Bundesgerichtshof, Beschluß vom 11.04.2012 (XII ZB 504/11):
Auch im Beschwerdeverfahren in einer Betreuungssache besteht grundsätzlich die Pflicht des Beschwerdegerichts, den Betroffenen persönlich anzuhören. Sieht das Beschwerdegericht von einer persönlichen Anhörung ab, muß es die Gründe dafür in der Beschwerdeentscheidung nachvollziehbar darlegen. Das ist ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn aus den übrigen Gründen ohne weiteres ersichtlich ist, dass eine Anhörung keine weitere Aufklärung erwarten läßt.
Zum Sachverhalt:
Die Betroffene war 1955 in Rumänien geboren. Sie war verwitwet und hatte zwei Kinder. Seit dem Tod ihres Ehemannes Anfang des Jahres 2011 befand sich die Betroffene in Erbauseinandersetzungen mit ihren Kindern. Die Kinder hatten die Einrichtung einer Betreuung angeregt. Auf weitere Anregung der Betreuungsstelle und nach Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das eine schwere psychische Erkrankung in Form einer anhaltenden wahnhaften Störung mit chronifiziertem Verlauf festgestellt hatte, hatte das Amtsgericht den weiteren Beteiligten zum Betreuer bestellt. Den Aufgabenkreis hatte es auf die Vermögenssorge und die Regelung der Erbangelegenheiten nach dem Tod des Ehemannes der Betroffenen sowie die damit verbundenen Post- und Fernmel-deangelegenheiten erstreckt.
Das Landgericht hatte die dagegen von der Betroffenen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Es hatte die Betroffene – anders als das Amtsgericht – nicht persönlich angehört. Mit der Rechtsbeschwerde erstrebte die Betroffene weiterhin die Aufhebung der Betreuung.
Der Bundesgerichtshof befand, daß die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führe. Dieser beruhe auf einem Verfahrensfehler.
Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG bestimme sich das Beschwerdeverfahren nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das gelte auch für die nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG vor der Bestellung eines Betreuers gebotene persönliche Anhörung des Betroffenen.
Allerdings könne das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG von der persönlichen Anhörung absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden sei und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten seien (Senatsbeschlüsse vom 27. Juli 2011 – XII ZB 118/11 – und vom 16. März 2011 – XII ZB 601/10 -; s. auch Senatsbeschluß vom 11. August 2010 – XII ZB 171/10 -).
Das Beschwerdegericht habe aber – wie auch das erstinstanzliche Gericht – die Gründe, aus denen es von einer Anhörung ausnahmsweise absehen wolle, in den Entscheidungsgründen nachprüfbar darzulegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 1984 – IVb ZB 95/83 – und vom 11. Juli 1984 – IVb ZB 73/83 -). Allerdings seiim Einzelfall eine Begründung entbehrlich, wenn aus den weiteren Entscheidungsgründen ersichtlich werde, daß das Beschwerdegericht in zulässiger Weise von einer erneuten persönlichen Anhörung des Betroffenen hätte absehen können.
Die Rechtsbeschwerde rüge zu Recht, daß es dem angefochtenen Beschluß an einer Begründung für die unterbliebene Anhörung der Betroffenen fehle. Daß eine Anhörung der Betroffenen entbehrlich sei, ergebe sich auch nicht aus den übrigen Beschlußgründen. Vielmehr handele es sich um die erstmalige Bestellung eines Betreuers und zudem um einen auf einzelne spezielle Angelegenheiten zugeschnittenen Aufgabenkreis, die eine nähere Begründung des Absehens von einer Anhörung in der Beschwerdeinstanz unverzichtbar machen würden. Aufgrund des angefochtenen Beschlusses könne demnach nicht festgestellt werden, warum das Landgericht von der Anhörung abgesehen habe und ob es hierzu berechtigt gewesen sei. Da demnach nicht ausgeschlossen sei, daß die Entscheidung auf der mangelnden Anhörung beruhe, sei der angefochtene Beschluß aufzuheben.
Für das weitere Verfahren wies der Senat darauf hin, daß die Notwendigkeit der Erstreckung der Betreuung über die Erbschaftsangelegenheit hinaus auf sämtliche Vermögensangelegenheiten der Betroffenen bislang nicht hinreichend begründet worden sein dürfte und die Erforderlichkeit der Betreuung insoweit fraglich ist.
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