Das Bundesverfassungsgericht befand in seinem Beschluß vom 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09). daß es das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG verletze, daß er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.

§ 1626a Absatz 1 Nummer 1 und § 1672 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz) vom 16. Dezember 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 2942) seien mit Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar.

Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung sei § 1626a des Bürgerlichen Gesetzbuches mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten sei, daß dies dem Kindeswohl entspreche.

Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung sei § 1672 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge überträgt, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht komme und zu erwarten sei, daß dies dem Kindeswohl am besten entspreche.

Zum Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer war der Vater eines 1998 nichtehelich geborenen Sohnes. Die Eltern lebten lediglich einige Wochen zusammen und trennten sich noch während der Schwangerschaft der Mutter. Der gemeinsame Sohn lebte seit seiner Geburt im Haushalt der Mutter. Nachdem der Beschwerdeführer die Vaterschaft angezweifelt hatte, wurde diese in einem Verfahren vor dem Familiengericht durch Sachverständigengutachten festgestellt. Daraufhin erkannte der Beschwerdeführer im Dezember 1998 die Vaterschaft vor dem Jugendamt an. Die Mutter stimmte dem Anerkenntnis zu. Im Januar 2001 ließ der Beschwerdeführer eine notarielle Sorgeerklärung erstellen, in welcher er erklärte, die elterliche Sorge gemeinsam mit der Mutter übernehmen zu wollen. Die Mutter verweigerte eine entsprechende Sorgeerklärung. Im November 2002 vereinbarten die Eltern vor dem Familiengericht ein Umgangsrecht, das dem Beschwerdeführer unter anderem ermöglichte, jedes zweite Wochenende unter Einschluß von Übernachtungen mit dem gemeinsamen Sohn zu verbringen. Außerdem wurden Ferien-, Feiertags- und Geburtstagsregelungen getroffen. Beide Elternteile hatten sich in den darauf folgenden Jahren an die getroffene Vereinbarung gehalten. Allerdings war das Verhältnis der Eltern seit der Geburt des Kindes von Auseinandersetzungen und gegenseitigem Mißtrauen geprägt.

Nachdem der Beschwerdeführer Anfang 2008 erfahren hatte, daß die Mutter beabsichtige, in den Sommerferien 2008 mit dem Kind innerhalb Deutschlands umzuziehen, beantragte er beim Familiengericht die teilweise Entziehung des Sorgerechts der Mutter und die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn selbst; darüber hinaus stellte er hilfsweise den Antrag, ihm das alleinige Sorgerecht für seinen Sohn zu übertragen oder zur Begründung einer gemeinsamen Sorge die Zustimmung der Mutter zu seiner Sorgeerklärung zu ersetzen.

Nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten wies das Familiengericht die Anträge des Beschwerdeführers mit Beschluß vom 30. Juni 2008 zurück. Gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter könne der Beschwerdeführer wegen § 1626a Abs. 1 BGB das alleinige Sorgerecht oder Teile davon nicht erlangen. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder des hilfsweise beantragten Sorgerechts auf den Beschwerdeführer komme auch nicht nach § 1672 Abs. 1 BGB in Betracht. § 1672 Abs. 1 BGB setze zwingend die Zustimmung der Mutter zur Begründung der alleinigen elterlichen Sorge voraus. Gründe für eine Entziehung der Sorge der Mutter nach § 1666 BGB lägen nicht vor. Allein der seit Beginn des Verfahrens bestehende und mit einer teilweisen Ablehnung der Mutter verbundene ausdrückliche Wunsch des Sohnes, beim Vater leben zu wollen, könne einen Eingriff nach § 1666 BGB nicht rechtfertigen. Die dagegen eingelegte Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluß vom 20. November 2008 als unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt sei. Eine unmittelbare Betroffenheit des nicht sorgeberechtigten Beschwerdeführers in seinen Rechten könne erst bejaht werden, wenn die elterliche Sorge der Mutter gemäß den §§ 1666, 1666a, 1680 BGB entzogen worden sei, da sich erst dann die Frage stelle, ob die Sorge auf den Beschwerdeführer zu übertragen sei. Die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung erhobene Anhörungsrüge wies das Familiengericht mit Beschluß vom 8. Januar 2009 zurück, da dem Beschwerdeführer umfänglich rechtliches Gehör gewährt worden sei.

Hiergegen richtete sich die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde, mit der er eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 1, Art. 6, Art. 8 und Art. 14 EMRK geltend machte. Er hielt die den Entscheidungen zugrundeliegenden Normen für verfassungswidrig, soweit diese die Begründung der gemeinsamen oder alleinigen Sorge für den Vater eines nichtehelich geborenen Kindes von der Zustimmung der Mutter oder einem Sorgerechtsentzug der Mutter abhängig machten. Verfassungsrechtlich geboten sei vielmehr der automatische Eintritt der gemeinsamen elterlichen Sorge ab Feststehen der Vaterschaft. Zumindest müsse eine gerichtliche Überprüfung der von der Mutter verweigerten Zustimmungserklärung im Einzelfall und die Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge oder die Übertragung der alleinigen Sorge auf den Vater unterhalb der Schwelle des § 1666 BGB möglich sein. In seinem Fall sei aufgrund der hohen Schwelle des § 1666 BGB der Kindeswille unbeachtet geblieben; eine Überprüfung, ob der Beschwerdeführer zur Ausübung der elterlichen Sorge geeignet sei und die Übertragung der elterlichen Sorge oder von Teilen der elterlichen Sorge auf ihn dem Kindeswohl diene, habe nicht stattgefunden. Wäre das Kind ehelich, hätte dem Beschwerdeführer das alleinige Sorgerecht bei bestehender Alleinsorge der Mutter gemäß § 1696 BGB und nach § 1671 Abs. 2 BGB bei bestehendem gemeinsamen Sorgerecht übertragen werden können. Zu Unrecht habe das Oberlandesgericht seine Beschwerdebefugnis verneint.

Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde statt und führte aus, daß es es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, daß der Gesetzgeber das elterliche Sorgerecht für ein nichteheliches Kind zunächst allein seiner Mutter übertragen habe (vgl. BVerfGE 107, 150 <169>). Ebenfalls stehe mit der Verfassung in Einklang, daß dem Vater eines nichtehelichen Kindes nicht zugleich mit der wirksamen Anerkennung seiner Vaterschaft gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht eingeräumt sei. Eine solche Regelung wäre zwar möglich, sie sei aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

Der Gesetzgeber greife jedoch dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes ein, daß er den Vater generell von der Sorgetragung für sein Kind ausschließe, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder zu dessen Alleinsorge für das Kind verweigere, ohne daß ihm die Möglichkeit eingeräumt sei, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder ihm, auch in Abwägung seines Elternrechts mit dem der Mutter, die alleinige Sorge für das Kind zu übertragen sei. Die dem geltenden Recht zugrundeliegende Annahme des Gesetzgebers, daß die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiere und von Gründen getragen sei, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienten, habe sich nicht bestätigt.

Die SPD-Bundestagsfraktion legte im Februar 2012 nune einen Antrag zur Neuregelung der elterlichen Sorge bei nicht verheirateten Paaren vor, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2010 vorzulegen.

Es werden die sog. Antragslösung und die Widerspruchslösung erwogen. Bei der Antragslösung kommt die Sorge zunächst allein der Mutter zu und kann, wenn die Eltern sich nicht auf eine gemeinsame Sorge einigen, auf Antrag des Vaters vom Familiengericht auf beide Elternteile gemeinsam übertragen werden. Die Widerspruchslösung sieht die gemeinsame Sorge beider Elternteile vor, die auf Antrag der Mutter vom Familiengericht in die Alleinsorge der Mutter abgeändert werden kann.