneut zur Entscheidung zu stellen. Dies gelte auch für den Fall des Überwechselns des Kindes von einem zum anderen Elternteil. Berücksichtigt werden müsse in diesem Zusammenhang auch, daß ein Urteil gemäß § 323 Abs. 3 ZPO nur für die Zeit nach Rechtshängigkeit der Abänderungsklage abgeändert werden dürfe und diese Bestimmung leerliefe, wenn bereits eine wesentliche Änderung der Verhältnisse als solche zur Bejahung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs des zu Barunterhaltsleistungen verurteilten Elternteils gegenüber dem anderen führen würde. Es hätte deshalb auch in dem vom BGH entschiedenen Fall zunächst einer Klage des Vaters auf Abänderung des früheren Urteils bedurft, wenn der Vater von der Mutter Ersatz für von ihm über die Betreuung hinaus erbrachte Barleistungen verlangen wolle.

Im vorliegenden Fall sei die Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers gegen S. im Jahr 2010 abweichend von den vom BGH entschiedenen Fällen nicht durch eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung, sondern in einer Jugendamtsurkunde, festgelegt worden.

Zwar sei diese Jugendamtsurkunde – ebenso wie eine gerichtliche Entscheidung – ein vollstreckbarer Titel (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), der bei einer Veränderung der zugrundliegenden Umstände zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen von diesem im Wege eines Antrages nach § 239 ZPO abzuändern ist (vgl. etwa BGH FamRZ 2011, 1041 ff.) bzw. gegen den, wohl auch bei dem hier vorliegenden Entfallen der Barunterhaltspflicht des Antragstellers wegen der Aufenthaltsnahme des Kindes bei ihm, im Wege eines Vollstreckungsgegenantrages vorzugehen ist.

Allerdings komme dieser Urkunde, anders als einer gerichtlichen Entscheidung, keine Rechtskraftwirkung zu, um deren Schutz es dem BGH mit der wiedergegebenen Argumentation in den genannten Entscheidungen offensichtlich gehe. Außerdem würde auch dann, wenn man, wie offenbar der BGH in seiner Entscheidung vom 25.5.1994, davon ausgehen würde, daß auch ein Entfallen der Barunterhaltspflicht aufgrund des Aufenthaltswechsels des Kindes im Wege eines Abänderungsantrages geltend zu machen ist, für diesen die Zeitschranke des § 238 Abs. 3 FamFG nicht gelten (vgl. dazu etwa Zöller/Lorenz, ZPO, 29. Aufl., § 239 FamFG Rdnr. 3), die der BGH in der genannten Entscheidung – bezogen auf § 323 Abs. 3 ZPO – ebenfalls als Argument für seine Auffassung herangezogen hat.

 

Der Senat sei deshalb der Auffassung, daß die Existenz der Jugendamtsurkunde und auch der Umstand, daß die Antragsgegnerin vor oder auch während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht zur Herausgabe der Jugendamtsurkunde, sondern (mit den Schreiben des Jugendamtes vom 19.9. und 17.11.2011) „nur“ zu Unterhaltszahlungen bzw. entsprechender Auskunft aufgefordert wurde, der Annahme, daß der Antragsteller im vorliegenden Fall mit der – angesichts der ausbleibenden Zahlungen der Antragsgegnerin notgedrungenen – Übernahme des Barunterhalts für das Kind S. eine Verbindlichkeit erfüllt habe, die sich im Verhältnis zum Kind als Verpflichtung der Antragsgegnerin darstellt, nicht entgegenstehe.

Daß die Antragsgegnerin im fraglichen Zeitraum für den Mindestunterhalt in Höhe von 334,– € leistungsfähig und angesichts des Aufenthalts des Kindes beim Vater materiell-rechtlich damit gemäß §§ 1601, 1603 BGB unterhaltspflichtig gewesen sei, werde von ihr ebenso wenig bestritten, wie die Bedürftigkeit von S.

Insbesondere im Termin vom 10.10.2012 habe der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin seine Beschwerde schwerpunktmäßig darauf gestützt, daß der Antragsteller seine Absicht, von der Antragsgegnerin für die von ihm erbrachten Unterhaltsaufwendungen für S. Ersatz verlangen, – auch durch die Schreiben des Jugendamtes vom 19.9. und 17.11.2011 – nicht hinreichend deutlich gemacht habe.

Auf der Grundlage des – gemäß § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB auch für die Zeit der Trennung der Eheleute maßgeblichen – Regelung in § 1360 b BGB, daß dann, wenn ein Ehegatte zum Unterhalt der Familie einen höheren Betrag leiste, als ihm obliege, im Zweifel anzunehmen sei, daß er nicht beabsichtige, dafür vom anderen Ehegatten Ersatz zu verlangen, habe der BGH in einer Entscheidung vom 26.6.1968 (vgl. FamRZ 1968, 450, 451) für einen Fall zwischen noch verheirateten, getrenntlebenden Elternteile den Nachweis einer von vorneherein bestehenden Absicht, vom anderen Elternteil die Erstattung von erbrachten Kindesunterhalt zu verlangen, als Voraussetzung für einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch aufgestellt.

Ob der positive Nachweis einer entsprechenden Absicht und deren Kundgabe vor oder während der Übernahme der Unterhaltsleistungen durch den für den Unterhalt aufkommenden Elternteil auch dann erforderlich sei, wenn die Elternteile, wie im vorliegenden Fall, im fraglichen Zeitraum bereits geschieden waren und § 1360 b BGB deshalb nicht mehr (direkt) anwendbar ist, hatbe der BGH in der Folgezeit in Entscheidungen vom 20.5.1981 (unter II. 3, FamRZ 1981, 761, 762), vom 26.4.1989 (unter II. 4 a), FamRZ 1989, 850, 852) und vom 25.5.1994 (unter II. 2), FamRZ 1994, 1102, 1103) offengelassen.

Ob auch im vorliegenden Fall eine entsprechende Absicht und deren Kundgabe vorliegen müsse, brauche nicht abschließend entschieden zu werden.

Nach Auffassung des Senats werde im vorliegenden Fall nämlich bereits aus dem Schreiben des Jugendamtes vom 19.9.2011 an die Antragsgegnerin, in dem im Hinblick auf einen Unterhaltsanspruch des – zwischenzeitlich beim Antragsteller lebenden – Kindes S. Auskunft über das Einkommen verlangt werde, deutlich, daß der Antragsteller das Jugendamt wegen des Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen die Antragsgegnerin aufgesucht habe und das Jugendamt zur Unterstützung auch des Antragstellers gehandelt habe. Mit diesem Schreiben sei für die Antragsgegnerin deutlich gemacht worden, daß nach dem Wechsel des Kindes zum Vater sie für den Kindesunterhalt in Anspruch genommen werden sollte und damit auch davon ausgegangen worden sei, daß nicht mehr, wie in der Jugendamtsurkunde, der Vater, sondern sie als dem Grunde nach barunterhaltspflichtig angesehen würde.

Bereits mit diesem Schreiben war damit nach Auffassung des Senates hinreichend klar gemacht, daß für den – dann tatsächlich eingetretenen – Fall, daß die Antragsgegnerin keinen Kindesunterhalt leisten würde, der Antragsteller diesen Unterhalt nicht mehr auf der Grundlage der Jugendamtsurkunde, sondern für die Antragsgegnerin erbringe.

Werde, wie im vorliegenden Fall, ein familienrechtlicher Anspruch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum geltend gemacht, bestehe ein solcher, wie ein Anspruch auf rückständigen Kindesunterhalt, nur in den Grenzen des § 1613 BGB (vgl. dazu Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., § 1606 RdNr. 18 m.w.N.). Insoweit reiche es nach allgemeiner Meinung allerdings aus, daß die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB für den fraglichen Kindesunterhalt vorliegen würden (vgl. Palandt, a.a.O., BGH, NJW 1989, 2816, und Scholz, a.a.O., § 2 RdNr. 783).

Die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB seien im vorliegenden Fall für den gesamten maßgeblichen Zeitraum ab dem 1.10.2011 erfüllt, da davon ausgegangen werden könne, daß das insoweit tatbestandsmäßige Auskunftsbegehren des Jugendamtes vom 19.9.2011 der Antragsgegnerin noch im September 2011 zugegangen sei.

Da damit die Voraussetzungen des geltend gemachten Ausgleichsanspruchs vorliegen und auch die zugesprochene Zinsforderung begründet sei, sei die Beschwerde der Antragsgegnerin als unbegründet zurückzuweisen gewesen.

Der Senat lasse gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zu, weil die Frage, ob bei einer Fallgestaltung, wie der hier vorliegenden, nicht nur eine den Unterhalt leistenden Elternteil belastende gerichtliche Entscheidung, sondern auch eine Jugendamtsurkunde der Geltendmachung eines familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs entgegenstehe, von grundsätzlicher Bedeutung sei und eine höchstgerichtliche Entscheidung dazu der Fortbildung des Rechts diene.