Der Bundesgerichtshof erachtete in seinem Urteil vom 17.03.2011 (5 StR 4/11), daß ein minder schwerer Fall des Totschlages auch anzunehmen sei, da der Getötete den Täter zuvor zum Zorn gereizt habe i. S. d. § 213 StGB.

Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, einen minder schweren Fall auch i. S. d. § 213 StgB nicht geprüft. Das gegen das Urteil von dem Angeklagten eingelegte Rechtsmittel führte zur Aufhebung des Strafausspruchs.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte den Nebenkläger mit zwei Bierflaschen aus Glas (0,33 I) auf den Hinterkopf geschlagen, wobei eine Flasche zerbrochen war. Der Nebenkläger konnte den Angeklagten zunächst abdrängen. Der Angeklagte ging jedoch sofort wieder auf den Nebenkläger los. Mit dem scharfkantigen Hals der zerbrochenen Bierflasche schlug und stach er mehrfach in Richtung des Halses und des Kopfs des Nebenklägers. Er verursachte glattrandige Verletzungen im Bereich des linken Ohrs mit einer fast vollständigen Abtrennung des linken Ohrläppchens und mehrere, teils schlitzartige und in einem Fall bis ins Unterhautfettgewebe reichende glattrandige Verletzungen an der linken Halsseite, die nur wenige Zentimeter von der Halsschlagader bzw. der Halsvene entfernt waren; der Angriff war deswegen lebensbedrohend. Nur durch das Eingreifen weiterer Gäste und des Sicherheitsdienstes konnte er von weiteren Verletzungshandlungen abgehalten werden.

Die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer war davon ausgegangen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund des Zusammenwirkens einer alkoholischen Beeinflussung (maximale Blutalkoholkonzentration: 1,26 ‰), von Übermüdung und einer ängstlich gereizten Grundstimmung infolge von Nachstellungen und Provokationen von Seiten des Nebenklägers im Vorfeld sowie unmittelbar vor der Tat nicht ausschließbar erheblich im Sinne von § 21 StGB vermindert gewesen sei. Sie hatte die Strafe dem in § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB normierten minder schweren Fall der gefährlichen Körperverletzung entnommen. Die Annahme eines minder schweren Falls sei dabei nur unter Berücksichtigung und Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 21 StGB gerechtfertigt.

Der Strafausspruch hatte mit dem Bundesgerichtshof aufgrund der Nichtabhandlung der Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB keinen Bestand.

Das Landgericht habe es unterlassen, sich ausdrücklich mit den Voraussetzungen des Provokationstatbestandes der ersten Alternative des § 213 StGB auseinanderzusetzen. Hierzu habe nach den tatsächlichen Gegebenheiten ungeachtet des festgestellten, für sich nicht massiven Vorgehens des Nebenklägers gegen den Angeklagten und seine Freundin unmittelbar vor Tatbegehung angesichts des vorangegangenen nachhaltigen Nachstellungsverhaltens des Nebenklägers Anlaß bestanden.

Rechtlich sei die Erörterung des § 213 Alt. 1 StGB angezeigt gewesen, weil sein Vorliegen auch im Rahmen des § 224 StGB die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig gebiete. Sofern der Erregungszustand über den in § 213 StGB umschriebenen hinausgehe und zu einer von dieser Vorschrift nicht vorausgesetzten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führe, könne nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohne Verstoß gegen § 50 StGB eine zusätzliche Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommen.

Danach könne sich die Nichterörterung des § 213 Alt. 1 StGB hier auf die Strafrahmenwahl ausgewirkt haben. Allerdings gingen die beiden Milderungsgründe nach §§ 213 und 21 StGB mit der durch die Provokation verursachten affektiven Erregung des Angeklagten auf dieselbe Wurzel zurück. Dies könne einer nochmaligen Strafrahmenmilderung entgegenstehen, obliege aber der Prüfung des Tatgerichts.

Der BGH konnte nicht ausschließen, daß das Landgericht eine nochmalige Strafrahmenverschiebung vorgenommen oder aus dem Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB eine mildere Strafe verhängt hätte, wenn es die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB geprüft und bejaht sowie konsequent diesen Umstand und die erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des nur unwesentlich vorbelasteten Angeklagten bei der allgemeinen Straf-zumessung zu seinen Gunsten bewertet hätte.

Das neue Tatgericht werde bei der erneuten Straffindung insbesondere im Blick auf die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB das gesamte relevante Vorverhalten des Nebenklägers und dessen Einfluss auf die Tatbegehung des Angeklagten umfassend aufzuklären und zudem erneut Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB vorliegen.