Das Landgericht Stuttgart urteilte am 26.10.2011 (13 S 41/11), daß wenn zwischen Vermieter und Mieter zwei Mieterhöhungen im Streitseien, wovon die zweite auf die erste aufbaue, über die erste ohne Verletzung des Prinzips der Widerspruchsfreiheit regelmäßig kein Teilurteil ergehen könne. Erhöhe ein Vermieter entgegen § 558b BGB die Miete ohne ausdrückliche Zustimmung des Mieters und ziehe, ohne den Rechtsweg zu beschreiten, vom Konto des Mieters unabgesprochen die erhöhte Miete ein, sei in dem Schweigen des Mieters auch dann keine (konkludente) Zustimmung zu dem Mieterhöhungsverlangen zu sehen, wenn der Mieter die unerlaubten Abbuchungen längere Zeit widerspruchslos hinnehme.

Der bereicherungsrechtliche Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der unerlaubten Abbuchungen des Vermieters sei nicht allein durch längeres Schweigen verwirkt. Auch für diesen Anspruch würden die allgemeinen Grundsätze des Zusammenwirkens von Zeit- und Umstandsmoment gelten.

In dem zugrundeliegenden Vefahren hatte die klagende Wohnungsgesellschaft mit der Klage von den beklagten Mietern die Zustimmung zu einer Mieterhöhung im Jahr 2010. Die Beklagten forderten mit der Widerklage die Rückzahlung von Mietbestandteilen, welche die Klägerin unabgesprochen von deren Konto eingezogen hatte, nachdem die Klägerin 2007 ein Mieterhöhungsverlangen erklärt hatte, auf das die Beklagten damals geschwiegen hatten. Das Amtsgericht hatte im Wege des angefochtenen Teilurteils die Widerklage abgewiesen.

Das Landgericht Stuttgart hob das Teilurteil auf.

Die Voraussetzungen eines Teilurteils nach § 301 ZPO seien erstens die Teilbarkeit des Streitgegenstandes, zweitens die Entscheidungsreife lediglich eines Teils sowie drittens die Unabhängigkeit des Teilurteils im Sinne einer Widerspruchsfreiheit zum Schlußurteil (ganz h.M., vgl. nur Vollkommer in Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 28. Auflage, § 301 ZPO Rn 2, 7 m.w.N.). An der dritten Voraussetzung fehle es hier. Sowohl für die Klage als auch für die Widerklage komme es entscheidend auf die Vorfrage an, ob die erste Mieterhöhung im Jahr 2007 wirksam gewesen sei.

Die Frage der Wirksamkeit der ersten Mieterhöhung könne hier auch nicht ausnahmsweise deswegen teilweise offengelassen und getrennt betrachtet werden, weil der mit der Widerklage geltend gemachte Bereicherungsanspruch im Sinne einer Verwirkung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gem. § 242 BGB nicht geltend gemacht werden könnte. Ein Recht sei nur dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht habe (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf hätte einrichten dürfen und eingerichtet habe, daß jener sein Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment). Damit sei die Verwirkung ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Zwischen den Verwirkungsumständen und dem erforderlichen Zeitablauf bestehe eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein könne, je gravierender die sonstigen Umstände seien, und daß umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt würden, je länger der abgelaufene Zeitraum sei (vgl. BGH NJW 2006, 219).

Ob das Zeitmoment für sich genommen für eine Verwirkung ausreichend sein könne, sei in dem hier zu entscheidenden Fall bei einer Frist von weniger als vier Jahren bereits fraglich (vgl. LG Frankfurt/M. NZM 2001, 467). Selbst wenn man bei den ersten, zum Zeitpunkt der Rückforderung drei Jahre zurückliegenden Abbuchungen von einem erheblichen Zeitmoment ausgehen wollte, wäre dieses mit jeder weiteren, weniger weit zurückliegenden Einziehung schwächer ausgeprägt. Ausschlaggebend für die Verneinung der Verwirkung sei aber die Kombination aus dem schwach ausgeprägten Zeitmoment und dem nahezu nicht vorhandenen Umstandsmoment. Es handele sich hier viel weniger um eine unzulässige Rechtsausübung der Beklagten als vielmehr um eine solche der Klägerin.

Die Klägerin, der als gewerblicher Vermieterin die gesetzlichen Regelungen über die Mieterhöhung nach §§ 557 ff. BGB hinlänglich bekannt seien, habe trotz fehlender Zustimmung der Beklagten – ohne den Rechtsweg zu beschreiten – die erhöhte Miete unter Mißbrauch der ihr erteilten Einziehungsermächtigung im Lastschriftverfahren vom Konto der Beklagten abgebucht. Schon allein wegen dieses vertrags- und treuwidrigen Verhaltens sei es der Klägerin verwehrt, sich auf eine unzulässige Rechtsausübung der Beklagten durch langes Zuwarten zu berufen. Selbst dann, wenn die Beklagten durch ihr Verhalten Anlaß zu der Vermutung gegeben haben sollte, sie würden rechtswidrige Kontoabbuchungen nicht zurückfordern, habe sich die Klägerin infolge ihres Rechtsbruches nicht darauf einstellen dürfen, das Geld endgültig behalten zu können.

Das widerspruchslose Schweigen könne nämlich nicht nur als Zustimmung gedeutet werden. Gerade für die im Umgang mit eher zahlungsschwachen und oft in der deutschen Sprache sowie rechtlich ungeübten Mietern erfahrenen Klägerin hätte es nahegelegen zu bedenken, daß ein Widerspruch zunächst aus Rechtsunkenntnis und der Sorge um den Bestand des Mietverhältnisses unterbliebe. Dazu komme, daß die Beklagten keinerlei Aktivitäten entfaltet hätten, die bei der Klägerin einen Vertrauenstatbestand hätten begründen können. Die bloße Untätigkeit könne zwar ausnahmsweise einen Verwirkungsumstand durch Unterlassen darstellen. Diese besonders schwache Form des Umstandsmomentes würde aber im Gegenzug zur Begründung der Verwirkung ein besonders ausgeprägtes Zeitmoment voraussetzen (vgl. BGH aaO). Ein solches liege aber, wie bereits dargetan, hier nicht vor.
Die Klägerin könne sich schließlich nicht mit Erfolg auf den Rechtsgedanken des § 675x Abs.4 BGB berufen. Diese Vorschrift regele ausdrücklich nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Bankkunden und der kontoführenden Bank (Deckungsverhältnis). Ansprüche des Bankkunden gegen denjenigen, der eine unberechtigte Abbuchung zu seinen Gunsten veranlaßt habe (Valutaverhältnis), seien davon weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Vorschrift betroffen.

Für die anstehende Entscheidung der Frage der Wirksamkeit der von der Klägerin im Jahr 2007 geforderten Mieterhöhung wies das Berufungsgericht darauf hin, daß nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur, welcher sich die Kammer anschließe, das Schweigen des Mieters auf ein Mieterhöhungsverlangen nicht als (konkludente) Zustimmung im Sinne des § 558b Abs.1 BGB gewertet werden könne. Dies gelte auch dann, wenn der Vermieter eine Einziehungsermächtigung im Lastschriftverfahren mißbraucht und der Mieter die zu Unrecht erfolgten Einziehungen zunächst widerspruchslos geschehen lasse.

Das deutsche Vertragsrecht kenne den Grundsatz des Schweigens als Zustimmung nicht. Nur ausnahmsweise und in besonders geregelten Fällen könne Schweigen als Zustimmung gewertet werden. § 558b BGB enthalte eine derartige Regelung nicht. Die Vorschrift enthalte ersichtlich und auch nach der Entstehungsgeschichte keine planwidrige Regelungslücke, die für eine Analogie oder eine erweiternde Auslegung Raum ließe. Nach Sinn und Zweck der Norm fehle es zudem an einem Anlass für ein Abweichen vom Gesetzestext.