Bundesgerichtshof Beschluß vom 31.01.2012 (3 StR 285/11):

In dem von dem Bundesgerichtshof zu beurteilenden Verfahren hatte das Landgericht den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Gericht hatte in einer 103seitigen Tabelle die 662 Geschädigten sowie die Daten und Summen der jeweiligen Aktienkäufe (einzelne Geschädigte erwarben mehrfach Aktien) aufgeführt. Seine Überzeugung hatte es auf das „glaubhafte Geständnis“ des Angeklagten gestützt, das es durch die weitere Beweisaufnahme als „bestätigt und ergänzt“ angesehen hatte. Diese weitere Beweisaufnahme hatte sich zum einen auf die dominante Stellung des Angeklagten in der Firmengruppe, deren desolate finanzielle Situation ab Anfang 2006 und die Vorgaben des Angeklagten zum Aktienvertrieb erstreckt; zum anderen hatte die ermittelnde Polizeibeamtin bekundet, sie habe die „Zahl der Anleger und die Summe der von ihnen geleisteten Zahlungen“, die Gegenstand der Anklage geworden und vom Angeklagten glaubhaft gestanden waren, zusammengestellt.

Damit blieb offen, auf welche Weise sich das Landgericht die Überzeugung davon verschafft hatte, daß die 662 Geschädigten zu ihren Aktienkäufen jeweils durch einen dem Angeklagten zuzurechnenden, täuschungsbedingten Irrtum über Tatsachen veranlaßt worden sein sollten.

Der Angeklagte hatte nur seine Intention gestehen können, die Anleger durch seine Telefonverkäufer mittels falscher Angaben über die wirtschaftliche Situation und Entwicklung der Firmengruppe zum Kauf von Aktien verleiten zu lassen. Wie sich die einzelnen Verkaufsgespräche abgespielt hätten und aufgrund welcher (Fehl)Vorstellungen die Anleger, die schon mehrere Jahre zuvor in entsprechende Aktien investiert gehabt hätten, ohne daß es zwischenzeitlich zum Börsengang gekommen sei, letztlich ihren neuerlichen Kaufentschluß gefaßt hätten, hätte der Angeklagte nur bekunden können, wenn ihm die unmittelbar Beteiligten darüber etwas berichtet hätten. Hierzu sei indes nichts festgestellt, solches liege auch nicht nahe.

Nach den Urteilsgründen habe das Landgericht weder einen Telefonverkäufer noch einen der Geschädigten über die Anbahnung und den Abschluß eines Aktienkaufs vernommen. Es erscheine angesichts der festgestellten Bemühungen des Angeklagten zwar durchaus naheliegend, daß Anleger den Kaufentschluß täuschungsbedingt gefasst hätten; indes seien auch andere Motivationen denkbar. Die Annahme, es habe sich jeweils um Aktienkäufe aufgrund einer vom Angeklagten initiierten Täuschung der Anleger gehandelt, erweise sich damit letztlich als unbelegte Vermutung.

An dieser Beurteilung ändere der Umstand, daß dem Urteil eine Verständigung zugrundegelegen habe, nichts. Die Möglichkeit des Gerichts, sich mit den Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen (§ 257c Abs. 1 Satz 1 StPO), berühre die gerichtliche Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Ermittlung der Wahrheit nicht (§ 257c Abs. 1 Satz 2 StPO). Die Bereitschaft eines Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreite, entbinde nicht von dieser Pflicht. Nur ein Sachverhalt, der auf einer Überzeugungsbildung des Gerichts unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruhe, könne die Grundlage einer Verurteilung bilden (BGH, Beschluß vom 22. September 2011 – 2 StR 383/11, NStZ-RR 2012, 52 mwN). Dies gelte auch für die Darlegung der der Überzeugungsbildung zugrundeliegenden Beweiswürdigung in den Urteilsgründen. Es gebe angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes und der Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drucks. 16/12310 S.13) keinen Anlaß, die diesbezüglichen Maßstäbe für den Fall einer Verständigung zu relativieren.