In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (Beschluß vom 30.08.2011 2 StR 652/10) ging es um ein Urteil des Landgericht, mit dem der Angeklagte wegen Insolvenzverschleppung in zwei Fällen, Bankrotts in sechs Fällen, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 30 Fällen, Betrugs sowie Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war. Das Landgericht hatte bei seiner Urteilsfindung Kontoauszüge der Firmen einbezogen

Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten war teilweise erfolgreich.

Nach den Urteilsfeststellungen hielt der Angeklagte über Familienangehörige, die ihm Generalvollmachten erteilt hatten, sowohl die Kommanditanteile an der G. GmbH & Co KG als auch sämtliche Anteile an deren Komplementär-GmbH, der G. Grundstücks- und Wohnbau GmbH. Zugleich war er Geschäftsführer beider Gesellschaften. Daneben war der Angeklagte alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der A. GmbH, deren Geschäftsgegenstand im Bereich der Vermarktung von Sportlern lag und deren Anteile vom Angeklagten und seinem Sohn gehalten wurden. Nachdem diese am 6. Januar 2006 die Auflösung der A. GmbH beschlossen hatten, wurde der Angeklagte zu deren Liquidator bestellt. Am 15. Juli 2008 wurde das Unternehmen auf Antrag des Finanzamts wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Sowohl die G. GmbH & Co KG als auch die A. GmbH hatten ab dem Jahr 2003 mit massiven finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Eine Zeitlang gelang es dem Angeklagten, kurzfristige Liquiditätsengpässe mittels Hin- und Herschiebens von Geldern zwischen den beiden Unternehmen, aber auch seinem Privatvermögen auszugleichen. Letztlich jedoch wurden beide Unternehmen zahlungsunfähig. Die Zahlungsunfähigkeit trat nach den Feststellungen bei der G. GmbH & Co KG spätestens Anfang des Jahres 2005, bei der A. GmbH bereits Ende 2004 ein.

Das Landgericht hatte seinen Feststellungen zum finanziellen Niedergang der Unternehmen und zum Eintreten der Krisensituationen Auszüge der jeweiligen Geschäftskonten zugrundegelegt, denen es eine Vielzahl von Kontoständen und Einzelbuchungen entnommen hatte. Diese Einzelbuchungen hatte das Landgericht zum Teil datum- und zahlengenau auf mehreren Seiten der Urteilsgründe wiedergegeben.

Die von der Revision zulässig erhobene Rüge, das Landgericht habe die Auszüge der Geschäftskonten der G. GmbH & Co KG bei der Sparkasse K. (Konto ) und bei der Volksbank V. (Konto ) bzw. der A. GmbH bei der Sparkasse K. (Konto ) verwertet, ohne diese prozeßordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben, erachtete der Bundesgerichthof als begründet.

Der Bundesgerichtshof führte aus, daß die entsprechenden Kontoauszüge in der Hauptverhandlung weder förmlich als Urkunden gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 StPO verlesen noch sind sie im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt worden seien. Der an verschiedenen Stellen des Hauptverhandlungsprotokolls enthaltene Eintrag, Bankordner seien „zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht und in richterlichen Augenschein“ genommen worden, sei nicht geeignet, eine förmliche Verlesung der Urkunden zu beweisen (BGHSt 11, 29, 30; Diemer in KK StPO 6. Aufl. § 249 Rn. 51; Meyer-Goßner StPO 54. Aufl. § 273 Rn. 9). Die Inaugenscheinnahme einer Urkunde beinhalte im übrigen nur dann eine zureichende Beweiserhebung, wenn es nicht auf ihren Inhalt, sondern auf ihr Vorhandensein oder ihren Zustand ankomme (BGHR StPO § 249 Abs. 1 Kontoaus-züge 1; Meyer-Goßner aaO § 249 Rn. 7).

Zwar könne der Inhalt einer Urkunde auch durch ihren Vorhalt an Zeugen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden (vgl. BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1). So sei im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt, daß Bankordner mit Zeugen „erörtert“ bzw. diesen vorgehalten worden seien.

Beweisgrundlage sei dann allerdings nicht der Vorhalt selbst, sondern die bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt gemacht worden sei (BGHSt 11, 159, 160; BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1; § 261 Inbegriff der Verhandlung 38). Der Einführung einer Urkunde mittels Vorhalt seien deshalb Grenzen gesetzt. Insbesondere wenn es sich um längere oder sehr komplexe Ausführungen handele, bestehe die Gefahr, daß die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen Vorhalt hin nicht richtig oder nur unvollständig erfasse oder sich an den genauen Wortlaut eines Schriftstücks nicht zuverlässig erinnern könne (BGHSt 11, 159, 160; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 39; BGH NStZ 1991, 500; Meyer-Goßner aaO § 249 Rn. 28).

So liege der Fall vorliegend.

Angesichts der hohen Anzahl der von der Kammer verwerteten Kontoauszüge und Einzelbuchungen sei auszuschließen, daß die als Zeugen gehörten Bankmitarbeiter und Polizeibeamten das entsprechende Zahlenwerk aus eigener Erinnerung heraus im einzelnen hätten bestätigen können.

Der Senat könne nicht ausschließen, daß das Urteil teilweise auf diesem Mangel beruhe.

Das Landgericht habe ausführliche Feststellungen zur finanziellen Entwicklung der beteiligten Unternehmen getroffen, die sie ihrer Darstellung der konkreten Tathandlungen vorangestellt habe. Darin nehme die Entwicklung der jeweiligen Geschäftskonten breiten Raum ein, teilweise würden Kontostände sowie einzelne Buchungen, etwa eingehende Mietzahlungen, nach genauem Datum und Betrag wiedergegeben. Aus diesen Feststellungen, die das Landgericht ausdrücklich auf die „in die Hauptverhandlung eingeführten Kontoauszüge“ gestützt habe, habe es sodann die Überzeugung gewonnen, daß die G. GmbH & Co KG „spätestens Anfang 2005“ und die A. GmbH „spätestens Ende 2004“ zahlungsunfähig geworden seien. Das sich aus den Kontoauszügen ergebende konkrete Zahlenwerk habe damit bestimmenden Einfluß auf die Bewertung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen zu den jeweils relevanten Tatzeitpunkten gehabt. Dies könne sich teilweise auf die Schuldsprüche der Urteilsgründe zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben.