Das Landgericht Halle befand in seinem Urteil vom 08.06.2011 (2 S 277/10), daß Beleidigungen die ordentlicheKündigung eines Wohnraummietverhältnisses rechtfertigen können.

Gem. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB könne ein Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses habe, wobei gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein derartiges berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses dann als gegeben anzusehen sei, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt habe.

Zwar sei wegen der sozialen Bedeutung der Wohnung für den Mieter als Lebensmittelpunkt ein Interesse des Vermieters von Gewicht erforderlich. Allerdings sei auch dem Recht des Vermieters am Eigentum Rechnung zu tragen und ein berechtigtes Interesse des Vermieters etwa dann zu verneinen, wenn seine Rechte und Belange nur ganz geringfügig beeinträchtigt seien oder ein Einzelfall der Pflichtverletzung ohne Wiederholungsgefahr vorliege.

In dem vorliegenden Fall hatte die Mieter die Vermieterin in einem offenen Brief scharf angegriffen. Das Gericht sah darin einer Überschreitung der Grenzen der freien Meinungsäußerung und führte aus:

Selbst wenn man unter Berücksichtigung von § 573 Abs. 3 BGB für die Beurteilung des berechtigten Interesses lediglich den in Rede stehenden Brief der Beklagten vom 10.01.2010, nicht aber die Geschehnisse der Vorjahre heranziehe, sei damit das Maß der Geringfügigkeit deutlich überschritten und ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses zu bejahen.

Mit ihren in dem offenen Brief vom 10.01.2010 getätigten Äußerungen habe die Beklagte auch unter Berücksichtigung des grundgesetzlich garantierten Rechtes auf freie Meinungsäußerung die Grenzen überschritten, welche auch für eine im
Wirtschaftsleben stehende Partei bei ihren Geschäftsbeziehungen dauerhaft hinnehmen müsse, ohne die Äußerungen zum Anlaß zu nehmen, diese Geschäftsbeziehungen zu beenden. Dies gelte auch, wenn man in Rechnung stelle, daß der Gesetzgeber den Mieter gegen Wünsche auf Vertragsauflösung zusätzlich schütze.

Die Äußerungen der Beklagten schon allein in ihrem Brief vom 10.01.2010 würden bei weitem die Grenzen einer scharfen aber immer noch sachlichen Kritik überschreiten und insbesondere auch das Ausmaß, bei welchem die Fortführung auch eines
Wohnungsmietverhältnisses für den Vermieter zumutbar sei.

Die Kammer braucht nicht abschließend zu würdigen, ob die in dem Brief enthaltenen Äußerungen strafrechtlich als Beleidigung (§ 185 StGB) oder üble Nachrede (§ 186 StGB) einzuordnen seien. Indem die Beklagte auf Seite 2 ihres Briefes die neue Geschäftsführerin der Klägerin in der Weise angreife, daß diese offenbar nicht in der Lage sei, Sachverhalte ordnungsgemäß zu klären, sondern es vorziehe, überhaupt nicht auf an sie persönlich gerichtete Schreiben zu antworten, sondern stattdessen auf die Mieter der GWG Mitarbeiter losgelassen würden, deren Aussehen, Auftreten und fehlenden Fachkenntnisse merkwürdig seien und den Schluß auf die Zugehörigkeit zum Rotlichtmilieu oder einer Sekte zulassen würden, habe die Beklagte jedenfalls
derart weit in der Sache die zur Fortführung einer Vertragsbeziehung noch vertretbare Grenze überschritten, daß die Klägerin ein den Anforderungen des § 573 Absätze 1 und 2 Nr. 1 BGB bei weitem genügendes berechtigtes Interesse an der Beendigung des
Mietverhältnisses habe.

Überdies habe die Beklagte derartige Anschuldigungen im laufenden Verfahren wiederholt und darüber hinaus auch die Behauptung aufgestellt, daß in der Vergangenheit unzutreffende Betriebkostenabrechnungen zum Nachteil der Mieter gelegt worden seien und überdies in der Weise durch die Klägerin betrügerisch vorgegangen werde, daß primitive Bauelemente in die Mietwohnungen eingebaut würden, die Klägerin die Kosten aber teuer auf die Mieter umlegen und zudem durch die Inanspruchnahme von Fördermitteln doppelt abrechnen würde.

Insofern habe die Beklagte – wenn auch pauschal und durch nichts belegt – wiederholt ehrverletzende Angriffe gegen einzelne Verantwortliche der Klägerin erhoben, aufgrund derer das Maß des Erträglichen überschritten und ein Festhalten der Klägerin am
Mietverhältnis nicht mehr zuzumuten sei.

Dies gelte im Hinblick auf die insoweit vorzunehmende Gesamtbetrachtung um so mehr, als es auch in der Vergangenheit bereits zu erheblichen Vorwürfen durch die Beklagte gekommen sei, die zu einem Vertrauensverlust zwischen den Parteien geführt hätten,
Zumindest räume die Beklagte nach wie vor ein, daß – wenn auch wiederum völlig unsubstantiiert – Zweifel an der Seriosität der durch die Klägerin vorgenommene Verwaltung bestünden und ein vertrauensvQlles Miteinander nicht mehr möglich sei. Bei
derartigen, von beiden Mietvertragsparteien empfundenen Zerwürfnissen erscheine aber die Aufhebung des Mietverhältnisses und somit die Beendigung der zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Beziehungen der einzig noch gangbare Weg.

Von daher sei auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsinstanz ein berechtigtes Interesse der Klägerin zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses zu bejahen.

Der von der Beklagten in ihrer Klageerwiderung gegen die ausgesprochene Kündigung erhobene Widerspruch sei hingegen unbegründet.

Gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB könne der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter oder seine Angehörigen eine Härte
bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei. Hiervon könne aber vorliegend nicht ausgegangen werden.

Zunächst liege der in § 574 Abs. 2 BGB genannte Härtefall nicht vor, zumal weder ersichtlich noch vorgetragen worden sei, daß angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden könnte. Zudem sei gerichtsbekannt, daß auf dem Wohnungsmarkt in Halle durchaus vergleichbarer Wohnraum zu vergleichbaren Bedingungen ohne weiteres und kurzfristig erhältlich sei.

Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihres Widerspruches auf die Dauer des Mietverhältnisses berufe, könne sie damit nicht durchdringen, zumal der Gesetzgeber dem Umstand der Dauer des Mietverhältnisses bereits dadurch Rechnung getragen habe, daß gem. § 573 c BGB die Fristen für eine ordentliche Kündigung je nach Dauer des Mietverhältnisses entsprechend verlängert seien. Hingegen sei nicht geregelt, daß ab einer bestimmten Laufzeit des Mietverhältnisses die ordentliche Kündigung durch
den Vermieter gänzlich ausgeschlossen sein solle.

Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihres Widerspruches schließlich auf das Alter und den Gesundheitszustand ihrer Eltern berufe, verhelfe ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg.

Abgesehen davon, daß nicht substantiiert vorgetragen sei, wie oft und in welchem Umfang die Eltern der Beklagten auf deren Hilfe angewiesen seien, erschließe sich nicht, weshalb die etwa erforderlichen Hilfestellungen nicht auch geleistet werden könnten, wenn die Beklagte eine andere Wohnung beziehe. Zum einen sei weder ersichtlich noch vorgetragen, daß die Beklagte nicht auch bei einem anderen Vermieter in unmittelbarer Nähe zu der Wohnung ihrer Eltern eine neue Wohnung beziehen könne.

Zum anderen dürfte es aufgrund des in Halle gut ausgebauten Verkehrsnetzes ohne weiteres möglich sein, die Wohnung der Eltern der Beklagten auch von einer entfernter liegenden Wohnung mittels privater oder öffentlicher Verkehrsmittel unverzüglich zu
erreichen.

Nach alledem erscheine die Beendigung des Mietverhältnisses unumgänglich.

Aufgrund der nunmehr verstrichenen Zeit sei die Frist zur ordentlichen Kündigung abgelaufen und damit der geltend gemachte Räumungsanspruch der Klägerin nunmehr gegeben.

Die Klägerin sei nicht zur fristlosen, wohl aber zur fristgemäßen Kündigung berechtigt gewesen.