Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte in seiner Entscheidung vom 19.04.2011 (16 Sa 1570/10), daß bei einer von den Pareien getroffenen  Nettolohnvereinbarung, der Arbeitgeber grundsätzlich auch dann zur Zahlung des vereinbarten Nettolohns verpflichtet bleibe, wenn der Arbeitnehmer die Steuerklasse wechsele (hier: Wechsel von Steuerklasse I zu Steuerklasse V) (entgegen: BAG v. 06.07.1970 – Az.: 5 AZR 523/69 -). Etwas anderes ergebe sich dann, wenn der Steuerklassenwechsel rechtsmißbräuchlich erfolgt sei. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme in diesen Fällen regelmäßig nicht in Betracht. Ohne ausdrückliche Vereinbarung der Parteien könne nicht davon ausgegangen werden, daß sich der vereinbarte Nettobetrag auf die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Steuerklasse des Arbeitnehmers beziehen solle.

Zwar hätten die Parteien nicht ausdrücklich geregelt, ob und wie sich die Höhe des Nettolohns bei einem Wechsel der Steuerklasse ändern solle. Dies sei jedoch auch nicht erforderlich gewesen. Durch die Vereinbarung eines „Nettolohns“ hätten die Parteien eine Regelung getroffen, nach der der Arbeitgeber sämtliche Steuern- und Sozialversicherungsbeiträge zu tragen habe. Die gesetzlichen Abgaben und Beiträge häten dabei – grundsätzlich unabhängig von ihrer Höhe – nicht zu Lasten des Arbeitnehmers, sondern insgesamt zu Lasten des Arbeitgebers gehen sollen. Würden sich später die Grundlagen der Lohnsteuer ändern, so wirke sich dies auf die Höhe des dem Arbeitnehmer zufließenden Zahlbetrages nicht aus

Der Wechsel der Steuerklasse der Klägerin habe auch nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage geführt.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, insbesondere dafür, daß dem Vertragsschluss bestimmte beiderseitige Vorstellungen zugrunde gelegen hätten, sei derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufe.

Hiernach liege kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Es sei nicht erkennbar, daß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beide Parteien die gemeinsame Vorstellung gehabt hätten, daß die Klägerin dauerhaft die Lohnsteuerklasse I beibehalten würde. Tatsachen dafür habe die Beklagte nicht vorgetragen. Selbst wenn sich ihre Vorstellung auf einen dauerhaften Verbleib der Klägerin in der Lohnsteuerklasse I bezogen haben sollte, lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß es auch den Vorstellungen der Klägerin entsprochen habe, mögliche, sich ggf. in der Zukunft ergebende steuerrechtliche Wahlmöglichkeiten nicht zu nutzen bzw. bei einem Lohnsteuerklassenwechsel eine Reduzierung des Nettolohns hinzunehmen.

Zudem könne auch nicht festgestellt werden, daß der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden könne. Denn durch den Steuerklassenwechsel habe sich für die Beklagte – worauf auch das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen habe – lediglich ihr vertraglich übernommenes Risiko verwirklicht.

Ferner hätten zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels im Jahr 2005 nachvollziehbare Gründe für die Wahl der Steuerklassenkombination III/V bestanden. Die Klägerin habe sich zum damaligen Zeitpunkt in Elternzeit befunden und kein Arbeitseinkommen erzielt. Es habe daher Sinn emacht, durch die gewählte Steuerklassenkombination den Nettoverdienst des Ehemannes zu erhöhen, um so insgesamt ein höheres monatliches Nettoeinkommen zu erzielen.

Die Klägerin sei auch nach dem Ende der Elternzeit nicht verpflichtet gewesen, umgehend eine Änderung der Steuerklassenkombination herbeizuführen. Dabei bedürfe es keiner Entscheidung, ob dies ggf. bei einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses erforderlich gewesen wäre. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.01.2009 zum 28.02.2009 gekündigt hatte, sei es nicht treuwidrig gewesen, daß die Klägerin im Hinblick auf das nur noch kurz andauernde Arbeitsverhältnis nicht umgehend einen Wechsel der Steuerklasse herbeigeführt habe, denn es sei völlig offen gewesen, ob nicht die Steuerklassenkombination III/V für sie ab dem 01.03.2009 wieder vorteilhafter gewesen wäre. Dies gelte auch dann, wenn die Steuerklassenkombination III/V auf das Jahr 2009 gesehen tatsächlich zu einer Erhöhung des Familiennettoeinkommens geführt haben sollte. Diese sich aus der legitimen Wahl der Steuerklassenkombination ergebende Folge bedeute nicht, daß der Klägerin in irgendeiner Weise der Vorwurf der Treuwidrigkeit gemacht werden könnte.