Der Bundesgerichtshof setzte sich in seinem Urteil vom 20.12.2011(VI ZR 309/10) mit der Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit auseinander.

Eine Schadensersatzpflicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB setze voraus, daß der objektive Tatbestand des § 264a StGB vorsätzlich – zumindest in der Form des bedingten Vorsatzes – verwirklicht worden sei. Entsprechendes gelte für eine Haftung aus § 826 BGB; der Anspruchsteller habe insofern die Beweislast für den danach erforderlichen Vorsatz.

Vorsatz sei aber nicht immer bereits dann zu bejahen, wenn ein vernünftig denkender Dritter in der Situation des in Anspruch Genommenen über Erkenntnisse in Bezug auf die relevanten Tatumstände verfügt hätte oder hätte verfügen müssen, aufgrund derer auf der Hand liege, daß für ein Vertrauen in das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolgs kein Raum sei. Dem könne in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.

Vorsatz enthalte ein „Wissens-“ und ein „Wollenselement“. Der Handelnde müsse die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen müsse, – im Fall des § 264a StGB die Verwirklichung des objektiven Tatbestands, im Fall des § 826 BGB die Schädigung des Anspruchstellers – gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (vgl. Senatsurteil vom 5. März 2002 – VI ZR 398/00; BGH, Urteile vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346; vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 538/99; Beschluß vom 16. April 2008 – 5 StR 615/07).

Die Annahme der Form des bedingten Vorsatzes setze voraus, daß der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 2003 – VI ZR 34/02, BGHZ 154, 11, 20; vom 21. April 2009 – VI ZR 304/07; vom 23. November 2010 – VI ZR 244/09; BGH, Urteil vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 33, 346 f.; Beschluß vom 16. April 2008 – 5 StR 615/07).

Es genüge dagegen daher nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar gewesen seien und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation sei lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt.

Von den materiellen Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes seien die Anforderungen zu unterscheiden, die an seinen Beweis zu stellen seien.

So könne sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlußfolgerung ergeben, daß er mit Schädigungsvorsatz gehandelt habe (vgl. BGH, Urteile vom 9. März 2010 – XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 39 mwN; vom 17. Mai 2011 – XI ZR 300/08). Auch könne es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, daß der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt habe, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführe, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlasse, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirkliche oder nicht (vgl. BGH, Urteile vom 13. Dezember 2001 – VII ZR 305/99, NJW-RR 2002, 740; vom 11. November 2003 – VI ZR 371/02, VersR 2004, 210, 212; vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346).

Allerdings könne der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden gewesen sei (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2001 – VI ZR 350/00, aaO, S. 322; BGH, Urteile vom 6. April 2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30, 35; vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 346 f.; Beschlüsse vom 3. Oktober 1989 – 5 StR 208/89, Wistra 1990, 20; vom 16. April 2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239, 240). Vielmehr sei immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (vgl. Senatsurteile vom 27. März 1984 – VI ZR 246/81, WM 1984, 744, 745; vom 11. Februar 2003 – VI ZR 34/02, aaO, S. 20 f.; BGH, Urteile vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, aaO, S. 348; vom 12. Mai 2005 – 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2244).