Mit dem Urteil des Oberlandesgericht Hamm vom 11.07.2011 (8 UF 175/10) genügt ein Unterhaltsberechtigter seiner sekundären Darlegungslast zum ehebedingten Nachteil im Rahmen des § 1578b BGB nicht, wenn er nicht nachvollziehbar vorträgt, aus welchen Gründen er seinen erlernten Beruf schon geraume Zeit vor der Heirat aufgegeben hat.

§ 1578b BGB sei keinesfalls dahin zu verstehen, daß der nacheheliche Unterhalt bei Fehlen ehebedingter Nachteile etwa von Anfang an entfalle oder nur für eine ganz kurze Frist bestehen solle, die zur Dauer der Ehe in keinem vernünftigen Verhältnis mehr stehe.

In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien um nachehelichen Unterhalt.

Der Antragsteller, geb. am 15.05.1961, und die am 12.12.1960 geborene Antragsgegnerin hatten am 10.08.1984 geheiratet. Aus der Ehe waren die Kinder U, geb. am 14.11.1986, E, geb. am 13.07.1988 und W, geb. am 09.05.1992 hervorgegangen. Die Parteien lebten seit November 2007 getrennt. W, die die 13. Klasse des Gymnasiums besuchte, lebte im Haushalt der Antragsgegnerin. Der Antragsteller zahlte für sie monatlich 307,00 EUR Kindesunterhalt. Die übrigen Kinder waren wirtschaftlich selbständig. Der Scheidungsantrag war der Antragsgegnerin am 13.05.2009 zugestellt worden. Durch das angefochtene Urteil war die Ehe der Parteien geschieden worden. Die Rechtskraft war bezüglich des Ausspruchs zur Scheidung am 30.04.2011 eingetreten.

Der Antragsteller war gelernter Bauschlosser. Aufgrund eines Änderungsarbeitsvertrages vom 25.11.2010 war er als Schichtleiter tätig. Über sein Vermögen war am 17.03.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Steuererstattungen wurden vom Treuhänder einbehalten und an die Gläubiger verteilt.

Die Antragsgegnerin war staatlich geprüfte Kinderpflegerin. In diesem Beruf war sie nach Abschluß ihrer zweijährigen Ausbildung von 1980 bis März 1983 tätig. Seitdem hatte sie nicht mehr versicherungspflichtig gearbeitet. Im Jahr 1983 zogen die Parteien nach T, wo sie im Haus der Eltern der Antragsgegnerin zu günstigen Bedingungen wohnen konnten. Die Antragsgegnerin arbeitete ab 1996 für 1,5 Jahre in der Kinderbetreuung. Ab 2006 betreute sie für die Dauer von 2 Jahren eine ältere Dame. Sie bewarb sich bei zwei Kirchengemeinden, und zwar in N und in M als Kinderpflegerin beworben. Seit dem 01.09.2010 war die Antragsgegnerin in der Schulmensa der Gemeinde T teilzeitbeschäftigt mit 15 Wochenstunden. Der Arbeitsvertrag war befristet bis zum 31.08.2011. Seit Oktober 2010 war sie zugleich bei der kath. Kirchengemeinde in T als Reinigungskraft und Hausmeisterin beschäftigt. Das monatliche Nettoeinkommen aus dieser Tätigkeit betrug 349,06 EUR.

Durch die angefochtene Entscheidung vom 09.07.2010 war der Antragsteller unter Abweisung des Antrages im übrigen verurteilt worden, an die Antragsgegnerin befristet bis zum 31.12.2010 nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 220,00 EUR nebst Fälligkeitszinsen zu zahlen.

Zur Begründung hatte das Amtsgericht ausgeführt, der Antragsgegnerin stehe Unterhalt gem. § 1573 BGB zu. Sie sei als gelernte Kindergärtnerin weder durch Kindererziehung noch aus gesundheitlichen Gründen gehindert, für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Sie habe nur unzureichende Erwerbsbemühungen dargelegt, so daß ihr ein fiktives Einkommen in Höhe von 900 EUR zuzurechnen sei. Auf Seiten des Antragstellers sei von einem Nettoeinkommen in Höhe von monatsdurchschnittlich 1.815,55 EUR auszugehen, das ihm trotz der Insolvenz ausgezahlt worden sei. Hiervon sei der Kindesunterhalt in Höhe von 307,00 EUR in Abzug zu bringen. Weiter seien Fahrtkosten für ein Firmenticket in Höhe von 85,50 EUR zu berücksichtigen. Der daraus resultierende Unterhaltsanspruch sei zeitlich bis Ende 2010 wegen der engen finanziellen Verhältnisse des Antragstellers zu befristen.

Die Antragsgegnerin rügte mit ihrer Berufung die Befristung des Unterhaltsanspruchs und trug zur Begründung vor, ihr sei bereits durch den Umzug der Familie nach M und die damit einhergehende Arbeitslosigkeit ein ehebedingter Nachteil entstanden. Während der Ehe habe sie die Kinder und den Haushalt versorgt. Daneben habe sie nur geringfügig gearbeitet. Eine Bewerbung in dem Beruf als Erzieherin sei altersbedingt wegen der Vielzahl jüngerer Mitbewerber aussichtslos. Eine Fortbildungsmaßnahme habe ihr nicht angeboten werden können. Sie könne daher nur als ungelernte Kraft tätig sein. Wenn sie ihre Arbeitsstelle im Jahr 1983 nicht aufgegeben hätte, hätte sie in den Folgejahren als Kinderpflegerin arbeiten können. Im Jahr 1990/1991 wäre ihr eine Weiterbildung zur Erzieherin angeboten worden. Aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung hätte sie dann als Gruppenleiterin arbeiten können. Das Insolvenzverfahren des Antragstellers könne ihr nicht angelastet werden. Hinsichtlich der Höhe des ausgeurteilten Unterhalts rügte die Antragsgegnerin, der Abzug von Fahrtkosten sei nicht gerechtfertigt. Ihr könne nur ein tatsächliches Einkommen in Höhe von 400 EUR zugerechnet werden.

Der Antragsteller hingegen hielt den vom Amtsgericht ausgeurteilten Unterhaltsbetrag für zu hoch.

Das Oberlandesgericht Hamm befand, daß der Antragsgegnerin ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt als Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 Abs. 1 BGB in monatlicher Höhe von 185,00 EUR befristet bis zum 30.04.2014 zustehe.

Der Bedarf der Antragsgegnerin richte sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, § 1578 BGB. Diese seien geprägt durch das Einkommen des Antragstellers aus seiner Tätigkeit als Schichtleiter bei der Fa. I GmbH & Co KG in N.

Auf Seiten der Antragsgegnerin sei ein fiktives Erwerbseinkommen zu berücksichtigen. Gem. § 1569 BGB obliege es nach der Scheidung jedem Ehegatten selbst, für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur soweit er dazu außerstande sei, könne er von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen. Die Antragsgegnerin sei zwar aufgrund der von ihr ausgeübten Tätigkeiten in der Schulmensa der Gemeinde T bzw. als Reinigungskraft und Hausmeisterin bei der kath. Kirchengemeinde T tatsächlich nicht in der Lage, einen eheangemessenen Unterhalt zu erwirtschaften. Wegen ihrer grundsätzlichen Eigenverantwortlichkeit treffe sie jedoch die Obliegenheit zur Aufgabe ihrer bisherigen Arbeitsstellen und zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, bei der sie ein nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten erzielbares Einkommen erwirtschaftet. Unstreitig sei sie dem bisher nicht nachgekommen. Ausreichende Bemühungen zur Erlangung einer besser bezahlten Anstellung habe die Antragsgegnerin auch nicht vorgetragen. Sie habe lediglich zwei Bewerbungen vorgelegt, die zum Nachweis ernsthafter Erwerbsbemühungen nicht ausreichen würden. Daß sie keine Chance auf eine solche Anstellung habe, sei nicht ersichtlich und auch nicht konkret dargelegt worden.

Im Rahmen der Unterhaltsbedürftigkeit nach § 1577 Abs. 1 BGB trage aber die Antragsgegnerin als Gläubigerin die Darlegungs- und Beweislast sowohl für hinreichende Erwerbsbemühungen als auch das Fehlen einer realen Beschäftigungschance (BGH, FamRZ 2008, 2104, 2105, FamRZ 1993, 789, 79; Wendl/Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl. § 1 Rn. 522).

Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin sei gem. § 1578 b BGB bis zum 30.04.2014 zeitlich zu begrenzen. Nach § 1578 b BGB könne der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt oder zeitlich begrenzt werden. Die Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts wegen Unbilligkeit nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB hänge insbesondere davon ab, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile könnten sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB).

Im Hinblick auf diese Maßgaben des § 1578 b BGB komme ein unbegrenzter Unterhalt der Antragsgegnerin nicht in Betracht. Sie habe hierzu vorgetragen, ein ehebedingter Nachteil liege darin, daß sie während der Ehe die Kinder und den Haushalt versorgt und daneben allenfalls geringfügig habe arbeiten können. Sie könne daher nunmehr nur noch als ungelernte Kraft tätig sein. Wenn sie aber ihre Arbeitsstelle im Jahr 1983 nicht aufgegeben hätte, hätte sie in den Folgejahren als Kinderpflegerin arbeiten können, so daß sie sich zur Erzieherin hätte weiterbilden können. Im Jahr 1990/1991 wäre ihr eine solche Weiterbildung angeboten worden. Aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung wäre sie jetzt als Gruppenleiterin tätig.

Zwar trage der Unterhaltsschuldner, der sich mit der Befristung auf eine prozessuale Einwendung berufe, die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der für eine Befristung sprechenden Tatsachen. Dazu gehöre auch der Umstand, daß der Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile im Sinne von § 1578 b BGB entstanden seien. Nach der Rechtsprechung des BGH treffe den Prozeßgegner der für eine negative Tatsache beweisbelasteten Partei aber die sog. sekundäre Darlegungslast. Dadurch solle eine unbillige Belastung der beweispflichtigen Partei vermieden werden. Der Umfang der sekundären Darlegungslast richte sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Die Darlegungen müßten so konkret sein, daß der beweisbelasteten Partei eine Widerlegung möglich sei. Die sekundäre Darlegungslast habe im Rahmen von § 1578 b BGB zum Inhalt, daß der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten und seinerseits darlegen müsse, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genüge, müßten die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (BGH, FamRZ 2010, 875).

Diese Voraussetzungen erfülle der Vortrag der Antragsgegnerin indessen nicht. Daß ehebedingte Nachteile eingetreten seien, habe sie schon nicht konkret dargelegt. Es sei nach ihrem eigenen Vorbringen nicht erkennbar, daß sie ohne Eheschließung heute als Erzieherin bzw. Gruppenleiterin arbeiten würde, so daß sie ein deutlich höheres Einkommen als das einer ungelernten Arbeitskraft erzielen könnte.

Nach Auffassung des Senats erscheine es allerdings auch bei Fehlen konkreter ehebedingter Nachteile gerechtfertigt, der Unterhaltsberechtigten den nachehelichen Unterhalt für eine angemessene Übergangsfrist zukommen zu lassen. § 1578 b BGB sei keinesfalls dahin zu verstehen, daß der nacheheliche Unterhalt bei Fehlen ehebedingter Nachteile etwa von Anfang an entfalle oder – wie hier entsprechend der angefochtenen Entscheidung – nur für eine ganz kurze Frist bestehen solle, die zur Dauer der Ehe in keinem vernünftigen Verhältnis mehr stehe. Zudem beschränke sich § 1578 b BGB nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtige auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität (BGH, FamRZ 2010, 629). Deshalb sei unabhängig vom Vorliegen ehebedingter Nachteile in jedem Fall eine Billigkeitsabwägung vorzunehmen (BGH, FamRZ 2010, 1637). Im Rahmen dieser Billigkeitsprüfung seien neben weiteren relevanten Umständen im Einzelfall die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe zu berücksichtigen. Nach Abwägung dieser Belange erscheine dem Senat eine Befristung des nachehelichen Unterhalts für die Dauer von noch drei Jahren nach Rechtskraft der Ehescheidung, mithin bis zum 30.04.2014 angemessen.

Die Entscheidung verdeutlicht, daß auch bei einer 25 Jahre dauernden Ehe mit Betreuung von drei Kindern auch eine recht kurze Befristung des Nachscheidungsunterhalts auf drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung möglich sein kann. Das Oberlandesgericht Schleswig sprach in seinem Urteil vom 25.11.2009 (10 UF 37/09) sogar eine Befristung nach 33 Ehejahren aus.