Mit dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 14.02.2012 (316 C 275/11) stellt der vertragswidrige Gebrauch einer Wohnung durch umfangreichen unerlaubten Anbau und Konsum von Cannabis einen wichtigen Grund zur Kündigung i.S.d. § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit nahm die Klägerin die Beklagte auf Räumung von Wohnraum in Anspruch.

Die Beklagte hatte von der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Vertrag vom 17.9.1990 eine im dritten Obergeschoß belegene Wohnung in Hamburg angemietet und im späteren untervermietet.

Nachdem die auf dem gleichen Flur mit dem Untermieter gegenüber wohnende Mieterin mehrfach auf Marihuanageruch hingewiesen hatte, durchsuchte die Polizei am 22.7.2011 mit richterlicher Genehmigung die Wohnung und transportierte mehrere Cannabispflanzen und zahlreiche für den Cannabisanbau bestimmte technische Geräte, u.a. Reflektorlampen, sowie verkaufsfertig verpacktes Marihuana, ab. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens gestand der Untermieter den Drogenanbau.

Nachdem die Klägerin bereits am 17.12.2010 und 8.3.2011 aus anderen Gründen eine fristlose Kündigung des Mietvertrages ausgesprochen hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 25.7.2011 ohne vorherige Abmahnung erneut die fristlose Kündigung, die der Beklagten am 27.7.2011 zuging. Als Kündigungsgrund gab sie erhebliche Straftaten des Untermieters, nämlich monatelangen Cannabisanbau in der Wohnung in erheblichem Umfang, an. Die Beklagte räumte die Wohnung nicht und teilte der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 12.10.2011 mit, daß der Untermieter Oktober 2011 aus der Wohnung ausziehen werde und ab dem 1.11.2011 stattdessen ein anderer Untermieter bewohnen werde. Der erste Untermieter zog sodann wie angekündigt aus.

Die Klägerin behauptete, die Beklagte habe Kenntnis vom Drogenkonsum und -anbau ihres Untermieters gehabt.

Sie hielt die fristlose Kündigung gem. § 543 BGB für berechtigt, da durch das der Beklagten gem. § 540 Abs. 2 BGB zurechenbare strafbare Verhalten ihres Untermieters auch der Hausfrieden erheblich gestört sei. Die Klägerin war zudem der Ansicht, das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und der Beklagten sei wegen jahrelanger Rechtsstreitigkeiten und ihres Auszugs aus der Wohnung zerrüttetet. Sie meinte, eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

Die Beklagte behauptete, während ihrer gelegentlichen Wohnungsbesuche keinen Marihuanageruch wahrgenommen zu haben.

Das Amtsgericht befand, daß die Klägerin ein Recht zur fristlosen Kündigung gehabt habe und die Beklagte auch vorher nicht habe abmahnen müssen.

Der vertragswidrige Gebrauch der Wohnung des Untermieters durch umfangreichen unerlaubten Anbau und Konsum von Cannabis stelle unter Abwägung der Interessen der Klägerin und Beklagten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Hauptmietverhältnisses dar. Das Gericht war davon überzeugt, daß der Untermieter der Beklagten das Mietobjekt planmäßig und vorsätzlich für die Begehung von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz benutzt habe. Zum einen habe der Untermieter unstreitig den Drogenanbau im Rahmen des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens eingeräumt. Zum anderen gehe aus dem Durchsuchungsbericht vom 22.7.2011 eindrücklich hervor, daß der Untermieter professionell und in erheblichen Mengen Rauschgift produziert habe. Angesichts dessen sei das schlichte Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen unsubstantiiert und unbeachtlich.

Darauf, daß die Straftat nicht der Beklagten, sondern ihrem Untermieter zur Last gelegt werde, komme es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn gemäß § 540 Abs. 2 BGB müsse sich die Beklagte das Verschulden ihres Untermieters zurechnen lassen.

Neben dem zurechenbaren Verschulden der Beklagten sei im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung i.S.d. § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB auch das berechtigte Interesse der Vermieterin zu berücksichtigen, ihre übrigen Mieter und insbesondere die im Haus wohnenden Kinder oder Jugendliche vor den Gefahren zu schützen, die vom Cannabisanbau in dem Mietobjekt ausgehen würden. Das Verhalten des Untermieters habe eine erhebliche negative Vorbildfunktion.

Zwar habe der Untermieter die Straftaten heimlich begangen und nicht etwa im allen Bewohnern zugänglichen Hausflur. Jedoch seien der Anbau und Konsum von Marihuana mit einem typischen, prägnanten Geruch verbunden, der von erheblichen Teilen der Bevölkerung identifiziert werde. Es sei bekannt, daß es sich anders als bei Tabak um eine vom Gesetz nicht tolerierte Droge handele. Die wiederholte Wahrnehmung dieses Geruches in einem Haus hinterlasse bei Besuchern und Bewohnern den Eindruck, daß der Vermieter ein fortgesetztes gesetzeswidriges Verhalten dulde, was den Ruf des Hauses beschädige. Diese Gefahr sei durch die vom Untermieter verursachten Polizeieinsätze zusätzlich erhöht worden. Eine nicht unerhebliche Störung des Hausfrieden sei auch bereits eingetreten. Insbesondere hatte sich eine Mieterin unstreitig bei dem Untermieter beschwert, nachdem sie den Eindruck gehabt hatte, daß sie mehrfach, wenn auch nicht permanent, im Hausflur Marihuanageruch wahrgenommen habe.

Soweit die Beklagte sich darauf berufe, der Geruch sei nicht in der Wohnung der Mieterin wahrnehmbar gewesen, komme es hierauf nicht an.

Die Beklagte könne sich nicht zu ihren Gunsten darauf berufen, daß „der Stein des Anstoßes“ durch den Auszug des Untermieters inzwischen beseitigt und der Kündigungsgrund im Nachhinein weggefallen sei. Habe der Mieter seine Verpflichtungen in solchem Maße schuldhaft verletzt, daß dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden könne und mache der Vermieter von dem Recht Gebrauch, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen, so werde das Dauerschuldverhältnis mit dem Zugang der Kündigungserklärung beendet. Es verwandele sich in ein Abwicklungsschuldverhältnis. Der Mieter schulde mit Wirksamwerden der Kündigung die Räumung und Herausgabe.

An dieser Gestaltungswirkung der Kündigung könne nachträgliches Wohlverhalten des Mieters nichts mehr ändern (BGH, Urt. v. 23.9.1987, NJW-RR 1988, S. 77, 78) Nichts anderes gelte für den Fall, daß dem Mieter das Verschulden seines Untermieters zugerechnet wird.

Für die Beklagte spreche, daß das Mietverhältnis schon sehr lange, seit dem Jahr 1990, bestand. Das Vertrauensverhältnis sei, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht auf Grund der jahrelangen Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien zerrüttet gewesen, da dies der in einem Rechtstaat übliche Weg zur Konfliktlösung ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 5.6.1992, NJW-RR 1993, S. 16, 17; AG Jülich, Urt. v. 25.4.2006, WuM 2006, S. 562, juris).

Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, keine Kenntnis von dem schädigenden Verhalten gehabt zu haben und deshalb vor Kündigung eine vorherige Abmahnung einfordern, um seinerseits dem Untermieter zu kündigen und ggf. durch einen neuen ersetzen zu dürfen. Andernfalls wäre die Konsequenz, daß der Vermieter bei jedem Untermieter zunächst ein schuldhaftes Verhalten hinnehmen und den Mieter dafür abmahnen müßte, während er einem Mieter, der die schwere Vertragsverletzung in persona begangen habe, sofort kündigen dürfe. Eine derartige Privilegierung eines Untermietverhältnisses sei vom Gesetz gerade nicht vorgesehen.