In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Celle (Beschluß des OLG Celle v. 13.04.2012 – 10 UF 22/12 –) ging es um die Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

In dem zugrundeliegenden Verfahren nahm die Kindesmutter, die Antragstellerin, den Kindesvater (Antragsgegner) auf Kindesunterhalt für den aus der im September 2010 rechtskräftig geschiedenen Ehe hervorgegangenen Sohnes C. I. A. in Anspruch.

Der Antragsgegner hatte im Hinblick auf die gemeinsame Übersiedlung mit der Familie nach Deutschland seine Tätigkeit für die griechische Armee aufgegeben, aus der er – seit der Trennung der Beteiligten wieder in Griechenland lebend – eine „Frührente“ bezog. Er lebte in einer Eigentumswohnung, für die er Zins- und Tilgungsleistungen erbrachte.

Das Amtsgericht hatte Prozeßkostenhifeantrag der Kindesmutter für die beabsichtigte Stufenklage Prozeßkostenhilfe bewilligt und die Klage wurde dem Antragsgegner sodann zugestellt. Dabei waren alle Beteiligten wie auch das Amtsgericht (sowie der Senat des Oberlandesgerichts Celle noch bei Eingang des Rechtsmittels) von der Fortgeltung des bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensrechts ausgegangen.

Nachdem im weiteren Verlauf des Verfahrens durch den Antragsgegner Auskunft erteilt worden war, hatte die Antragstellerin die Unterhaltsforderung beziffert.

Mit „Schlußurteil“ vom 16. Dezember 2011 hatte das Amtsgericht unter Abweisung des weitergehenden Antrages den Antragsgegner für die Zeit ab 1. Januar 2011 zu Kindesunterhalt in Höhe von 100% des Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe gemäß § 1612a BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes für eine erstes Kind, derzeit 272 €, verpflichtet.

Gegen diese zugestellte Entscheidung richtete sich das als Berufung bezeichnete und am 26. Januar 2012 beim Oberlandesgericht eingelegte Rechtsmittel, das – innerhalb verlängerter Frist – am 10. April 2012 begründet worden war.

Dabei erstrebte der Antragsgegner in Änderung der amtsgerichtlichen Entscheidung die vollständige Antragsabweisung und suchte – unter Vorlage einer offenkundig unvollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse – für das Beschwerdeverfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nach.

Zur Begründung machte der Antragsgegner geltend, das Amtsgericht habe ihn nicht darauf hingewiesen, daß es ihn für seine Leistungsunfähigkeit als darlegungs- und beweisbelastet ansehe; nach allgemeinen Beweislastregeln seien auch vorliegend die anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Antragsteller darzulegen und zu beweisen. Weiter meinte er, zur Leistung des titulierten Unterhalts nicht leistungsfähig zu sein, und machte – allgemeine – Ausführungen dazu, daß für die Aufnahme einer ausreichend vergüteten Tätigkeit durch ihn keine Möglichkeit bestehe.

Es war nun zunächst die Frage, ob das deutsche Gericht überhaupt zuständig sei und ob deutsches Recht überhaupt angewandt werden könne.

Hierzu ist zu erläutern, daß sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit sich aus Art. 3 lit. b EG-UntVO ergibt. Die EG-UntVo ist am 18.06.2011 in Kraft getreten und ersetzt hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit die Brüssel I-VO.

Die örtliche Zuständigkeit wird konkretisiert in § 28 AUG, der eine Zuständigkeit des Amtsgerichts am Sitz des Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz hat, vorsieht immer dann, wenn ein Beteiligter seinen Wohnsitz im Ausland hat.

Für das anwendbare materielle Recht verweist Art. 15 EG-UntVO auf das Haager Protokoll v. 23.11.2007 (HUntP). Dieses ist grds. anwendbar für entstandene Unterhaltsansprüche nach Inkrafttreten der EG-UntVO am 18.06.2011. Die davor entstandenen Unterhaltsansprüche richten sich nach Art. 18 EGBGB.

In dem zugrundeliegenden Verfahren gelangte das Oberlandesgericht zu der deutschen Zuständigkeit und der Anwendung deutschen materiellen Rechts.

Zunächst war zu klären, ob das bis zum 31.08.2009 oder das ab dem 01.09.2009 geltende Verfahrensrecht zur Anwendung komme.

Das Oberlandesgericht Celle erläuterte, der Bundesgerichtshof habe in dem Beschluß vom 29. Februar 2012 entschieden, daß durch die Anbringung eines PKH-Gesuches für eine Klage noch nicht im Sinne von Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG das spätere Verfahren „eingeleitet“ werde. Daher bleibe das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht nicht bereits dann für ein Verfahren maßgeblich, wenn vor dem 1. September 2009 lediglich ein PKH- oder VKH-Gesuch eingereicht worden sei. Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG sei daher vorliegend das seit dem 1. September 2009 geltende „neue“ Verfahrensrecht anzuwenden.

Dem Antragsgegner könne für das Beschwerdeverfahren die nachgesuchte VKH nicht bewilligt werden, weil seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Im Ergebnis zutreffend sei das Amtsgericht nicht nur von seiner aus Art. 3 lit. b Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008

[ABl EU 2009 L 7/1] folgenden internationalen Zuständigkeit, sondern auch von der Anwendung deutschen Sachrechts ausgegangen.

Dies fuße allerdings nur für die Zeit vor dem 18. Juni 2011 auf dem an diesem Tag durch das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23. November 2007 (HUntProt) abgelösten Art. 18 EGBGB.

Das HUntProt findet nach seinem Art. 22 keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird; insofern bestimme sich das Unterhaltsstatut hinsichtlich des für die Zeit bis zum 17. Juni 2011 begehrten Unterhalts noch nach Art. 18 EGBGB.

Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 5 Abs. 1 EU-Ratsbeschluß vom 30. November 2009 (ABl EU 2009 L 331/17). Danach richte sich zwar ungeachtet Art. 22 HUntProt das Sachrecht nach dem HUntProt auch für Unterhaltsansprüche, die in einem Mitgliedsstaat für einen früheren Zeitraum geltend gemacht würden. Dies gelte jedoch nur dann, wenn die Verfahrenseinleitung, die Billigung oder der Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches oder die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde nach dem 18. Juni 2011 als Beginn der Anwendbarkeit des HUntProt erfolgt sei.

Unabhängig von der Frage der „Einleitung“ im Sinne von Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG sei das vorliegende Verfahren jedoch bereits 2009 und damit deutlich vor Inkrafttreten des HUntProt eingeleitet worden.

Art. 18 Abs. 1 EGBGB führe – wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat – zur Anwendung deutschen Sachrechts, da der unterhaltsberechtigte Sohn in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Für die Zeit ab dem 18. Juni 2011 sei dagegen gemäß § 22 HUntProt das Unterhaltsstatut selbst innerhalb eines laufenden Verfahrens neu nach dem HUntProt zu bestimmen, wobei es ggf. auch zu einem Statutenwechsel kommen könne

Auch nach dem HUntProt sei für den Streitfall aber deutsches Sachrecht berufen. Art. 3 Abs. 1 HUntProt führe als Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthaltes der berechtigten Person zur Anwendbarkeit deutschen Rechts, ohne daß das HUntProt in den nachfolgenden Artikeln etwas anderes bestimmen würden. Der gemäß Abs. 1 lit a. auch bei Unterhaltsverpflichtungen von Eltern gegenüber Kindern anwendbare Art. 4 HUntProt enthalte lediglich zusätzliche Auffangregelungen, Rechtswahlvereinbarungen im Sinne der Artt. 7 und 8 HUntProt seien nicht getroffen.

Mit zutreffenden und auch durch das Beschwerdevorbringen nicht erheblich in Frage gestellten Erwägungen habe das Amtsgericht den Antragsgegner zur Leistung des Mindestunterhaltes für seinen minderjährigen Sohn verpflichtet.

Soweit der – während des gesamten Verfahrens durch einen ortsansässigen und in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt vertretene – Antragsgegner einen ausdrücklichen Hinweis des Amtsgerichts auf die ihn treffende Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich seiner Leistungsunfähigkeit für den Mindestunterhalt seines minderjährigen Sohnes vermisse, könne es darauf jedenfalls im Beschwerdeverfahren in keiner Weise weiter entscheidend ankommen. Denn auch im Rahmen der Beschwerdebegründung sei er seiner – ihm jedenfalls nach der amtsgerichtlichen Entscheidung endgültig bekannten – Vortragslast unverändert nicht nachgekommen. Im übrigen sei ihm durch das Amtsgericht insbesondere mit der Ladungsverfügung vom 4. Oktober 2011 eine ganze Reihe von konkreten Auflagen erteilt worden, deren Erfüllung bereits zu einer ausreichenden Darlegung geführt hätte.

Auch im Beschwerdeverfahren habe der Antragsgegner in keiner Weise dargetan, auch bei der gebotenen Aufbringung aller Kräfte zur Zahlung des Mindestunterhaltes von derzeit 272 € außerstande zu sein.

Vielmehr lasse sich auf der Grundlage seines eigenen Vortrages sogar positiv seine hinreichende Leistungsfähigkeit für den titulierten Mindestunterhalt feststellen.

Aus den von ihm mittlerweile für die Zeit von April 2011 bis März 2012 vorgelegten „Renteninformations-Merkblättern“ ergebe sich ein Rentenbezug von zunächst monatlich brutto 1.469,18 €, der sich für Dezember 2011 und Januar 2012 auf 1.309,17 € und ab Februar 2012 auf 1.282,51€ reduziert habe. Davon abzusetzen seien Steuern und weitere Abgaben von monatlich insgesamt 110,80 € für die Zeit bis einschließlich August 2011, 149,38 € für September bis November 2011, 121,80 € für Dezember 2011, 137,42 € für Januar 2012, 132,14 € für Februar 2012 und 154,29 € für März 2012. Daneben würden von seiner Rente einbehalten monatlich 418 € als Rate für eine Eigentumswohnung; davon würden nach der vorgelegten Bescheinigung jährlich 3.439,03 € entsprechend monatlich 286,59 € auf die Zinsen entfallen und seien insofern unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen. Nach Abzug der Abgaben wie des Zinsanteils der Wohnungsfinanzierung würden monatliche Nettoeinkünfte des Antragsgegners von – jeweils auf volle € gerundet – 1.072 € bis August 2011, 1.033 € von September bis November 2011, 910 € für Dezember, 885 € für Januar 2012, 864 € für Februar 2012 sowie 842 € für März 2012 verbleiben. Hinzuzurechnen sei jedenfalls der vom Antragsgegner (nach zunächst höheren Werten zuletzt noch) angegebene monatliche Wohnwert der Eigentumswohnung von 200 €. Insgesamt ergebe sich damit eine unterhaltrechtlich maßgebliches Einkommen zwischen 1.272 € (Januar bis August 2011) und 1.042 € (ab März 2012).

Von diesem Einkommen könnten behauptete Leistungen auf ein sogenanntes „ehebedingtes“ Darlehen nicht vorrangig abgesetzt werden. Dies gelte schon deswegen, weil weder das Darlehen selbst noch Zahlungen darauf in irgendeiner Weise belegt worden seien. Vielmehr würden solche Leistungen auch im Rahmen der VKH-Erklärung nicht einmal geltend gemacht.

Der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners als Nichterwerbstätigen sei mit allenfalls monatlich 770 € anzusetzen – in Betracht käme mit Rücksicht auf die Verbrauchergeldparität sogar noch eine geringfügige Herabsetzung. Dieser Selbstbehalt bleibe durch die Titulierung von derzeit 272 € selbst für die Zeit ab März 2012 gewahrt: 1.042 € – 272 € = 770 €. Im übrigen habe der Antragsgegner auch nicht substantiiert dargetan, daß er zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit außerstande sei, aus der er ein auch für den Kindesunterhalt ausreichendes Einkommen erzielen könnte. Er sei erst 45 Jahre alt; seine frühere Tätigkeit sei allein im Hinblick auf den gemeinsamen Fortzug der Familie nach Deutschland aufgegeben worden; irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen würden nicht behauptet. Hinreichende Angaben zu seinen Qualifikationen wie zu seinem bisherigen beruflichen Werdegang fehlten. Seinem pauschalen Vortrag, er könne in Griechenland keine Erwerbstätigkeit finden, mit der er ein höheres Einkommen als seine Rente erzielen würde, fehle jegliche nachvollziehbare Substanz. Diesbezüglich seien auch allgemeine Ausführungen zur Arbeitsmarktsituation in Griechenland oder zur derzeit dort hohen Jugendarbeitslosigkeit (!) offenkundig unzureichend.

Schließlich wäre zur Aufbringung des Mindestunterhaltes notfalls auch eine Veräußerung der Immobilie zumutbar. Die Behauptung des Antragsgegners, ihm würden bei einem Verkauf nur Schulden bleiben, sei ebenfalls ohne jede Substanz.