Das Finanzgericht Düsseldorf hat ein Wohnen am Beschäftigungsort angenommen und Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung zum Abzug zugelassen, obwohl die Zweitwohnung der Klägerin 144 km von ihrer Arbeitsstätte entfernt lag und die Fahrt von der Zweitwohnung zur Arbeitsstätte mit dem ICE eine Stunde dauerte (Urteil vom 11 K 4448/10 ; PM).
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch davon auszugehen, daß die Klägerin im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG am Beschäftigungsort wohne.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfe sich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Beschäftigungsort“ nicht allein am Gesetzeswortlaut orientieren, der Begriff sei vielmehr weit auszulegen. Demnach werde als Beschäftigungsort nicht nur die politische Gemeinde der Arbeitsstätte angesehen, sondern auch deren Umgebung, d.h. das Einzugsgebiet der politischen Gemeinde (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1981 VI R 227/80, BFHE 135, 57, BStBl II 1982, 302; vom 9. November 1971 VI R 96/70, BFHE 103, 506, BStBl II 1972, 134; Urteil des FG des Saarlandes vom 25. Juni 1993 1 K 189/92, EFG 1994, 201; Urteil des FG Münster vom 19. Oktober 1999 13 K 2468/94).
Andererseits könne aus der weiten Entfernung zwischen der Zweitwohnung und dem Beschäftigungsort (im entschiedenen Fall: 62 km) zu folgern sein, daß sich die Zweitwohnung auch bei großzügiger Auslegung des Begriffs „am Beschäftigungsort“ nicht mehr in dessen Nähe befinde (BFH-Beschluss vom 2. Oktober 2008 VI B 33/08).
In Anwendung dieser Grundsätze wohne die Klägerin am Beschäftigungsort. Zwar liege die Zweitwohnung in B-Stadt weder in der politischen Gemeinde ihrer Arbeitsstätte (A-Stadt) noch in deren Einzugsgebiet im engeren Sinne. Davon könne im Fall zweier Großstädte wie B-Stadt und A-Stadt, die ca. 100 km Luftlinie voneinander entfernt lägen, nicht mehr ausgegangen werden. Die Entfernung zwischen der Eigentumswohnung der Klägerin und ihrer Arbeitsstätte betrage gar 141 km. Indes werde unter „Einzugsgebiet“ der politischen Gemeinde der Arbeitsstätte der Bezirk verstanden, von dem aus Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren würden (vgl. Urteil des FG des Saarlandes vom 25. Juni 1993 1 K 189/92, EFG 1994, 201). Die Wohnung müsse sich so weit im Einzugsbereich der Arbeitsstätte befinden, daß ein tägliches Aufsuchen möglich sei.
Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Unter den Begriff des Einzugsgebiets könnten nach Ansicht des erkennenden Senats nicht nur die Vororte einer Großstadt fallen, sondern auch im Umland liegende andere Großstädte. Mit den Klägern sei davon auszugehen, daß es im Zeitalter steigender Mobilitätsanforderungen nicht auf die bloße Entfernung zwischen Zweitwohnung und Arbeitsstätte ankommen könne. Es sei durchaus üblich, daß Arbeitnehmer größere Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Kauf nehmen würden, wenn die Arbeitsstätte verkehrsgünstig zu erreichen sei. Die einfache Fahrt von B-Stadt Hbf. nach A-Stadt Hbf. dauere mit dem ICE eine Stunde. Ein derartiger Zeitaufwand liege nach Auffassung des Senats durchaus noch im Bereich des Üblichen. Dies gelte selbst dann, wenn die Klägerin worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung hingewiesen habe für den Weg „von Tür zu Tür“ länger brauche. In Abwägung der Gesamtumstände des Streitfalles befinde sich die Wohnung der Klägerin in B-Stadt damit noch im Einzugsgebiet (im weiteren Sinne) von A-Stadt.
Für dieses Ergebnis spreche, daß eine doppelte Haushaltsführung auch dann anzunehmen sein könne, wenn die Hauptwohnung und die Arbeitsstätte innerhalb einer politischen Großstadtgemeinde liegen würden, soweit ein tägliches Fahren nicht zumutbar erscheine (Urteil des FG Berlin vom 29. Juli 1985 VIII 221/4, EFG 1986, 286). Vor diesem Hintergrund müsse auch dann von einer doppelten Haushaltsführung ausgegangen werden, wenn sich die Hauptwohnung, die Zweitwohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Gemeinden befänden, ein tägliches Fahren zwischen der Zweitwohnung und der Arbeitsstätte aber zumutbar erscheine. Allein die Tatsache, daß die Zweitwohnung und die Arbeitsstätte in verschiedenen Großstadtgemeinden liegen würden, stehe der Annahme einer doppelten Haushaltsführung nicht entgegen.
Im Streitfall komme hinzu, daß der Arbeitgeber der Klägerin seinen Firmensitz zunächst in B-Stadt gehabt hätte und erst später nach A-Stadt verlegt habe. Diese Sitzverlegung könne in steuerlicher Hinsicht nicht dergestalt zum Nachteil der Klägerin gereichen, daß die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung als nicht mehr erfüllt angesehen würden.
Aus der Sicht der Klägerin habe sich an der beruflichen Veranlassung der Zweitwohnsitznahme in B-Stadt nichts geändert. Lediglich ihr Arbeitgeber habe seinen Firmensitz „wegverlegt“.
Der Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung stehe der BFH-Beschluss vom 2. Oktober 2008 (VI B 33/08) entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen. Darin hat der BFH zwar unbeanstandet gelassen, daß die Vorinstanz aus den Gesamtumständen des Streitfalles, insbesondere aus der weiten Entfernung zwischen der Zweitwohnung und dem Beschäftigungsort (62 km), gefolgert habe, daß auch bei großzügiger Auslegung des Begriffs „am Beschäftigungsort“ nicht mehr von der erforderlichen Nähe zwischen Zweitwohnung und Beschäftigungsort ausgegangen werden könne. Hieran werde aber zugleich deutlich, daß die Entfernung nur einer von mehreren Gesamtumständen sei, die Rückschlüsse darauf zulassen würden, ob der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort wohne.
Im Streitfall sprächen die Gesamtumstände für ein Wohnen der Klägerin am Beschäftigungsort im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG.
Des Weiteren habe die Klägerin die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass begründet. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig.
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