Das Oberlandesgericht Stuttgart befand in seinem Beschluß vom 29.03.2012 (14 W 2/12), daß Unmutsäußerungen auch salopper bis derber Art, mit welchen ein Richter seiner Enttäuschung darüber Ausdruck verleihe, daß der Geschäftsführer einer beklagten GmbH trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zum Verhandlungstermin erschienen sei, für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet seien, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters in dem zwischen den Parteien zu entscheidenden Rechtsstreit zu begründen.
In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte der abgelehnte Vorsitzende Richter am Landgericht das persönliche Erscheinen der Parteien zur Aufklärung des Sachverhalts und für einen Güteversuch zum Termin vom 24. November 2011 angeordnet. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten nicht zum Termin erschienen und sein Fernbleiben durch den Beklagtenvertreter mit dringenden Angelegenheiten begründet worden war, äußerte der Vorsitzende Richter im Zusammenhang hiermit, daß H.-M. S. der Ladung des Gerichts hätte Folge leisten und sich der Auseinandersetzung oder Diskussion stellen sollen, statt den Schwanz einzuziehen. Während eines zwischen dem Beklagtenvertreter und dem Vorsitzenden Richter am folgenden Tage geführten Telefongesprächs war letzterer nicht bereit, den beanstandeten Ausdruck (Schwanz einziehen) zu relativieren.
Das Oberlandesgericht Stuttgart befand, daß die in dem Ablehnungsgesuch beanstandete Äußerung des abgelehnten Richters nicht geeignet sei, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.
Hierzu geeignet seien nämlich nur objektive Gründe, welche vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Derartige Gründe lägen hier nicht vor.
Zwar stelle die beanstandete Äußerung (Schwanz einziehen) eine – wie der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 selbst eingeräumt habe – saloppe bis derbe Redensart dar. Die Äußerung dürfe jedoch nicht isoliert betrachtet werden; vielmehr komme es auf den Zusammenhang an, in dem sie gefallen sei.
So sei die Äußerung ersichtlich von der Enttäuschung des abgelehnten Richters darüber geprägt gewesen, daß der für eine nach § 278 Abs. 1 ZPO angestrebte wirtschaftliche Gesamtlösung unerläßliche Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagten, dessen persönliches Erscheinen zu dem – immerhin mit dreimonatiger Vorlaufzeit anberaumten – Termin vom 24. November 2011 angeordnet gewesen sei, nicht zum Termin erschienen sei.
Dies manifestiere sich nicht zuletzt darin, daß der abgelehnte Richter den Parteien mitgeteilt habe, daß nach seiner Auffassung der hiesige Rechtsstreit nicht die eigentliche Ursache der Auseinandersetzung beträffe. Diese liege vielmehr in dem Streit zwischen den beiden Gesellschaftern über die Trennungsvereinbarung begründet, weswegen es angezeigt sei, eine gütliche Einigung hierüber anzustreben.
Anders als im Falle der Äußerungen der abgelehnten Richter, welche Gegenstand der von der sofortigen Beschwerde zitierten Entscheidungen gewesen seien (BGH, NJW-RR 2007, 776 Rz. 9: Sie werden sowieso fressen müssen, was ich entscheide. Und dann bleiben sie auf allem sitzen; OLG Hamburg, NJW 1992, 2036: Ich habe jetzt keine Zeit, mich mit solchen Kinkerlitzchen aufzuhalten; Brandenburgisches OLG, MDR 2000, 47: Jetzt reicht es mir! Halten Sie endlich den Mund! Jetzt rede ich!; LSG Nordrhein-Westfalen, NJW 2003, 2933: Bezeichnung des Sachvortrags einer Partei als Unsinn), habe die beklagte Partei des hiesigen Rechtsstreits von ihrem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben die Äußerung des Vorsitzenden Richters am Landgericht nicht dahin verstehen können, daß dieser ihr gegenüber negativ eingestellt oder gar zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen nicht gewillt sei.
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