Der Bundesgerichtshof setzte sich in seinem Beschluß vom 07.02.2012 (3 StR 335/11) mit den Mindestanforderungen der Beweiswürdigung, die an die richterliche Überzeugungsbildung zu stellen sind, auseinander.

Das Landgericht hatte bei der Verurteilung der Angeklagten wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ und wegen zahlreicher mitverwirklichter Äußerungs- und Propagandadelikte unter anderem Feststellungen zu 150 Liedern größtenteils rechtsradikalen Inhalts getroffen, deren textliche Darstellung – teilweise in deutscher Übersetzung der englischen Originalfassung – über siebzig Urteilsseiten umfaßte. Es hatte weiter bei einem Großteil der Angeklagten über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr mit minutengenauer Darstellung der Spielzeiten eine Vielzahl von über das „Widerstand-Radio“ gesendeten Liedern und Äußerungen der Angeklagten nach Datum und Uhrzeit festgestellt. Im Rahmen der Beweiswürdigung hatte es lediglich ausgeführt, die getroffenen Feststellungen beruhten „auf den glaubhaften geständigen Einlassungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung, den verlesenen Registerauszügen und den glaubhaften Bekundungen der Zeugen KOK Scha. und KOK Sto. , die insbesondere über den Gang des Ermittlungsverfahrens berichtet hätten.

Der Bundesgerichtshof befand, daß sich das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten auf unzureichender Basis verschafft habe.

Das deutsche Strafprozessrecht werde von dem Grundsatz beherrscht, daß die Gerichte von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären hätten (§ 244 Abs. 2 StPO). Auf dieser Grundlage (§ 261 StPO) sei der Schuldspruch zu treffen und seien die entsprechenden Rechtsfolgen festzusetzen. Dieser Grundsatz dürfe – schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3 GG) – nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden.

Es sei daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruhe. Dies gelte auch dann, wenn sich der Angeklagte – unter Umständen im Rahmen einer Verfahrensabsprache – geständig zeige. Zwar unterfalle auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht müsse allerdings, wolle es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 – 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es sei deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren sei, ob es in sich stimmig sei und ob es die getroffenen Feststellungen trage (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluß vom 11. Dezember 2008 – 3 StR 21/08, NStZ 2009, 467 mwN). Die Beschränkung der Beweiswürdigung im eesentlichen auf den bloßen Hinweis, der Angeklagte sei geständig gewesen, genüge insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Details des festgestellten Sachverhalts Zweifel bestehen könnten, daß der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende Erinnerung habe (BGH, Beschluß vom 5. Dezember 1995 – 4 StR 698/95, StV 1996, 214, 215).

Nach diesen Maßstäben halte die Beweiswürdigung rechtlicher Prüfung nicht stand. Das Landgericht hae es ausweislich der Urteilsgründe unterlassen, die Geständnisse der Angeklagten näher zu verifizieren. Damit beruhe seine Überzeugung nicht auf einer tragfähigen Grundlage.