In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Herne (2 Ca 4067/04) stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen, verhaltensbedingten Kündigung. Das Gericht stellte durch Urteil vom 10.03.2005 fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 08.11.2004 weder fristlos noch fristgerecht geendet habe.

Der am 1963 geborene, verheiratete und einer Tochter zum Unterhalt verpflichtete Kläger stand seit dem 01.11.1997 als Haustechniker bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Bei 20 Stunden pro Woche erzielte er zuletzt ein Bruttogehalt in Höhe von 1.225,70 € brutto. Die Beklagte beschäftigt zwischen 120 – 150 Arbeitnehmer.

Am 06.11.2004 betrat der Kläger zu Kontrollzwecken das Restaurant der Beklagten und sah dort den Geschäftsführer der Beklagten sowie dessen Freundin mit dem ehemaligen Schalker Bundesligaprofispieler am Tisch sitzen. Nachdem er Blickkontakt mit dem Fußballer aufgenommen hatte, sprach der Kläger ihn an. Nach seiner Behauptung fragte er ihn: „Mit so einer BVB-Zecke sitzen Sie hier am Tisch?“ Nach der Behauptung der Beklagten hatte der Kläger gesagt: „Mit so einer Zecke sitzen Sie hier am Tisch?“

Mit Schreiben vom 08.11.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2004.

Hiergegen richtete sich die bei Gericht am 23.11.2004 eingegangene Kündigungsschutzklage.

Der Kläger vertrat die Auffassung, weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung seien wirksam. Seine Äußerung sei lediglich scherzhaft gemeint gewesen, deswegen sei auch am Tisch des Geschäftsführers gelacht worden. Da das Restaurant fast leer gewesen sei, hätten Unbeteiligte die Äußerung gar nicht mithören können. Er sei sich darüber bewußt, daß sein Verhalten zu beanstanden sei, jedoch die Kündigung über das Ziel hinausschieße, da es Abmahnungen nicht gebe.

Die Beklagte war hingegen der Auffassung, sie habe das Arbeitsverhältnis zu Recht fristlos jedenfalls hilfsweise fristgerecht gekündigt. Das Treffen am 06.11.2004 habe einer Geschäftsanbahnung gedient. Im Restaurant seien drei weitere Angestellte sowie sechs bis sieben Hotelgäste anwesend gewesen. Alle Beteiligten am Tisch sowie sämtliche Hotelgäste seien schockiert über das Verhalten des Klägers gewesen. Die Umgangssprache des Gelsenkirchener Hauptbahnhofes werde vom Klientel der Beklagten nicht als harmlose Frotzelei verstanden und dieser Sprachstil würde dort auch nicht gepflegt. Im übrigen, so behauptete die Beklagte, habe es sich nicht um den ersten Fehltritt des Klägers gehandelt. Dieser habe vor ca. vier Monaten die Freundin des Geschäftsführers der Beklagten, die ebenfalls bei der Beklagten beschäftigt sei, mit den Worten: „Du siehst aber Scheiße aus auf dem Kopf!“ beleidigt. Daraufhin habe der Geschäftsführer den Kläger abgemahnt und ihn darauf hingewiesen, daß demnächst verbale Fehltritte bzw. Entgleisungen zum fristlosen Kündigungsausspruch führen würden.

Das Arbeitsgericht Herne führte in seinen Entscheidungsgründen aus, daß gemäß § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden könne, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem anderen Teil unmöglich machten, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könnten grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuteten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen (vgl. BAG, Urt. v. 10.10.2002, 2 AZR 418/01).

Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Unabhängig davon, ob der Kläger gegenüber dem Zeugen den Geschäftsführer der Beklagten „BVB-Zecke“ oder „Zecke“ genannt habe, handele es sich um keine erhebliche Ehrverletzung, die die Beklagte berechtigt habe, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen. Denn die Äußerung des Klägers müsse im Kontext gesehen werden. Der Adressat der Äußerung war ein langjähriger Bundesligaprofi des FC Schalke 04. Demgegenüber habe der Kläger gewußt, daß der Geschäftsführer der Beklagten jedenfalls auch eine Dauerkarte für Fußballspiele des BVB Dortmund habe. Dabei müsse man weiter sehen, daß aufgrund der räumlichen Nähe der beiden Bundesliga-Spitzenclubs zwischen den Anhängern der jeweiligen Vereine eine erhebliche Rivalität bestehe. Spiele dieser beiden Mannschaften würden zum Revierderby hochstilisiert, in dem ermittelt werde, welche Mannschaft im Revier fußballerisch die Vorherrschaft einnehme. Aus Sicht der Schalker Anhängerschaft handele es sich also bei einer Zecke, bzw. BVB-Zecke nicht um den weltweit verbreiteten blutsaugenden Parasiten, sondern um Personen, die zur Fangemeinschaft des BVB gezählt würden. Die Frotzelei des Klägers sollte daher humorvoll darauf hinweisen, daß der ehemalige Schalker (der auch schon für den BVB gespielt habe) mit jemandem am Tisch sitze, den der Kläger für einen ausgewiesenen BVB-Fan halte. Dieser Kontext habe weder dem Geschäftsführer noch einem Dritten verborgen geblieben sein können. In der Bezeichnung als Zecke oder BVB-Zecke, gemeint als Bezeichnung für BVB-Fan, liege daher keine erhebliche Ehrverletzung des Geschäftsführers.

Soweit die Beklagte darauf verweise, daß der Sprachgebrauch des Gelsenkirchener Hauptbahnhofs in ihrem Fünf-Sterne-Etablissement fehl am Platze sei, reiche auch das für eine fristlose Kündigung nicht aus. Denn nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit komme der Ausspruch einer Kündigung nur dann in Betracht, wenn andere, nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen angemessenen milderen Mittel erschöpft seien. Als milderes und den Umständen nach als Reaktion noch ausreichendes Mittel sei zunächst eine Abmahnung in Erwägung zu ziehen. Dies gelte insbesondere bei Störungen im Verhaltens- und Leistungs-Bereich (vgl. BAG NZA 1994, S. 656 ff). Hier habe die Beklagte zwar behauptet, daß der Kläger schon bereits des öfteren verbal entgleist sei, habe jedoch ihren Vortrag nicht näher präzisiert.

Die Kündigung sei auch nicht als ordentliche sozial gerechtfertigt.

Auf das Arbeitsverhältnis finde das KSchG Anwendung, da der Kläger einerseits länger als sechs Monate bei der Beklagten beschäftigt sei und die Beklagte andererseits mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige (vgl. § 1 Abs. 1 KSchG u. § 23 Abs. 1 KSchG).

Die Kündigung sei auch als verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung nicht sozial gerechtfertigt.

Insofern gelten die Ausführungen zu § 626 Abs. 1 BGB entsprechend. Eine erhebliche Ehrverletzung des Geschäftsführers der Beklagten liege nicht vor. Daß der Kläger ansonsten dazu neigt, sich im Sprachgebrauch zu vergreifen, habe die Beklagte weder substantiiert dargelegt, noch eine Abmahnung unter Beweis gestellt.