In dem Verfahren vor dem Bundesgerichthof ging es um unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und die Frage, ob die Aufklärungspflicht ein Zwangsmittel gegen einen Zeugen gebieten kann (vgl. § 244 Abs. 2 StPO,  § 70 StPO).

Der Bundesgerichtshof befand in seinem Beschluß vom 28.12.2011 (2 StR 195/11), daߠ wenn die Aussage eines in der Hauptverhandlung erschienenen, aber grundlos die Aussage verweigernden Zeugen für die Überzeugungsbildung des Gerichts erhebliche Bedeutung habe, die Aufklärungspflicht es gebiete, Anstrengungen zu unternehmen, den Zeugen zu einer Auskunft zu bewegen (BGH, Beschluß vom 6. September 1983 – 1 StR 480/83, StV 1983, 495 f.).

§ 70 StPO diene allerdings nicht der Erzwingung wahrheitsgemäßer Aussagen, sondern nur der Beantwortung der offenen Frage. Eine Konstellation, in der es alleine um die Korrektur einer bereits gemachten Äußerung gehe, die das Gericht für unzutreffend halte, liege in dem vorliegenden Verfahren jedoch nicht vor. Dies ließe sich allenfalls unter Vorwegnahme des Beweisergebnisses annehmen, daß der Zeuge die Unwahrheit gesagt habe, als er angeben habe, der Angeklagte sei nicht der Verkäufer der Amphetaminportionen gewesen.

Eine solche Vorwegnahme des Beweisergebnisses sei vorliegend aber nicht zulässig gewesen. Dann bleibe es dabei, daß die Frage nach der Identität des Drogenverkäufers nicht beantwortet worden sei.

Angesichts der entscheidenden Beweisbedeutung der Auskunft des Zeugen innerhalb des Beweisrings, den die Strafkammer zugrunde gelegt habe, sei hinsichtlich der Anwendung des § 70 StPO auch kein Ermessensspielraum für das Gericht geblieben.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhe. Es stehe nämlich nicht fest, daß der Zeuge Ku. auch bei Anwendung der Zwangsmittel nach § 70 StPO die Frage unbeantwortet gelassen hätte. Ferner sei nicht feststellbar, daß der Zeuge keine Auskunft erteilt hätte, die eine andere Identität des Drogenverkäufers ergeben hätte.

Schließlich sei nicht davon auszugehen, daß die Anwendung der Zwangsmittel nach § 70 StPO unverhältnismäßig gewesen wäre. Zwar könne auch bei erheblicher Beweisbedeutung der Auskunft des Zeugen von der Anwendung der Zwangsmittel als unangemessen abgesehen werden, wenn etwa dem Zeugen oder ihm nahe stehenden Personen im Fall der Beantwortung der Beweisfrage konkrete Gefahren für Leib oder Leben drohen würden. Daß es sich so verhalte, sei hier aber ebenfalls nicht ersichtlich.