Der Bundesgerichtshof befand in seinem Beschluß vom 27.03.2012 (3 StR 31/12), daß wenn der Antragsteller nicht erkennen könne, daß eine als wahr unterstellte Tatsache bedeutungslos geworden sei, und er deshalb davon absehe, weitere Beweisanträge zu stellen, ihm die Möglichkeit effektiver Verteidigung genommen werde.

In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte das Landgericht die Beweisanträge durch in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluß mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellten Behauptungen würden so behandelt, als wären sie wahr.

Nach der Verkündung eines weiteren Beschlusses nach § 244 Abs. 6 StPO wurde die Beweisaufnahme geschlossen und in der Folgezeit auch nicht wieder eröffnet. In der Begründung des schriftlichen Urteils führte die Strafkammer aus, sie halte die Beweisbehauptungen nach Urteilsberatung nunmehr für „unerheblich“. Aus den diesbezüglichen Darlegungen ergab sich, daß das Landgericht die Beweistatsachen als aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung gewertet hatte.

Der Bundesgerichtshof führte insofern aus, daß das Tatgericht nach ständiger Rechtsprechung zwar nicht gehalten sei, die als wahr unterstellte Tatsache noch im Urteil als bedeutsam anzusehen und sie als solche in die Beweiswürdigung einzustellen; es sei daher nicht gehindert, eine zunächst als wahr unterstellte Behauptung im Urteil als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zu behandeln

Auf einen dahingehenden Hinweis dürfe jedoch jedenfalls dann nicht verzichtet werden, wenn es naheliege, daß der Angeklagte wegen der Wahrunterstellung davon absehe, Beweisanträge zu einem Thema zu stellen, das mit der als wahr unterstellten Tatsache im Zusammenhang stehe und das – im Gegensatz zu dieser Tatsache – für die Entscheidung möglicherweise von Bedeutung sei.

Ein derartiger Fall liegt hier vor. Der die Beweisanträge im Wege der Wahrunterstellung zurückweisende Beschluss enthalte – für sich rechtsfehlerfrei (LR/Becker aaO Rn. 305 mwN) – keine nähere Begründung. Hätte die Strafkammer die gestellten Beweisanträge in der Hauptverhandlung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit der vorgebrachten Beweistatsachen zurückgewiesen, hätte sie dagegen deren Bedeutung für die Entscheidung in freier Würdigung des bisherigen Beweisergebnisses zu beurteilen gehabt und diese Würdigung im Ablehnungsbeschluss im einzelnen darlegen müssen (LR/Becker aaO Rn. 225 mwN).

Da sie die Änderung ihrer Beurteilung in der Hauptverhandlung nicht offengelegt habe, habe sie entsprechende Ausführungen erst in den schriftlichen Urteilsgründen nachgeschoben. Die Revision lege plausibel dar, daß sich im vorliegenden Fall aufgrund der bestehenden Beweislage und der in Betracht kommenden weiteren Beweisaufnahme bei Kenntnis der in den Urteilsgründen für die Bedeutungslosigkeit der Beweistatsachen angeführten Gründe weitere Verteidigungsmöglichkeiten ergeben hätten. Diese Möglichkeiten – insbesondere, auf zusätzliche, hier nicht fernliegende Beweiserhebungen anzutragen – sei der Verteidigung aufgrund des Verfahrensablaufes genommen worden. Die Verfahrensbeteiligten hätten auch aus dem weiteren Geschehen in der Hauptverhandlung nicht schließen können, daß sich die Ansicht der Strafkammer geändert habe; denn eine weitere Beweisaufnahme habe nicht stattgefunden und das Tatgericht sei ausweislich der Urteilsbegründung erst in der Urteilsberatung zu seiner neuen Auffassung gelangt. Unter diesen Umständen sei eine effektive, die berechtigten Interessen des Angeklagten wahrende Verteidigung nicht möglich gewesen.
3. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Rechtsfehler (§ 337 StPO); denn es ist nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass die Ent-scheidung ohne diesen anders ausgefallen wäre.
Becker Pfi