Das Landesarbeitsgericht Köln befand in seinem Beschluß vom 06.12.2010 (2 TaBV 23/10), daß die ungenehmigte „Inanspruchnahme“ von Urlaub grundsätzlich eine schwere Vertragspflichtverletzung darstelle. In die Interessenabwägung sei allerdings aufzunehmen, ob der Arbeitgeber den Urlaub böswillig und diskriminierend verweigert habe, ob eine besondere Belastungssituation für den Betrieb aus dem ungeplanten Fehlen des Arbeitnehmers entstehe, welchem Zweck die Urlaubsabwesenheit gedient habe und ob der Arbeitgeber eine Mitverantwortung dafür trage, daß eine frühzeitige gerichtliche Klärung durch den Arbeitnehmer unterblieben sei.

Im einzelnen stritten die Beteiligten um die Zustimmungsersetzung hinsichtlich der beabsichtigten fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3).

Grundsätzlich sei – so das LAG Köln – die eigenmächtige Urlaubsnahme eine erhebliche, schwerwiegende Vertragspflichtverletzung. Sie lasse den Schluss darauf zu, daß der Arbeitnehmer in Konfliktfällen nicht bereit sei, betriebliche Interessen an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zu berücksichtigen, sondern daß er stattdessen eigene Freizeitwünsche an erste Stelle setzt und die eigenen Vorteile zum alleinigen Maßstab seines Handelns zu mache.

Eine ungenehmigte Urlaubsnahme rechtfertige grundsätzlich den Schluß darauf, daß eine kontinuierliche Pflichterfüllung durch den Arbeitnehmer zukünftig nicht erfolgen werde, daß dieser nicht betrieblich einplanbar sei.

Im vorliegenden Fall seien jedoch weitere Überlegungen in die Einzelabwägung mit aufzunehmen. Die Schwere der Vertragspflichtverletzung sei zu gewichten. Dabei könnten verschiedene Fallkonstellationen Berücksichtigung finden.

Zwar sei es einem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzumuten, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um einen berechtigten Urlaubswunsch durchzusetzen. Jedoch erscheine im Falle einer willkürlichen Urlaubsverweigerung oder einer diskriminierenden Ablehnung des Urlaubsantrags die eigenmächtige Urlaubsnahme nicht in gleicher Weise schwerwiegend, wie ein Urlaubsantritt, bei dem dem Arbeitnehmer erkennbar sei, daß hierdurch der Arbeitgeber in schwere betriebliche Probleme gestürzt werde.

Zunächst berücksichtigte das Gericht sodann, daß in der Vergangenheit vor dem stattgefundenen Betriebsübergang jedenfalls die Gewährung von unbezahltem Urlaub unproblematisch möglich gewesen war.

Die Aufstellung von Urlaubsgrundsätzen (keine Gewährung von unbezahltem Urlaub, kein Urlaub länger als drei Wochen) habe zudem ohnehin der Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG bedurft. Die Arbeitgeberin sei damit nicht berechtigt gewesen, einseitig von den vorher bei der Betriebsvorgängerin stillschweigend gehandhabten Urlaubsstrukturen abzuweichen. Zugunsten des Beteiligten zu 3) sei in die Abwägung auch mit aufzunehmen, daß der Mitarbeiter S jedenfalls seit Mitte Juli über den ungewöhnlichen Urlaubswunsch des Beteiligten zu 3) informiert gewesen sei und diesem gegenüber jedenfalls nicht frühzeitig mitgeteilt habe, daß unbezahlter Urlaub keinesfalls gewährt werde. Auch habe er Arbeitnehmer nicht darauf hingewiesen, daß dieser eine bestimmte Vorlaufzeit einhalten solle, um eine geänderte Personalplanung zu ermöglichen. Auch habe der Mitarbeiter S die Schichtpläne trotz des ihm angekündigten längerfristigen Urlaubsplans nicht frühzeitig darauf hin kontrolliert, ob bereits Zeiträume bekannt waren, in denen keinesfalls mit einer Urlaubsgewährung gerechnet werden konnte. Es habe damit auch im Verantwortungsbereich der Arbeitgeberin gelegen, daß der Beteiligte zu 3) eine frühzeitige Klärung der Frage, ob eine Verpflichtung zur Gewährung unbezahlten Urlaubs bestehen würde, nicht vorgenommen habe. Gleichwohl sei zu Lasten des Beteiligten zu 3) zu berücksichtigen, daß jedenfalls die letztendliche Konkretisierung der Urlaubsdaten extrem kurzfristig gewesen sei und er keinerlei Aktivitäten unternommen habe, noch gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Andererseits sei zu Lasten der Arbeitgeberin zu berücksichtigen, daß der Antrag auf unbezahlten Urlaub zumindest eine Ausübung billigen Ermessens durch die Arbeitgeberin erfordert hätte, denn da entgegenstehende Urlaubsgrundsätze nicht durch die Arbeitgeberin allein hätten festgelegt werden können und der Mitarbeiter S dem Beteiligten zu 3) eine sachgerechte Prüfung zumindest in Aussicht gestellt habe, sei der Wunsch auf unbezahlten Urlaub nur dann zu verweigern gewesen, wenn diesem anerkennenswerte betriebliche Bedürfnisse entgegengestanden hätten.

Das Landesarbeitsgericht ging sodann nach Prüfung der Schichtpläne usw. davon aus, daß es letztlich möglich gewesen sei, den Dienstplan so anzupassen, daß den betrieblichen Bedürfnissen Rechnung getragen worden wäre und das Fehlen des Klägers hätte aufgefangen werden können. Unter diesen Umständen hätte angesichts der besonderen persönlichen Situation des Beteiligten zu 3) nicht nur der reguläre Erholungsurlaub, sondern auch der unbezahlte Urlaub gewährt werden können und müssen.

Die Kammer gewichtete die Vertragspflichtverletzung des Klägers deshalb als schwerwiegend, jedoch nicht so gravierend, daß nicht eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. bis zum Ende des Betriebsratsamtes hätte abgewartet werden können.

Wie die tatsächliche Entwicklung zeige, habe es sich um eine einmalige durch die besondere persönliche Belastung des Beteiligten zu 3) hervorgerufene Situation gehandelt, in der er aufgrund der vorherigen angekündigten wohlwollenden Prüfung seines Urlaubswunsches sich persönlich benachteiligt gefühlt habe und deshalb zu dem falschen Schluß gelangt sei, er habe aufgrund der Erkrankung seiner Mutter ein Selbstbeurlaubungsrecht. Berücksichtige man dabei auch noch, daß im Mai 2008 das Pflegezeitgesetz in Kraft getreten sei, dessen konkrete Voraussetzungen zwar vorliegend nicht dargetan seien und auf das sich der Beteiligte zu 3) auch nicht berufen habe, so zeige sich hierin doch, daß auch der Gesetzgeber es für erforderlich gehalten habe, bei Konfliktlagen, in die Arbeitnehmer wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Angehörigen geraten würden, dem arbeitnehmerseitigen Wunsch nach kurzfristiger Aussetzung mit der Arbeit Rechnung zu tragen. Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung sei dabei ebenfalls keine Ankündigungsfrist erforderlich. Die Gründe des Beteiligten zu 3), mit der Arbeit auszusetzen, seien ähnlich schwerwiegend wie die im Pflegezeitgesetz genannten Tatbestände. Auch dies sei in der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Der Beteiligte zu 3) habe den Urlaub nicht begehrt, um es sich fünf Wochen lang gut gehen zu lassen. Er habe seine (kranke) Ehefrau in Deutschland gelassen, um sich um seine Mutter kümmern zu können.

Damit lasse sich dem Verhalten des Beteiligten zu 3) insgesamt nicht entnehmen, daß er arbeitgeberseitige Belange stets hinter seine individuellen Freizeitinteressen zurückstellen würde. Vielmehr erkläre sich die Fehlentscheidung in der vorliegenden Konfliktsituation sowohl aus dem Fehlen von mit dem Betriebsrat vereinbarten verbindlichen Urlaubsregelungen, dem zumindest hinhaltenden Verhalten des Zeugen S und der persönlichen Druck- und Ausnahmesituation durch den vorhergehenden Tod des Vaters und der Krebserkrankung der Mutter. Damit sei im vorliegenden Einzelfall der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch bis zum mutmaßlichen Ende der Amtszeit des Beteiligten zu 3) und der nachwirkenden Kündigungsschutzzeit zumutbar. Es sei Sache der Arbeitgeberin, weitere Zweifelsfälle über die Berechtigung einer Urlaubsverweigerung dadurch vorzubeugen, daß mit dem Betriebsrat mitbestimmte Urlaubsregeln festgelegt werden.