Das Landgericht Dortmund befand in seinem Urteil vom 31.01.2008 (4 O 126/07), daß wenn ein Zahnarzt seinem Patienten die Einsetzung von Brücken trotz teils nicht mehr im Knochen verankerter Zähne vorschlage, obwohl eine Teleskopprothetik die vorzugswürdigere Behandlungsmethode gewesen wäre, ein Aufklärungsverschulden vorliege.

Der am 15.5.1935 geborene Kläger machte in dem Verfahren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen einer zahnprothetischen Behandlung geltend.

In der Zeit von November 2001 bis November 2003 befand sich der Kläger in der zahnärztlichen Behandlung von Frau Dr. U in V. Am 5.7.2004 stellte sich der Kläger erstmals in der Praxis der Beklagten zur Anfertigung einer prothetischen Versorgung im Oberkiefer vor. An diesem Tag wurde ein OPG angefertigt. Der Beklagte zu 2. plante zwei Brücken für den Oberkiefer.

Am 25.8.2004 erfolgte die Präparation für die beiden Brücken. Am 9.9.2004 wurden die Brücken auf den Zähnen 16 bis 13 und 22, 23 bis 27 eingesetzt. Der Beklagte zu 2. fertigte am 12.11.2004 Einzelzahnfilme der Zähne 13, 12, 22 und 23 an und nahm eine Excision an Zahn 23 vor. Am 19.11.2004 erfolgte eine Excision an Zahn 22. Die Brücke 22 bis 27 wurde am 29.11.2004 entfernt. Es wurde ein Provisorium eingesetzt. Der Beklagte zu 2. fertigte diese Brücke erneut an. Die zweite Brücke wurde am 10.12.2004 provisorisch und am 13.12.2004 fest eingesetzt. In der Folgezeit nahm der Beklagte zu 2. u.a. Einschleifmaßnahmen vor. Am 8.2.2005 wurden nochmals Einzelzahnfilme der Zähne 13, 12, 22 und 23 angefertigt. Der Beklagte zu 2. führte eine Wurzelbehandlung an den Zähnen 22 und 23 durch. Im Rahmen dieser Wurzelbehandlung wurden am 22.2.2005 Nadelaufnahmen der Zähne 22 und 23 angefertigt. Die Wurzelbehandlung an diesen Zähnen wurde am 15.3.2005 abgeschlossen und die Brücke 22 bis 27 wieder provisorisch eingesetzt. In der Folgezeit wurde eine dritte Brücke für die Zähne 22 bis 27 geplant. Hierzu erfolgte am 27.4.2005 eine erneute Bissnahme. Diese dritte angefertigte Brücke für die Zähne 22 bis 27 wurde am 23.5.2005 provisorisch eingesetzt. Der Beklagte zu 2. dokumentierte für diesen Tag Spannungsschmerzen wegen der Verblockung der Zähne 22 und 23. Am 8.6.2005 wurde Zahn 22 abgetrennt. Im Juni 2005 wurde die Brücke 22 bis 27 dann mehrfach entfernt und erneut provisorisch eingesetzt.

Am 23.6.2005 stellte sich der Kläger beim Kassengutachter Dr. C vor. Am 6.9.2005 erfolgte eine Wurzelspitzenresektion an Zahn 22 und 23. In der Folgezeit fanden weitere Behandlungstermine statt. Der Beklagte zu 2. entfernte am 30.1.2006 die Brücke und setzte ein Provisorium ein. Es sollte eine neue, nunmehr vierte Brücke, geplant werden, was der Kläger jedoch letztlich ablehnte.

Der Kläger behauptet, die Prothetik des Beklagten zu 2. sei fehlerhaft angefertigt worden. Dem Beklagten zu 2. sei eine Vielzahl von Fehlern vorzuwerfen. Die Aufbereitung der Wurzelkanäle sei fehlerhaft gewesen. Hierdurch sei es zu einer „via falsa“ gekommen. Diese sei nicht rechtzeitig korrigiert worden, so daß sich eine Fistel gebildet habe. Die Planung sei fehlerhaft gewesen. Bei dem Kläger habe schon vor der Behandlung ein erheblicher Knochenabbau vorgelegen, so daß die Planung mehr als gewagt und der Erfolg fraglich gewesen sei. Einen Paradontalstatus hätte erhoben werden müssen. Die dritte Brücke habe einen Mangel am Randschluss des Zahnes 23 aufgewiesen und hätte so nicht eingesetzt werden dürfen. Die Zähne 21, 11 und 12 seien fehlerhaft angeschliffen worden. Es sei nicht nötig gewesen, Zahn 22 in die Brücke einzubeziehen. Zahn 22 sei zudem unnötig stark eingeschliffen worden, so dass er für eine Brücke nicht mehr geeignet sei. Nachbesserungsversuche seien ungeeignet gewesen.

Der Kläger war weiter der Ansicht, der Beklagte zu 2. hätte ihn über das Risiko aufklären müssen, welches sich verwirklicht habe. Zudem sei er nicht über mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden.

Zu den Folgen behauptete der Kläger, er habe von Anfang an unter Schmerzen im Oberkiefer bei Kaudruckbelastung sowie über Schmerzen am Zahnfleischsaum an den Zähnen 22 und 23 gelitten. Zudem sei es zu Spannungsschmerzen wegen der Verblockung der Brücke an Zahn 22 und 23 gekommen. Weiter habe er auch einen Druckschmerz auf den geschädigten Brückenpfeilern 16 und 27 gespürt. Der Kläger habe sich wegen des anhaltenden Schmerzenbildes ca. 1 ½ Jahre in die Behandlung des Beklagten begeben müssen und dort 50 Behandlungstermine über sich ergehen lassen müssen. Er benötige heute eine neue prothetische Versorgung. Zuvor müsse eine Paradontalbehandlung erfolgen. Die Zähne 16, 22 und 23 müßten gezogen werden. Ob Zahn 27 erhaltungswürdig sei, müsse noch geprüft werden.

Der Kläger war insgesamt der Ansicht, ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,00 € sei angemessen. Er war weiter der Ansicht, ihm seien Fahrtkosten in Höhe von pauschal 150,00 € zu ersetzen.

Das Landgericht erachte die Klage als teilweise begründet. Der Kläger könne von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € sowie die Feststellung einer Haftung dem Grunde nach verlangen, und zwar gemäß §§ 611, 249, 253 BGB bzw. §§ 823, 253 BGB. Die darüber hinausgehende Klage sei unbegründet.

Ds Gericht ging nach der Beweisaufnahme davon aus, daß die ursprüngliche Planung noch nicht behandlungsfehlerhaft gewesen sei. Ein Behandlungsfehler liege nur dann vor, wenn eine ärztliche Maßnahme vom fachärztlichen Standard abweiche. Der Sachverständige Dr. S habe in der mündlichen Verhandlung jedoch nach ausführlicher Erörterung erläutert, daß die Planung von 2 Brücken im Oberkiefer für den Kläger ursprünglich gewagt gewesen sei. Fehlerhaft habe der Sachverständige diese Planung nicht nennen wollen.

Die Kammer ging jedoch von einem Aufklärungsfehler aus.

Der Beklagte zu 2. habe den Kläger nicht darüber aufgeklärt, daß hier eine Behandlungsalternative in Form einer Teleskopprothetik in Betracht gekommen wäre und diese Behandlungsalternative sogar vorzuziehen gewesen wäre. Der Sachverständige habe bereits in seinem Gutachten darauf hingewiesen, daß hier Planungsalternativen hätten angedacht werden müssen. Er habe ausgeführt, daß aus den vor Behandlungsbeginn angefertigten Röntgenbildern unzweifelhaft hervorgehe, daß an beiden endständigen Brückenpfeilern bereits ein erheblicher Knochenabbau zu verzeichnen gewesen sei. Insbesondere die vordere Wurzel des Zahnes 16 habe kaum noch im Knochen gestanden. Sowohl an Zahn 16 als auch an Zahn 27 sei die Wurzelteilung erreicht worden.

Der Sachverständige habe insoweit zwar dem Beklagten zugestimmt, daß beide Zähne fest gewesen seien. Er habe jedoch auch betont, daß ein in seinem Fundament geschwächter Zahn für sich allein möglicherweise symptomlos sei, jedoch häufig die Toleranz- bzw. Schmerzschwelle überschritten werde, wenn diese Zähne dann plötzlich weitere Lasten zu tragen hätten.

Der Sachverständige hätte hier dem Patienten eine Teleskoparbeit angeraten. Dies wäre nach Angaben des Sachverständigen die Alternative gewesen, die man dem Patienten dringend hätte empfehlen müssen. Es habe die Gefahr bestanden, Zahn 16 zu verlieren. In diesem Fall wäre die Anfertigung der gesamten Brückenarbeiten wertlos gewesen. Hingegen hätte eine Teleskoparbeit jederzeit insoweit auch erweitert werden können. Wenn Zahn 16 gefehlt hätte, so hätte man nicht mehr auf der Brückenkonstruktion weiterarbeiten können und alles neu anfertigen können. Es hätte daher insbesondere wegen der sehr schlechten Zahnsituation beim Kläger eigentlich nicht mehr zur Anfertigung von Brücken geraten werden können. Der Sachverständige habe vielmehr erklärt, daß man dies ausführlich mit dem Patienten hätte besprechen müssen, den Patienten insoweit hätte aufklären müssen und nur auf weiteres nachdringliches Beharren des Patienten die Brückenkonstruktion hätte wählen dürfen.

Eine solche Aufklärung habe zur Überzeugung der Kammer nicht stattgefunden. Den Beklagten sei der insoweit ihnen obliegende Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht gelungen.

Die Kammer gehe davon aus, daß der Kläger sich auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung für die Teleskoparbeit entschieden hätte.

Einen weiteren Behandlungsfehler sehe die Kammer darin, daß der Beklagte zu 2. bei der Anfertigung der zweiten und dritten Brücke die Planung nicht geändert habe.

Einen weiteren Behandlungsfehler sah das Gericht in der Kürzung der Brücke an Zahn 23. Der Sachverständige habe bereits in seinem Gutachten darauf hingewiesen, daß der Randschluss fehlerhaft gewesen sei und die Prothetik so nicht hätte eingesetzt werden dürfen.

Weitere Behandlungsfehler seien hingegen nicht festzustellen. Die Zähne seien nicht fehlerhaft eingeschliffen worden. Soweit der Kläger geklagt habe, daß die Zähne zu stark eingeschliffen worden seien, liege hierin kein Behandlungsfehler. Der Sachverständige habe erklärt, daß insoweit Einschleifmaßnahmen notwendig gewesen seien.

Diese Einschleifmaßnahmen wären auch bei einer Teleskopprothetik erforderlich gewesen.

Der Sachverständige habe weiter ausgeführt, daß es hier möglicherweise zu einem Schleiftrauma gekommen sei. Auch hierin liege jedoch kein Behandlungsfehler. Der Sachverständige habe erklärt, daß auch bei ordnungsgemäßer Vorgehensweise ein Schleiftrauma nicht immer vermieden werden könne.