Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Mainz, urteilte am 23.02.2012 (2 Sa 635/11), daß eine gerichtliche Gesamterledigungsklausel regelmäßig nicht die Betriebsrentenansprüche erfasse.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Versorgungsanwartschaft, die gemäß § 3 Abs. 1 BetrAVG nicht abgefunden werden dürfe, wirksam nicht erlassen werden.

Die Voraussetzungen, unter denen eine Abfindung wegen geringer Höhe der Betriebsrente oder eine Abfindung auf Wunsch des Arbeitnehmers ausnahmsweise erfolgen könne, seien vorliegend nicht ersichtlich. Als zwingende Vorschrift des Betriebsrentengesetzes, gegen die ein Erlaßvertrag über eine Versorgungsanwartschaft verstoßen könne, komme § 3 Abs. 1 S. 1 BetrAVG in Betracht. Danach könne eine Anwartschaft abgefunden werden, wenn die Anwartschaft auf einer Versorgungszusage beruhe, die noch nicht verfallbar sei.

Der Zweck der Vorschrift solle dazu dienen, die Anwartschaft im vorgesehenen Zweck zu erhalten, nämlich sicher zu stellen, daß der Arbeitnehmer im Versorgungsfall Leistungen tatsächlich erhalte. Die Versorgung sei jedenfalls im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu schützen. Seinem Wortlaut nach verbiete zwar § 3 Abs. 1 S. 1 BetrAVG nur die Abfindung und nicht den Erlaß einer Versorgungsanwartschaft. Da aber schon die Abfindung einer Anwartschaft einen Verzicht auf die Anwartschaft zum Gegenstand habe, wenn auch gegen Zahlung eines Entgeltes, könne für einen entschädigungslosen Verzicht nichts anderes gelten (vgl. BAG Urteil vom 22.09.1987 – 3 AZR 194/86

[zitiert nach juris Rdnr. 24 m. w. N.]).

Letztlich konnte diese Frage vorliegend aber unentschieden bleiben.

Ein Verzicht, ein Erlaß oder ein negatives konstitutives Schuldanerkenntnis sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Die hierfür wesentlichen Gesichtspunkte der einschlägigen bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung seien vom Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet worden. Im wesentlichen sei auf den Umstand abzustellen, daß wegen des hohen Wertes von Anwartschaften für den Arbeitnehmer regelmäßig nicht davon ausgegangen werden könne, daß dieser ohne ausdrückliche Erklärung auf entsprechende Ansprüche verzichten wolle. Ein einsichtiger und verantwortungsbewußter Arbeitgeber könne bei verständiger und zu beiden Seiten hin interessengerecht vorzunehmender Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht annehmen, ein solcher Verzicht werde ohne besondere Hervorhebung und ohne besonderen Anlaß erklärt.

Ein Anlaß habe vorliegend auch nicht bestanden. Eine ausdrückliche Erklärung sei im Vergleich nicht abgegeben worden. Die vereinbarte Abfindung habe sich auf eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes bezogen, nicht auf eine Entschädigung für Verlust von Versorgungsansprüchen.

Das Arbeitsgericht weise auch zutreffend darauf hin, daß die Länge und der Inhalt der Diskussion in der Güteverhandlung nicht für die vom Beklagten vorgebrachte Auslegung streite. Betriebsrentenansprüche seien in dieser Sitzung nicht Gegenstand von Verhandlungen der Parteien gewesen.

Die vom Beklagten im Berufungsverfahren in den Vordergrund gestellte behauptete Ausnahme des Grundsatzes ausdrücklicher Aufnahme von Betriebsrentenansprüche in Vereinbarungen liege nicht vor. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.04.2010 besage nichts anderes. In dieser Entscheidung werde zunächst darauf abgestellt, daß Gesamterledigungsklauseln eine besondere Funktion hätten, sie sollten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den ehemaligen Vertragsparteien klare Verhältnisse schaffen und künftige Streitigkeiten verhindern. Deshalb würden sie sich regelmäßig nicht nur auf Ansprüche beziehen, über welche die Parteien vorher gestritten hätten, sondern auch auf solche, an welche die Parteien nicht gedacht hätten. Hierfür spreche auch der Inhalt des Vergleiches, wonach auch unbekannte Ansprüche Gegenstand der allgemeinen Erledigungsklausel sein sollten. Im Regelfall seien Gesamterledigungsklauseln weit auszulegen.

Für Versorgungsansprüche würden jedoch Besonderheiten gelten. Sie hätten meist einen hohen Wert, ihre Erhaltung und Erfüllung sei für den daraus Berechtigten von großer Bedeutung. Kein Arbeitnehmer werde ohne besonderen Grund auf derartige Rechte verzichten wollen. Die Bedeutung der Versorgungsansprüche für den Arbeitnehmer erfordere daher eine unmißverständliche Erklärung. Ein solcher Verzicht müsse eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BAG Urteil vom 20.04.2010 – 3 AZR 225/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 50). Eine unmißverständliche Erklärung sei im vorliegenden Fall nicht abgegeben worden.

Wenn nun das Bundesarbeitsgericht als weiteres Auslegungskriterium für einen Ausnahmetatbestand überprüfe, ob die Tatsache, daß die in Rede stehende Vereinbarung auf Arbeitnehmerseite von dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers veranlaßt worden sei, etwas anderes gebiete und dies verneine mit der Begründung, der damalige Prozeßbevollmächtigte sei mit Fragen der betrieblichen Altersversorgung des Klägers erkennbar nicht befaßt gewesen, sei diese Auslegungsregel nicht gleichzusetzen mit einer apodiktischen Feststellung, daß immer dann, wenn ein Prozeßbevollmächtigter mit Fragen der betrieblichen Altersversorgung befaßt gewesen sei, die klare und unmißverständliche Aufnahme der Betriebsrentenansprüche in eine Gesamterledigungsklausel nicht veranlaßt sei. Erkennbar habe das Bundesarbeitsgericht hier einen Einzelfall entschieden und jedenfalls dann, wenn eine Vorbefassung mit Betriebsrentenansprüchen nicht vorliege, keine Ausnahme von der allgemeinen Auslegungsregel gemacht. Ob immer dann, wenn eine Vorbefassung vorliege, diese Ausnahmeregelung greifen solle, sei gerade nicht festgestellt worden. Hiergegen spreche auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 17.10.2000 – 3 AZR 69/99, zitiert nach juris. Wenn in der dortigen Randziffer 29 ausgeführt werde, der Senat habe nicht zu entscheiden, ob die genannte Auslegungsregel auch dann gelte, wenn der Aufhebungsvertrag mit allgemeiner Ausgleichsklausel auf Arbeitnehmerseite von dem Bevollmächtigten verhandelt werde, der auch die Prozeßvertretung in dem um die Versorgungsansprüche geführten Rechtsstreit inne habe.

Der angeführte möglicherweise gegebene Ausnahmetatbestand des „Befassens“ sei dahingehend zu interpretieren, daß es zumindest eines Rechtsstreits oder einer Streitigkeit über Grund und Höhe von Betriebsrentenansprüchen bedürfe, ehe überhaupt erst eine Auslegung in Betracht komme, daß trotz Fehlens ausdrücklicher Inbezugnahme von Betriebsrentenansprüchen diese Ansprüche von der Ausgleichsklausel erfaßt sein sollten. Über Grund oder Höhe der Betriebsrentenzusage habe zwischen den damaligen Prozeßparteien überhaupt kein Streit bestanden. Dadurch, daß die Prozessbevollmächtigte des Beklagten unter dem Betreff „Rentenansprüche“ die Vertragslage beschreibe, dies auch erkennbar im Zusammenhang mit dem Hinweis, daß der Kläger jedenfalls kein Arbeitnehmer des Beklagten gewesen sei, liege keine Vorbefassung mit Betriebsrentenansprüchen vor, die als Ausnahme von der Auslegungsregel herhalten könne, wonach Betriebsrentenansprüche ausdrücklich in einem Verzichts- oder Erlaßvertrag bezeichnet werden müssen. Da ein einsichtiger und verantwortungsbewußter Arbeitgeber bei verständiger und zu beiden Seiten hin interessengerecht vorzunehmender Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB nicht annehmen könne, ein erklärter Verzicht werde ohne besondere Hervorhebung und besonderen Anlaß erklärt, sei nach der gemäß §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung der vertraglichen Gesamterledigungsklausel nicht davon auszugehen, daß diese auch unverfallbare Betriebsrentenansprüche zum Gegenstand habe.