Zahlt ein Mieter keine Miete und ist er für den Vermieter nicht erreichbar bzw. verschwunden, so rechtfertigt dies keine eigenmächtigte Inbesitznahme der Mietwohnung durch den Vermieter (z.B. Austausch der Schlösser, Ausräumen der Wohnung etc.).  Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch einen Vermieter stellt mit dem Bundesgerichtshof eine unerlaubte Selbsthilfe im Sinne von § 229 BGB dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig nach § 231 BGB auf Schadensersatz haftet (BGH, Urteil vom 14.07.2010, Az.: VIII ZR 45/09; PM Nr. 148/2010).

Der Vermieter, der eine Wohnung in Abwesenheit des Mieters ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels durch verbotene Eigenmacht in Besitz nimmt, hat sich mit dem Bundesgerichtshof aufgrund der ihn treffenden Obhutspflicht nicht nur zu entlasten, soweit ihm die Herausgabe nachweislich vorhandener Gegenstände unmöglich wird oder nachweislich eine Verschlechterung an herauszugebenden Gegenständen eintritt. Er muss aufgrund seiner Obhutspflicht die Interessen des an einer eigenen Interessenwahrnehmung verhinderten Mieters auch dadurch wahren, daß er bei der Inbesitznahme ein aussagekräftiges Verzeichnis der verwahrten Gegenstände aufstellt und deren Wert schätzen läßt. Kommt er dem nicht nach, hat er zu beweisen, in welchem Umfang Bestand und Wert der der Schadensberechnung zugrunde gelegten Gegenstände von den Angaben des Mieters abweichen, soweit dessen Angaben plausibel sind (Anschluß an BGHZ 3, 162).

In dem zugrundeligenden Fall war der Kläger der Mieter einer in Wiesbaden gelegenen Wohnung der Beklagten. Ab Februar 2005 war er für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und wurde von Verwandten als vermißt gemeldet. Nachdem die Mieten für die Monate März und April 2005 nicht gezahlt worden waren, kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis fristlos. Im Mai 2005 öffnete sie die Wohnung und nahm sie in Besitz. Hierbei entsorgte sie einen Teil der Wohnungseinrichtung; einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte sie bei sich ein. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der Mieter für die ihm nach seiner Behauptung im Zuge der Räumung abhanden gekommenen, beschädigten oder verschmutzten Gegenstände Schadensersatz von rund 62.000 € zuzüglich der ihm entstandenen Gutachterkosten verlangt.

Das Amtsgericht hatte die Klage insoweit abgewiesen. Das Landgericht hatte die Berufung des Mieters zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision des Mieters hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied, daß die Vermieterin für die Folgen einer solchen Räumung hafte. Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellten eine unerlaubte Selbsthilfe (§ 229 BGB*) dar. Das gelte selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge Kündigung entfallen sei. Der Vermieter müsse sich auch in diesen Fällen – gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übe ein Vermieter stattdessen im Wege einer sogenannten „kalten“ Räumung eine verbotene Selbsthilfe, sei er gemäß § 231 BGB verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Von dieser Ersatzpflicht werde insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfaßt. Denn den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nehme, treffe für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts wisse und deshalb auch nicht in der Lage sei, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehöre zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, daß er ein Bestandsverzeichnis aufstelle und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststelle. Komme er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, müsse er die Behauptung des Mieters widerlegen, daß bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden seien, und beweisen, daß sie einen geringeren Wert gehabt hätten als vom Mieter behauptet. Dies habe das Landgericht übersehen und dem Mieter rechtsirrig die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich Bestand und Zustand der in der geräumten Wohnung vorhandenen Gegenstände auferlegt.

Darüber hinaus habe das Landgericht auch die an eine Schadensschätzung zu stellenden Anforderungen überspannt. Stehe – wie im entschiedenen Fall – der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach fest und sei nur seine Höhe fraglich, dürfe die Klage grundsätzlich nicht vollständig abgewiesen werden. Das Gericht müsse in diesem Fall vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich sei. Das sei hier nicht geschehen. Die Sache sei daher an das Landgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen zum Bestand und zum Wert der im Zuge der Wohnungsräumung bei dem Kläger abhanden gekommenen oder beschädigten Gegenstände getroffen werden könnten.