Der Bundesgerichtshof hob in seinem Urteil vom 01.12.2011 (3 StR 284/11) einen durch das Landgericht ergangenen Freispruch wegen Nichtfeststellenkönnes der Täterschaft im Falle des Vorwurfs der schweren räuberischen Erpressung auf und verwies das Verfahren zurück. Im einzelnen:

In dem zugrundeliegenden Verfahren legte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten zur Last, am 10. November 2005 gemeinschaftlich mittels Vorhalt einer ungeladenen Gaspistole eine in einer Tankstelle tätige Verkäufern dazu veranlaßt zu haben, ihnen einen Geld-betrag von 420 € zu übergeben. Die Angeklagten hatten sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen. Das Landgericht hatte in den Urteilsgründen ausgeführt, von dem in der Anklageschrift geschilderten Geschehen, nicht aber von der Täterschaft der Angeklagten überzeugt zu sein. Weder anhand der Aussage der als Zeugin vernommenen Verkäuferin noch anhand des bei der Tat gewonnenen und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Bildmaterials habe es diese Überzeugung gewinnen können.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der Hauptverhandlung den Antrag gestellt, zum Beweis der Tatsache, daß es sich bei den zur Tatzeit mittels einer Überwachungskamera im Verkaufsraum der Tankstelle aufgezeichneten männlichen Personen um die Angeklagten handele, ein anthropologisches Identitätsgutachten einzuholen. Das Landgericht hatte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, es handele sich um ein „ungeeignetes Beweismittel“ im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, weil es nicht möglich sei, dem Sachverständigen neben dem aus den Aufzeichnungen der Überwachungskamera stammenden „Videomaterial“ das für die Begutachtung erforderliche „Vergleichsmaterial“ zu verschaffen. Entsprechendes Material könnte nur mittels eines Nachstellens der Tat unter Mitwirkung der Angeklagten gewonnen werden. Dazu seien diese nicht bereit.

Der Bundesgerichthof befand nun in seinem Urteil, daß der Beweisantrag der Staatsanwaltschaft zu Unrecht abgelehnt worden sei.

Ein Beweismittel sei nur dann völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn ungeachtet des bisher gewonnenen Beweisergebnisses nach sicherer Lebenserfahrung feststehe, daß sich mit ihm das im Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nicht erreichen lasse und die Erhebung des Beweises sich deshalb in einer reinen Förmlichkeit erschöpfen müsse (BGH, Beschluß vom 13. März 1997 – 4 StR 45/97; Beschluß vom 15. März 2007 – 4 StR 66/07; Beschluß vom 7. August 2008 – 3 StR 274/08).

Werde eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, komme dies in Betracht, wenn es nicht möglich sei, dem Sachverständigen die tatsächlichen Grundlagen zu verschaffen, deren er für sein Gutachten bedürfe.

Umgekehrt sei ein Sachverständiger nicht schon dann ein völlig ungeeignetes Beweismittel, wenn er absehbar aus den Anknüpfungstatsachen keine sicheren und eindeutigen Schlüsse zu ziehen vermöge. Als Beweismittel eigne er sich vielmehr schon dann, wenn seine Folgerungen die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen ließen und hierdurch unter Berücksichtigung des sonstigen Beweisergebnisses Einfluß auf die Überzeugungsbildung des Gerichts erlangen könnten (BGH, Beschluß vom 13. März 1997 – 4 StR 45/97; Beschluß vom 7. August 2008 – 3 StR 274/08).

Ob eine sachverständige Begutachtung auf der verfügbaren tatsächlichen Grundlage zur Klärung der Beweisbehauptung nach diesen Maßstäben geeignet sei, könne und müsse der Tatrichter in Zweifelsfällen im Wege des Freibeweises – etwa durch eine Befragung des Sachverständigen zu den von ihm für eine Begutachtung benötigten Anknüpfungstatsachen – klären.

Danach vermöge die vom Landgericht gegebene Begründung die Ablehnung des Beweisantrags nicht zu rechtfertigen.

Sie stütze sich allein darauf, es fehle an dem notwendigen Vergleichsbildmaterial, das ohne Mitwirkung der Angeklagten auch nicht beschafft werden könne. Damit sei aber nicht belegt, daß ein anthropologischer Sachverständiger nicht in der Lage wäre, aus einem Vergleich des vorhandenen Bildmaterials mit den in der Hauptverhandlung anwesenden Angeklagten sowie mit Lichtbildern und Messungen, deren Herstellung die Angeklagten gemäß § 81b StPO zu dulden hätten, nicht zumindest Wahrscheinlichkeitsaussagen zur Identität der Angeklagten mit den durch die Überwachungskamera gefilmten Tätern zu treffen.

Auch verhalte sich der Ablehnungsbeschluß nicht dazu, ob das vorhandene Bildmaterial trotz seiner nur mäßigen Qualität nach den maßgeblichen Kriterien nicht doch hinreichende morphologische Merkmale der Täter erkennen lasse, die mit denen der Angeklagten abgeglichen werden könnten. Eine freibeweisliche Klärung dieser Fragen durch Anhörung eines kompetenten Sachverständigen habe das Landgericht nicht vorgenommen.

Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruhe das Urteil, weil nicht ausgeschlossen werden könne, daß das Landgericht nach Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre. Die Voraussetzungen, unter denen in Fällen der fehlerhaft begründeten Ablehnung eines Beweisantrags ausnahmsweise ein Beruhen ausgeschlossen werden könne, lägen nicht vor.