Mit Urteil vom 20. Dezember 2011 (1 K 4150/08 E) nahm der 1. Senat des Finanzgerichts Münster zur Frage der Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Stellung.

Die Kläger, im Streitjahr 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, heirateten am 01.12.2006. In der Zeit von Januar 2006 bis zur Heirat bestand eine nichteheliche Lebensgemeinschaft der Kläger. Die Klägerin wohnte am Wochenende und im Urlaub seit Jahreswechsel 2004/2005 in der Wohnung des Klägers in A,. Melderechtlich verlegte sie ihren Wohnsitz allerdings erst zum 1.12.2006 nach A in diese Wohnung. Ein Nebenwohnsitz der Klägerin war dort vorher nicht angemeldet worden.

In der Woche wohnte die Klägerin seit dem Jahreswechsel 2004/2005 in R. Die Wohnfläche der dort von der Klägerin angemieteten Wohnung betrug 59 qm, die monatliche Miete 490 Euro. Die Entfernung zwischen der Wohnung in A und der Wohnung am Beschäftigungsort der Klägerin betrug 91 km. Die Klägerin war seit dem 12.8.1975 in R beschäftigt.

Die Kläger machten in der am 28.9.2007 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin 52 Familienheimfahrten sowie die Kosten für die Unterkunft am Arbeitsort in Höhe der Jahresmiete von 5.880 Euro geltend. Der Beklagte berücksichtigte allerdings lediglich die anteiligen Aufwendungen für den Monat Dezember 2006. Da somit die Werbungskosten der Klägerin den Arbeitnehmerpauschbetrag nicht überstiegen, wurde stattdessen dieser im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin berücksichtigt. Die Einkommensteuer für 2006 wurde durch Bescheid vom 12.3.2008 festgesetzt.

Am 15.4.2008 legten die Kläger Einspruch gegen diesen Einkommensteuerbescheid ein. Dieses Schreiben war von den Klägern nicht unterschrieben worden. Am gleichen Tag legte auch der im Veranlagungsverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt und Steuerberater M Einspruch für die Kläger ein. Mit Schreiben vom 8.5.2008 teilte der Kläger einer Mitarbeiterin des Beklagten allerdings mit, daß Herr M nicht mehr für sie tätig sei. Die Vertretung übernehme nun der Klägervertreter. In diesem Schreiben heißt es weiter:

„Sehen Sie den Einspruch und alle weiteren Schreiben von Herrn M als nicht geschrieben an“.

Mit Schreiben vom 27.6.2008 reichte die Klägerseite eine Bescheinigung von Nachbarn der Kläger, datiert vom 24.6.2008, ein, worin diese bestätigen, daß die Klägerin seit dem Jahreswechsel 2004/2005 regelmäßig von freitags bis sonntags in der Wohnung des Klägers in A gewesen sei und man beim Umzug in die Wohnung in A wie die neue Wohnung in R geholfen habe. Dieser Sachverhalt wurde im Schreiben vom 29.7.2008 von Beklagtenseite ausdrücklich als unstreitig angesehen.

Ein Nachweis der Tragung von Kosten für die Wohnung in A durch die Klägerin im Streitjahr konnte von Klägerseite im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt werden.

Der Beklagte wies deshalb den Einspruch durch Entscheidung vom 8.10.2008 als unbegründet ab.

Die Kläger legten am 6.11.2008 Klage ein. Sie behaupten die Lebenshaltungskosten im Streitjahr gemeinsam getragen zu haben und verweisen auf die im Klageverfahren eingereichten Unterlagen sowie die dort gemachten Markierungen.

Aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung, die auch den Fall des privaten Wegzugs vom Haupthausstand nicht mehr als Hindernis für die Begründung einer doppelten Haushaltsführung ansehe, reiche es aus, so die Klägerseite, wenn sich der Lebensmittelpunkt am neuen Hausstand, hier in A, befinde. Dies sei durch die Bescheinigungen von Nachbarn ausreichend nachgewiesen worden. Eine maßgebliche finanzielle Beteiligung am Hausstand des anderen Lebenspartners sei aufgrund der geänderten Rechtsprechung nicht mehr nötig.

Somit seien neben den bereits im Änderungsbescheid vom 9.6.2009 berücksichtigten Aufwendungen auch die Mieten für die Wohnung der Klägerin in R in den Monaten vor der Heirat zu berücksichtigen.

Das Gericht gab der Klage statt und ließ die Revision zum Bundesfinanzhof zu.

Der Lebensmittelpunkt der Klägerin habe am Ort der Wohnung des Klägers gelegen, da sie dort einen eigenen Hausstand unterhalten habe. Eine finanzielle Beteiligung an den Kosten des Haushalts und eine Meldung als Erstwohnsitz seien dafür nicht zwingend erforderlich. Die Gesamtumstände – insbesondere die spätere Eheschließung – sprächen für eine Verlagerung des Lebensmittelpunkts.

Für einen eigenen Hausstand der Klägerin in der dem Kläger gehörenden Wohnung in der Zeit vor der Eheschließung spreche zum einen der unstreitig vorliegende Umzug der Klägerin zum Jahreswechsel 2004/2005 und der anschließende Aufenthalt an den Wochenenden und im Urlaub der Klägerin dort. Weiter spreche für diesen eigenen Hausstand in A auch der Umzug in R in eine kleinere Wohnung durch die Klägerin. Hierdurch werde deutlich, daß sie ihren Lebensmittelpunkt nach A in die Wohnung des Klägers verlagert habe und nur aus beruflichen Gründen eine kleinere – und angesichts der Quadratmeterzahl von 59 qm auch angemessene – Wohnung während der Woche unterhalten habe. Die Anzahl der zwischenzeitlich auch von der Beklagtenseite eingeräumten Fahrten nach A – nach dem Erörterungstermin mit der zunächst zuständigen Berichterstatterin des FG Münster seien fast wöchentliche Fahrten angenommen worden – spreche nach Überzeugung des Senats ebenfalls dafür, daß zumindest im Streitzeitraum 2006 der Lebensmittelpunkt der Klägerin in A bei ihrem Lebenspartner sei. Diese Lebenspartnerschaft, die im Streitjahr sogar in der Eheschließung gemündet habe, unterstreiche für sich schließlich das Vorliegen des Lebensmittelpunkts in A.

Der Senat gehe aufgrund des bisher Gesagten auch davon aus, daß die Klägerin vor ihrer Eheschließung, insbesondere aber auch im Streitjahr, nicht mehr als Gast in den Haushalt des Klägers eingegliedert gewesen sei, sondern diesen Haushalt als den ihren betrachtet habe und dies auch nach außen erkennbar sei. Die melderechtliche Ummeldung erst mit der Eheschließung beweise nicht das Gegenteil, sei dies doch in der Regel für rechtliche Laien wie die Kläger allein ein formeller Akt, der sich an die Eheschließung anschließen müsse.

Unschädlich sei im vorliegenden Fall, daß der Senat eine finanzielle Beteiligung der Klägerin an den Kosten des Haushalts nicht feststellen könne. Die im Klageverfahren eingereichten Belege zeigten nur sehr vereinzelt Aufwendungen für einen Haushalt, die in A oder der Nähe getätigt worden seien. So liege am 3.4.2006 ein Einkauf im Penny-Markt in der benachbarten Stadt S in Höhe von 20,21 € vor. Unklar bleibe, bei welchen Lidl-Märkten die Einkäufe am 2.5.2006 und am 12.6.2006 erfolgt seien. Andere von der Klägerseite markierte Buchungen beträfen nicht erkennbar die Haushaltsführung. Vielmehr handele es sich um Geldautomatenabbuchungen, Abbuchungen von Tankstellen oder – vereinzelt – um Käufe in Geschäften in A. Aus diesen Angaben eine finanzielle Beteiligung der Klägerin an den Kosten des Haushaltes des Klägers anzunehmen, sei für den Senat nicht möglich. Aufgrund der anderen Indizien, die eindeutig nach der Überzeugung des Senats für das Vorliegen des Haushaltes auch der Klägerin in A sprächen, sei diese fehlende Kostentragung durch die Klägerin aber auch unerheblich.

Die hier noch streitigen Aufwendungen, die sich aus Sicht des Senats nunmehr allein auf die noch nicht anerkannten Mietaufwendungen für die Monate Januar 2006 bis November 2006 beziehen würden, seien notwendige Mehraufwendungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG. Die Wohnung sei insbesondere hinsichtlich der Größe angemessen und überschreite nicht die nach der Rechtsprechung angenommenen 60 qm (vgl. insoweit nur BFH-Urteil vom 9.8.2007 VI R 10/06, BStBl II 2007, 820). Die Angemessenheit sei auch schon deshalb gegeben, weil der Beklagte diese Aufwendungen für den Monat Dezember 2006 im Änderungsbescheid vom 9.6.2009 berücksichtigt habe.