In dem Verfahren vor dem Landgericht Dortmund befand das Gericht durch Urteil vom 14.10.2010 (11 S 64/10), daß der zwischen den Parteien zuvor augehandelte Vergleich sittenwidrig und daher nichtig sei.

In dem Vergleich hatte sich die Beklagte verpflichtet, ihren Papagei werktags nur in der Zeit von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr sowie 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr und samstags zwischen 09.00 Uhr und 13.00 Uhr auf ihren Balkon oder in ein Zimmer mit geöffnetem Fenster zu stellen. Für jeden Verstoß gegen diese Vereinbarung hatte sich die Beklagte verpflichtet, einen Betrag in Höhe von 500,00 € in die Instandhaltungsrücklage der Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlen.

Das Gericht führte aus, daß die Beklagte mit dem seinerzeitigen Kläger somit eine Vertragsstrafe vereinbart habe. Sinn und Zweck einer Vertragsstrafe sei es jedenfalls auch, denjenigen, der sich zu einer Handlung oder einer Unterlassung verpflichte, mit der Verwirkung der Strafe dazu zu bewegen, die Handlung oder das Unterlassen auch vorzunehmen. Soweit der Kläger im hier vorliegenden Fall für die Dauer von mehr als elf Monaten vom 08.08.2008 bis zum 27.07.2009 mehrere Verstöße der Beklagten dokumentiert habe, um diese erst mit Schreiben vom 04.08.2009 zur Zahlung der verwirkten Strafe aufzufordern, entspräche dieses Vorgehen bereits nicht mehr dem Zweck der Vereinbarung.

Aber auch die Vereinbarung als solche widerspreche bereits dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Bei der Entscheidung darüber, was die guten Sitten jeweils im Einzelfall fordern würden, müsse mit dem Bundesverfassungsgericht „in erster Linie von der Gesamtheit der Wertvorstellungen ausgegangen werden, die das Volk in einem bestimmten Zeitpunkt seiner geistigkulturellen Entwicklung erreicht und in seiner Verfassung fixiert hat“ (BVerfG v. 15.01.1958).

Mit dem abgeschlossenen Vergleich habe sich die Beklagte für jeden Verstoß zu einer Zahlung von 500,00 € verpflichtet. Dabei sollte es sogar unerheblich sein, für welche Dauer der jeweilige Verstoß auftrete, bereits eine Überschreitung der angegebenen Zeiten von wenigen Minuten falle unter die Regelung. Eine Strafe in Höhe von 500,00 € für einen Verstoß, der lediglich wenige Minuten andauere, könne nicht angemessen sein. Da der Vergleich aber auch solche Fälle umfasse, liege bereits darin die Nichtigkeit nach § 138 BGB. Es entspreche insoweit der Vernunft, für das kurze Pfeifen eines Papageis eine Zahlung in Höhe von 500,00 € als unangemessen anzusehen, selbst wenn auch das Pfeifen eines Papageis eine empfindliche Ruhestörung darstellen könne. Gleichwohl sei die Höhe der vereinbarten Strafe übertrieben hoch. Die Allgemeinheit empfinde nämlich die Verpflichtung zu der Zahlung eines Betrages in dieser Höhe für die jeweiligen Verstöße als „ungerecht“. Diese Wertung sei hier zu beachten. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß ein Haustier, speziell ein Papagei, nur schwer zu kontrollieren sei und eben nicht zu bestimmten Ruhezeiten „abgestellt“ werden könne. Daher bestehe immer auch die Möglichkeit, daß entgegen irgendwelcher Vorschriften, ein Haustier Ruhestörungen verursache. Gegen diese solle man sich als Wohnungseigentümer natürlich auch wehren können. Die Sanktion in Höhe von 500,00 € je Verstoß könne aber wie im hier vorliegenden Fall zu einer Zahlungsverpflichtung in beachtlicher Höhe führen, mit der von den Parteien in diesem Umfang nicht habe gerechnet werden können.

Die Sittenwidrigkeit des Vergleichs beruhe damit jedenfalls auf dem Umstand, daß bei Abschluss des Vergleichs nicht bedacht worden sei, daß auch Verstöße geringen Umfangs unter die Vereinbarung fallen. Sollte dies außer Acht gelassen worden sein, ändere das nichts an der Sittenwidrigkeit der Regelung. Es sei weiter unerheblich, ob die Parteien das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit gehabt hätte oder ob sie die Tatsachen gekannt hätten, die das Rechtsgeschäft sittenwidrig machen würden (BGH v. 08.05.1985, BGHZ 94, 272). Darüber müßten daher keine weiteren Feststellungen getroffen werden.

Ferner gründe sich die Sittenwidrigkeit auf den Umstand, daß in dem Vergleich weder eine betragsmäßige Obergrenze bei mehrfachen Verstößen, noch eine zeitliche Begrenzung enthalten sei, wann verwirkte Vertragsstrafen geltend gemacht werden müßten. Damit könnten die Kläger – und hätten es vorliegend im Ansatz schon getan – zeitlich unbegrenzt Vertragsstrafen „sammeln“, ohne damit ihr Anliegen in der Sache zu fördern. Es erscheine insoweit auch angemessen, daß eine Wohnungseigentümerin aufgrund der Pfiffe ihres Papageis insgesamt zu einer Zahlung verurteilt werden könne, deren Vollstreckung sie zu einem Verkauf ihres Eigentums veranlassen müßte.