Bundesgerichtshof, Pressemitteilung vom 25.03.2013 Nr. 52/13, Beschluß vom 20.01.2013 (1 StR 585/12):

Das Landgericht Stuttgart hatte drei heranwachsende Angeklagte wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu unterschiedlichen Sanktionen des Jugendstrafrechts verurteilt. Sie hatten die Taten als Mitglieder einer Jugendgruppe begangen, die nach vorangegangenen wechselseitigen Provokationen mit Angehörigen einer weiteren Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener verabredet hatte, sich miteinander zu schlagen. Die an dieser faktisch zustande gekommenen Übereinkunft Beteiligten beider Gruppen stimmten zu, die Auseinandersetzung auch mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen. Den Eintritt selbst erheblicher Verletzungen billigten sie jeweils. Im Verlaufe der wechselseitigen Tätlichkeiten erlitten mehrere Angehörige der gegnerischen Gruppe nicht unerhebliche Verletzungen. So mußte etwa einer der „Gegner“ drei Tage stationär, davon einen Tag auf der Intensivstation, behandelt werden.

Das Landgericht hatte die Angeklagten wegen der von ihnen begangen oder als Mittäter der übrigen Gruppenmitglieder zu verantwortenden Körperverletzungen verurteilt. Die von den später Verletzten aus der gegnerischen Gruppe erteilten Einwilligungen in die Schläge und Tritte hatte es nicht als Rechtfertigung zugunsten der Angeklagten gewertet. Nach Auffassung des Tatgerichts verstießen die Körperverletzungen trotz dieser Einwilligungen im Sinne von § 228 StGB gegen die „guten Sitten“.

Mit ihren Revisionen wandten sich die Angeklagten u.a. gegen diese rechtliche Bewertung.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs verwarf die Rechtsmittel jedoch und bestätigte im Ergebnis die Rechtsauffassung des Landgerichts.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden waren. Nunmehr machte der 1. Strafsenat deutlich, daß jedenfalls bei wie hier verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließe, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden seien, daß die Grenze der „Sittenwidrigkeit“ der Taten überschritten sei.

Die Entscheidung des 1. Strafsenats wird – auch wenn darüber nicht unmittelbar zu entscheiden war – Auswirkungen die strafrechtliche Bewertung verabredeter Schlägereien zwischen rivalisierenden Hooligan-Gruppen haben (häufig sog. Dritte Halbzeit). Selbst wenn solche körperlichen Auseinandersetzungen auf getroffenen Abreden über die Art des „Kampfes“ beruhen, werden sich die Taten wegen der typischen Eskalationsgefahren trotz der Einwilligungen sämtlicher Beteiligungen als Verstoß gegen die „guten Sitten“ erweisen.

Dagegen sind mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbundene Sportwettkämpfe auch bei Austragung durch Mannschaften nicht betroffen. Das vorhandene Regelwerk der Sportarten, dessen Einhaltung regelmäßig durch eine neutrale Instanz kontrolliert wird, begrenzt üblicherweise den für die Beteiligten vorhandenen Gefährdungsgrad. Wie schon bisher sind strafbare Körperverletzungen hier erst dann gegeben, wenn diese aus grob regelwidrigem Verhalten hervorgehen.