Für den Fall, daß ein Arbeitgeber zunächst leugne, daß die zur Zahlung eines Jubiläumsgeldes erforderliche Beschäftigungsdauer erfüllt sei, und werde später das Bestehen derselben gerichtlich festgestellt, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn er sich anschließend darauf beruft, der Anspruch auf das Jubiläumsgeld sei wegen Nichteinhaltung tariflicher Ausschlussfristen verfallen. Es wäre ein untragbares Ergebnis, wenn ein Arbeitnehmer den Anspruch auf das Jubiläumsgeld, der ohne die Anerkennung streitiger Vorbeschäftigungszeiten zu einem späteren Zeitpunkt gegeben wäre, allein wegen seines Obsiegens im Prozess bezüglich der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gänzlich verlieren würde (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.05.2011, 6 Sa 222/11).

In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf stritten die Parteien um die Zahlung eines Jubiläumsgeldes.

Das Landesarbeitsgericht befand, daß die Ausnutzung einer Rechtsstellung treuwidrig sein könne. Dies betreffe zum einen diejenigen Fälle, in denen ein Gläubiger eine Rechtsstellung unredlich erworben habe. Aber auch dann, wenn der Erwerb der Rechtsstellung an sich nicht unredlich gewesen sei, könne es im Einzelfall geboten sein, diese Position nicht auszunutzen. So sei für den Bereich formnichtiger Willenserklärungen anerkannt, daß eine Berufung auf die Formnichtigkeit dann nicht zulässig sei, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Dabei seien strenge Maßstäbe anzulegen; das Ergebnis müsse schlechthin untragbar sein (vgl. BGH v. 16.07.2004 – V ZR 222/03; BGH v. 20.12.2001 – IX ZR 401/99; BGH v. 24.04.1998 – V ZR 197/97). Es habe eine einzelfallbezogene Gesamtwürdigung zu erfolgen.

Die dahinter stehenden Überlegungen seien auf Ausschlußfristen übertragbar. Auch hier gebe es formelle Regelungen, die im Einzelfall zu Ergebnissen führen können, die bei Würdigung der gesamten Umstände mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar seien. Ein solcher Fall liege hier vor. Das Ergebnis, daß der Kläger allein deshalb kein Jubiläumsgeld erhalten solle, weil er länger bei der Beklagten beschäftigt sei, als diese ursprünglich habe anerkennen wollen, sei schlichtweg untragbar. Damit entstehe schon ein Widerspruch zu dem Zweck des Jubiläumsgeldes, durch welches die Beklagte eigentlich die Betriebstreue, also eine lange Betriebszugehörigkeit belohne. Von ausschlaggebender Bedeutung aber sei, daß das „Ob“ der Verpflichtung zur Jubiläumsgeldzahlung niemals im Streit gestanden habe, sondern lediglich das „wann“. Es widerspreche jeglichem Gerechtigkeitsempfinden, wenn die Beklagte aus ihrem Unterliegen bezüglich des Rechtsstreits über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses nunmehr den Vorteil ziehen solle, zur Zahlung des Jubiläumsgeldes gar nicht mehr verpflichtet zu sein. Wäre von vornherein unstreitig gewesen, daß der Kläger seit dem 02.04.1984 Arbeitnehmer der Beklagten gewesen sei, hätte sie ihm im April oder jedenfalls im Mai 2009 in gleicher Weise das Jubiläumsgeld gezahlt, wie sie dies bei allen anderen Arbeitnehmern gehandhabt hätte, die seit 25 Jahren bei ihr beschäftigt seien. Wäre keine Anerkennung der Vorbeschäftigungszeiten erfolgt, so würde dem Kläger das Jubiläumsgeld im Oktober 2012 zustehen. Der Kläger habe aber nicht damit rechnen müssen, daß trotz der unstreitigen Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 MTV S. überhaupt keine Zahlung habe erfolgen sollen.

Die Beklagte sei zudem in keiner Weise schutzwürdig. Eine Berufung auf die Ausschlußfristen widerspreche dem bereits dargelegten Sinn und Zweck derselben: Da die Beklagte wußte, zur Zahlung von Jubiläumsgeld verpflichtet zu sein, habe für sie keine Rechtsunsicherheit entstehen können.

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