Der Bundesgerichtshofs hob in seinem Urteil vom 22.12.2011 (2 StR 509/10; PM) auf die Revisionen der drei Angeklagten das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. Dezember 2009 auf, durch welches diese jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitstrafe verurteilt worden waren (vgl. Pressemitteilung Nr. 176/2011).
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte einer der Angeklagten seine Ehefrau getötet, nachdem diese sich von ihm getrennt hatte. Er hatte damit verhindern wollen, daß die Geschädigte das gemeinsame Kind mitnehmen würde, das nach dem Willen des Angeklagten im Haushalt seiner mitangeklagten Schwester und deren ebenfalls mitangeklagten Ehemanns aufwachsen sollte. Die beiden Mitangeklagten waren an der Tat zumindest im Vorbereitungsstadium maßgeblich beteiligt; sie handelten, um den Wunsch zu verwirklichen, das Kind der Getöteten selbst aufzunehmen und großzuziehen. Konkrete Feststellungen zur Art der Tötung und zu konkreten Tatbeiträgen konnte das Landgericht nicht treffen, zumal die Leiche des Tatopfers nicht aufzufinden war.
Als eines unter mehreren für die Tatbegehung selbst sowie für die Täterschaft der Angeklagten sprechendes Indiz hatte das Landgericht Bemerkungen des Ehemanns der Getöteten gewertet, die dieser bei Selbstgesprächen in seinem PKW gemacht hatte. Das Kraftfahrzeug war auf richterliche Anordnung mit technischen Mitteln abgehört worden. Dabei wurden sowohl Gespräche von zwei der Angeklagten bei gemeinsamen Fahrten als auch bruchstückhaft Selbstgespräche des angeklagten Ehemanns der Getöteten aufgezeichnet. Auf beides stützte das Landgericht die Verurteilung der drei Angeklagten.
Der Bundesgerichtshofs entschied, daß die Selbstgespräche im konkreten Fall nicht hätten zur Überführung der Angeklagten im Strafprozess hätten verwendet werden dürfen. Insoweit habe ein Beweisverwertungsverbot bestanden, das sich unmittelbar aus der Verfassung ergäbe. Denn mit der heimlichen Aufzeichnung und Verwertung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs sei ein Eingriff in den nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit verbunden gewesen.
Maßgeblich für diese Bewertung des Senats war eine Abwägung und Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände des konkreten Falles. Denn nicht jedes Selbstgespräch einer Person sei ohne weiteres dem vor staatlichen Eingriffen absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeit zuzuordnen. Andererseits müsse nach den Grundätzen des Schutzes der Menschenwürde und der Freiheit der Person ein Kernbereich privater Lebensgestaltung und Lebensäußerung verbleiben, in welchen der Staat auch zur Aufklärung schwerer Straftaten nicht eingreifen dürfe.
Der Grundsatz, daß „die Gedanken frei“ und dem staatlichen Zugriff nicht zugänglich seien, beschränke sich nicht allein auf innere Denkvorgänge , sondern erfasse auch ein in unbewußten oder bewußten, unwillkürlich oder willkürlich geführten Selbstgesprächen formuliertes Aussprechen von Gedanken, bei welchem sich die Person als „allein mit sich selbst“ empfinde.
Wichtige Kriterien für die Entscheidung, ob Äußerungen in Selbstgesprächen diesem innersten, unantastbaren Bereich der Persönlichkeit zuzuordnen seien, seien namentlich die Eindimensionalität der Selbstkommunikation, also die Äußerung ohne kommunikativen Bezug; die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation und das Maß des berechtigten Vertrauens der Person darauf, an dem jeweiligen Ort vor staatlicher Überwachung geschützt zu sein; die mögliche Unbewußtheit der verbalen Äußerung; die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken, die Äußerungsform als bruchstückhafter, auslegungsfähiger oder bedürftiger Ausschnitt eines „Gedankenflusses“.
In der Flüchtigkeit und Bruchstückhaftigkeit des in Selbstgesprächen gesprochenen Worts ohne kommunikativen Bezug liegen nach Ansicht des Senats auch rechtlich erhebliche Unterschiede etwa zu Eintragungen in Tagebüchern. Aus dem Umstand, daß eine Äußerung innerhalb des nach Art. 13 GG geschützten Bereichs der Wohnung falle, lasse sich nach der gesetzlichen Systematik zwar ein verstärkendes Indiz für die Zuordnung zum geschützten Kernbereich ableiten. Auch außerhalb der Wohnung sei dieser Kernbereich aber absolut geschützt, wenn andere der genannten Gesichtspunkte in der Wertung überwiegen würden. So läge es in dem zu entscheidenden Fall. Der gegen die Zuordnung zum Kernbereich der Persönlichkeit sprechende Sozialbezug der Äußerungen, der in ihrem möglichen oder tatsächlichen Bezug auf eine schwere Straftat lag, habe dagegen zurückzutreten.
Aus der Verletzung des von Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG geschützten Kernbereichs der Persönlichkeit ergäbe sich danach ein absolutes Verwertungsverbot für die bei den Selbstgesprächen aufgezeichneten Äußerungen. Dieses Verwertungsverbot wirke auch in Bezug auf die beiden Mitangeklagten. Die Sache müsse demnach erneut vor dem Landgericht Köln verhandelt werden.
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