Ein Richter kann mit dem Beschluß des Bundesgerichtshof vom 15.03.2012 (V ZB 102/11) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt. Es kommt nicht darauf an, ob der Ehegatte als Partner oder als Angestellter der Kanzlei arbeitet.

Zum Verfahren:

Die Parteien hatten gegen ein Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Über diese hatte ein Senat des Oberlandesgerichts zu entscheiden, dem ein Richter angehörte, dessen Ehefrau als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Klägers tätig war. Der Richter hatte den Parteien gemäß § 48 ZPO von diesem Verhältnis Mitteilung gemacht. Die Beklagte hatte den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Oberlandesgericht hatte das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen, mit der die Beklagte ihr Ablehnungsgesuch weiter verfolgte.

Das Rechtsmittel hatte in der Sache Erfolg.

Die Frage, ob allein eine Ehe oder nahe Verwandtschaft eines Richters mit einem in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Gegners tätigen Rechtsanwalt für die Partei die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO begründe, sei streitig.

Nach einigen Stimmen sei das zu bejahen. Zur Begründung werde auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 BRAO aF verwiesen. Nach dieser Vorschrift habe der Ehepartner oder ein Verwandter eines Richters in demselben Gerichtsbezirk grundsätzlich nicht als Rechtsanwalt zugelassen werden können, womit das Ziel verfolgt worden sei, den Anschein zu vermeiden, daß der Rechtsanwalt allein auf Grund der persönlichen Beziehungen zu dem Richter in der Lage sei, seinem Mandanten zu einem ungerechtfertigten Erfolg zu verhelfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. November 1994 AnwZ (B) 53/94, NJW-RR 1995, 1266 und vom 4. Mai 1998 AnwZ (B) 78/97, NJW-RR 1999, 572).

Dieser allgemeine, früher schon der Zulassung des Rechtsanwalts entgegenstehende Gesichtspunkt komme in einem Rechtsstreit für eine Partei besonders zum Tragen, wenn der Ehegatte des Richters in der den Gegner vertretenden Anwaltskanzlei (als Sozius oder als angestellter Rechtsanwalt) tätig sei. Allein dieser Umstand vermöge aus der Sicht einer vernünftigen Partei die Besorgnis zu begründen, daß der Richter bei der Ausübung seines Amts davon beeinflußt sein könnte (OLG Schleswig, aaO). Zudem werde darauf verwiesen, daß eine Partei nicht wissen könne, ob der in der Anwaltskanzlei des Gegners tätige Ehegatte mit der Sache tatsächlich befaßt sei oder nicht, da dies die interne Aufgabenverteilung in einer Kanzlei betreffe.

Dem stehe die Ansicht gegenüber, daß die Ehe des Richters mit einer Rechtsanwältin, die zwar Mitglied der Sozietät oder angestellte Anwältin in der den Gegner vertretenden Kanzlei, aber nicht dessen Prozeßbevollmächtigte sei, nicht die Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertige; es müßten vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit hinzutreten. Zur Begründung werde darauf verwiesen, daß die Annahme der Befangenheit des Richters wegen der Tätigkeit seines Ehegatten in der Kanzlei des Gegners einem gesetzlichen Ausschließungsgrund im Sinne des § 41 ZPO gleichkäme, der Gesetzgeber aber einen solchen Ausschließungstatbestand in den Katalog des § 41 ZPO nicht aufgenommen habe (OLG Celle, aaO). Auch gebe die inzwischen aufgehobene Vorschrift des § 20 BRAO aF für die Auslegung des § 42 ZPO nichts her, da deren Ziel der Schutz der Rechtspflege vor abstrakten Gefährdungen gewesen sei, während es bei der Frage, ob eine Befangenheit des Richters anzunehmen sei, um eine Entscheidung im konkreten Einzelfall unter Zugrundelegung eines parteiobjektiven Maßstabes gehe (OLG Hamburg, aaO).

Umstände, welche die Besorgnis der Befangenheit in diesen Fällen rechtfertigen würden, würden dann angenommen, wenn es infolge der Ehe zu einem Gespräch zwischen dem Richter und dem Prozeßvertreter des Gegners über den Rechtsstreit gekommen sei oder der als Rechtsanwalt tätige Ehegatte des Richters ein besonderes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Prozesses habe.

Der Bundesgerichtshof hatte zu der Rechtsfrage noch nicht Stellung genommen. Die Entscheidungen, in denen es um persönliche Beziehungen von Richtern zu Rechtsanwälten ging, betrafen Mitglieder in den Vorinstanzen tätiger Rechtsanwaltskanzleien.

Der Senat teilte die Ansicht, daß ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden könne, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig sei, die den Gegner vor diesem Richter vertrete.

Ein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO liege vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß gegeben sei, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (Senat, Beschlüsse vom 2. Oktober 2003 V ZB 22/03, BGHZ 156, 269, 270 und vom 6. April 2006 V ZB 194/05, NJW 2006, 2492, 2494 Rn. 26). Dafür genüge es, daß die Umstände geeignet seien, der Partei Anlaß zu begründeten Zweifeln zu geben, da es bei den Vorschriften der Befangenheit von Richtern darum gehe, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (BVerfGE, 108, 122, 126 = NJW 2003, 3404, 3405). Die Vorschriften würden zugleich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs der Parteien, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität fehle (vgl. BVerfGE 89, 28, 36; BGH, Urteil vom 15. Dezember 1994 I ZR 121/92, NJW 1995, 1677, 1678), dienen.

Gemessen daran sei das auf die Tätigkeit der Ehefrau des Richters in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten des Klägers gestützte Ablehnungsgesuch der Beklagten begründet. Schon die besondere berufliche Nähe der Ehefrau des Richters zu dem Prozeßbevollmächtigten des Gegners gebe der Partei begründeten Anlaß zur Sorge, daß es dadurch zu einer unzulässigen Einflußnahme auf den Richter kommen könnte. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen sei, daß Richter über jene innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen würden, die sie befähigen würden, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden, sei es einer Partei nicht zuzumuten, darauf zu vertrauen, daß eine unzulässige Einflußnahme durch den Gegner unterbleiben werde, und den Richter erst dann abzulehnen, wenn dies doch geschehe und ihr das bekannt werde (zur Begründetheit einer Ablehnung in diesem Falle: vgl. KG, NJW-RR 2000, 1164, 1165).