Der Bundesgerichtshof befand in seiner Entscheidung vom 26.10.2011 (XII ZB 247/11), daß zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) nur das mildeste Mittel gewählt werden dürfe. Vor Entziehung des – gesamten – Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung sei eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon könne nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit abgesehen werden.

Auch bei Wahl des mildesten Mittels habe ein Eingriff in das Sorgerecht (hier: Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Zweck der Heimunterbringung) zu unterbleiben, wenn dieser mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergehe und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führe (im Anschluß an Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 – IVb ZB 73/83).

In dem Verfahren wandte sich die Kindesmutter gegen die teilweise Entziehung des Sorgerechts für ihre im Mai 2000 geborene Tochter.

Die nicht miteinander verheirateten Eltern, die zunächst mit dem Kind zusammengelebt hatten, hatten sich im April 2009 getrennt. Das Kind war im Haushalt der Mutter geblieben, der die alleinige elterliche Sorge zustand. Das Kind wurde während der Woche von der Großmutter mütterlicherseits betreut, zu der es eine enge Beziehung hatte. Die Wochenenden verbrachte es bei der Mutter.

Der Vater versuchte nach der Trennung wiederholt, Umgang mit dem Kind zu erhalten. Auf seinen Antrag wurde ein Umgangsverfahren vor dem Familiengericht durchgeführt. Trotz einer von den Eltern getroffenen vorläufigen Vereinbarung, eines später gegen die Mutter verhängten Ordnungsgeldes sowie einer anschließenden gerichtlichen Umgangsregelung kamen Umgangskontakte nicht zustande. Das Scheitern lag im wesentlichen in der ablehnenden Haltung der Mutter begründet, die dem Kind wegen seines Wunsches nach Kontakt mit dem Vater unter anderem massive Vorhaltungen gemacht hatte und auch einen begleiteten Umgang im Jugendamt ablehnte. Weitere Vermittlungs-bemühungen und -vorschläge blieben ohne Erfolg.

Entsprechend vorherigen Androhungen hatte das Amtsgericht im Juni 2010 das vorliegende Verfahren zur Entziehung der elterlichen Sorge eingeleitet. Es hatte zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Das Amtsgericht hatte sodann die Verfahrensbeteiligten und die Sachverständige angehört. Eine Anhörung des Kindes im abschließenden Anhörungstermin war daran gescheitert, daß die anwesende Großmutter dem Amtsrichter den Zugang zum Kind unmöglich gemacht hatte. Mit Beschluß vom Tag der Anhörung hatte das Amtsgericht der Mutter die elterliche Sorge in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Recht zur Antragstellung auf Sozialleistungen entzogen und diese dem Jugendamt als Pfleger übertragen. Das Kind befand sich seit der Entscheidung in einem Heim der Jugendhilfe.

Das Oberlandesgericht hatte die von der Mutter gegen den Beschluß des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Es hatte im Ausspruch seines Beschwerdebeschlusses die Rechtsbeschwerde insoweit zugelassen, als es um die Rechtsfrage ging, ob in einem Sorgerechtsverfahren, bei dem für das betroffene Kind bereits ein Verfahrensbeistand zur Wahrnehmung seiner Rechte bestellt worden war, noch ein Ergänzungspfleger für das Verfahren zu bestellen sei.

Der Bundesgerichtshof bestätigte zunächst, daß das Verhalten der Kindesmutter (Herabsetzung des Vaters gegenüber dem Kind sowie Manipulation des Kindes zur gezielten Unterbindung von Umgangskontakten) zu einem Loyalitätskonflikt bei dem Kind geführt habe und insoweit zu Recht von einer Kindeswohlgefährdung auszugehen sei. Damit habe das Gericht Veranlassung zu einem Eingriff nach § 1666 BGB gehabt.

§ 1666 BGB setze aber zudem voraus, daß die vom Familiengericht zu treffenden Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr erforderlich seien.

Vor einer – teilweisen – Entziehung des Sorgerechts hätte das Familiengericht prüfen müssen, ob mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, der Gefährdung entgegenzuwirken.

Vorliegend komme als milderes Mittel die Einrichtung einer Umgangspflegschaft gem. § 1684 Abs. 3 Ziff. 3 – 6 BGB in Betracht. Die Umgangspflegschaft umfasse das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Von ihrer Anordnung könne nur dann abgesehen werden, wenn sie offensichtlich keinen Erfolg verspräche. Dieses mögliche mildere Mittel hätten die Instanzgerichte nicht erwogen. Aus diesem Grund sei die Teilentziehung der elterlichen Sorge nicht erforderlich gewesen und damit nicht mehr von § 1666 BGB gedeckt.

Zudem wies der Bundesgerichtshof darauf hin, daß die konkrete vom Gericht gewählte Maßnahme auch geeignet sein müsse, die Gefahr für das Kindeswohl zu beseitigen. Hieran fehle es aber, wenn mit der Maßnahme anderweitige Beeinträchtigungen des Kindeswohls verbunden seien. Dies sei die Herausnahme des Kindes aus dem mütterlichen Haushalt und die anschließende Heimunterbringung. Dies führe insgesamt zu keiner Verbesserung des Kindeswohls.