Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz befand in seinem Urteil vom 25.04.2013 (10 Sa 518/12), daß in dem zugrundeliegenden Fall das Nichtbestehen der Zischenprüfung keinen fristlosen Kündigungsgrund des Ausbildungsverhältnisses liefere.

Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG könne das Berufsausbildungsverhältnis nach der Probezeit vom Ausbilder nur aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Eine Kündigung aus wichtigem Grund könne insbesondere dann berechtigt sein, wenn der Auszubildende seine vertraglichen Hauptleistungspflichten und/oder vertragliche Nebenpflichten erheblich verletzt habe. Liege eine solche Pflichtverletzung vor, sei in Anlehnung an § 626 Abs. 1 BGB in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Ausbilders an der sofortigen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses gegen das Interesse des Auszubildenden an dessen Fortbestand bis zum Ablauf der Ausbildungszeit abzuwägen. Dabei habe eine Bewertung des konkreten Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine außerordentliche Kündigung komme nur in Betracht, wenn dem Ausbilder angesichts der Gesamtumstände sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar seien. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung komme als milderes Mittel insbesondere eine Abmahnung in Betracht (BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 15 mwN, NJW 2013, 954).

Beruhe die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Auszubildenden, sei grundsätzlich davon auszugehen, daß sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Ausbildungsverhältnisses positiv beeinflußt werden könne. Die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setze deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedürfe es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar sei, daß eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten stehe, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handele, daß selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Auszubildenden erkennbar – ausgeschlossen sei (BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 16 mwN, aaO.).

Danach erweise sich die fristlose Kündigung des Beklagten vom 21.05.2012 als unverhältnismäßig. Der Beklagte stütze die Kündigung darauf, daß der Kläger am Freitag, dem 18.05.2012 seinen Ausbildungsplatz vorzeitig verlassen habe. Der Kläger sei unstreitig bereits um 15:20 Uhr gegangen, obwohl er bis zum Feierabend um 16:00 Uhr habe bleiben müssen, weil ihm der Beklagte seine Bitte, früher gehen zu dürfen, abschlägig beschieden habe.

Dieses Verhalten rechtfertige im vorliegenden Fall keine außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt habe, hätte eine Abmahnung als Reaktion ausgereicht. Der Kläger habe zwar nicht annehmen dürfen, daß er seinen Ausbildungsplatz gegen den erklärten Willen des Beklagten bereits 40 Minuten vor Feierabend habe verlassen können. Andererseits habe er unstreitig um 16:00 Uhr einen Termin mit seinem Rechtsanwalt vereinbart, wobei der Prozessbevollmächtigte des Beklagten selbst konstatiere, daß wegen der aufgetretenen Probleme im Ausbildungsverhältnis ein Beratungsbedarf bestanden habe. Das Verhalten des Klägers erscheine unter diesen Umständen in einem milden Licht. Eine „beharrliche“ Pflichtwidrigkeit liege nicht vor. Im Streitfall sei deshalb vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich gewesen. Weder gebe es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiege dessen Pflichtverletzung – vorzeitiges Verlassen des Ausbildungsbetriebs, um seinen Rechtsanwalt zu konsultieren – so schwer, daß selbst die einmalige Hinnahme dem Beklagten objektiv unzumutbar wäre.

Es könne dahinstehen, ob die drei Abmahnungen, die der Beklagte am 14.05.2012 in Reaktion auf die Weigerung des Klägers, einen Aufhebungsvertrag mit sofortiger Wirkung zum 14.05.2012 zu unterzeichnen, wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB unwirksam seien. Die drei Abmahnungen seien nicht einschlägig gewesen. Der Beklagte habe den Kläger jeweils abgemahnt, weil er am 20.04., am 11.05. und am 14.05.2012 seiner Aufforderung, ihm das Berichtsheft vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Diese Abmahnungen beträfen Pflichtwidrigkeiten aus einem anderen Bereich als der die Kündigung auslösende Vorwurf des vorzeitigen Verlassens der Ausbildungsstätte. Die Warnfunktion einer Abmahnung erstrecke sich nur auf gleichartige Pflichtverletzungen, Abmahnungs- und Kündigungsgründe müßten in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 09.06.2011 – 2 AZR 323/10 – Rn. 31 mwN, NJW 2012, 407). Das sei hier nicht der Fall.

Hinzu komme, daß gemäß § 22 Abs. 3 BBiG die Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen müsse. Zur Begründung der außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Auszubildenden könne sich der Ausbilder wegen § 22 Abs. 3 BBiG nur auf diejenigen Gründe berufen, die konkret und nachvollziehbar im Kündigungsschreiben selbst oder in einer Anlage zu diesem Kündigungsschreiben angegeben seien. Das schließt ein Nachschieben von dort nicht aufgeführten Kündigungsgründen selbst dann aus, wenn nachgeschobene Kündigungsgründe bereits im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorhanden gewesen seien, dem Ausbildenden jedoch erst nachträglich bekannt geworden seien (LAG Rheinland-Pfalz 17.01.2008 – 10 Sa 845/06 – Rn. 38, Juris).

Das Arbeitsgericht habe deshalb zu Recht, die handschriftliche Bemerkung auf dem Ausbildungsnachweis der Handwerkskammer vom 04.05.2012 bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, in der es heißt: „Die Noten könnten noch besser sein, wenn der Schüler wollte“. Außerdem sei die Folgerung, die der Beklagte aus dieser Bemerkung ziehe, unverständlich. Sie belege nicht, daß der Kläger im Zusammenhang mit der Erbringung schulischer Leistungen unwillig sei, sondern, daß er im Sinne einer Steigerungsfähigkeit „noch besser“ sein könnte.

Der Beklagte stütze die zweite Kündigung darauf, daß der Kläger am 15. und 19.06.2012 an der Zwischenprüfung teilgenommen habe, ohne ihn hierüber zu informieren. Außerdem habe er ihm das schlechte Ergebnis der Zwischenprüfung nicht mitgeteilt. Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt habe, sei dieses Verhalten im Hinblick auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falls unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt geeignet, einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses zu bilden.

Der Beklagte habe das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 21.05.2012 fristlos gekündigt gehabt. Der Kläger habe sich gleichwohl um die Teilnahme an der Zwischenprüfung bemüht, obwohl der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, ihn bei der Handwerkskammer anzumelden und die Prüfungsgebühren zu entrichten. Auch mit einer schlechten Leistung und schlechten Noten in der Zwischenprüfung könne der Kläger die Berufsausbildung zum Maurer fortsetzen. Dem könne sich der Beklagte nicht dadurch entziehen, daß er nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigung wegen der unterbliebenen Information über die Teilnahme und das schlechte Ergebnis der Zwischenprüfung erneut zum äußersten Mittel der fristlosen Kündigung greifte.

Die Beklagte beanstande – wie er auch in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer geschildert habe – letztendlich das Leistungsverhalten des Klägers. Er werfe dem Kläger in der praktischen Ausbildung Schlecht- und Minderleistungen vor, ohne diese in den erst- oder zweitinstanzlichen Schriftsätzen auch nur ansatzweise konkret darzulegen. Er behaupte pauschal, der Kläger sei nicht in der Lage, einfachste Maurerarbeiten durchzuführen, er sei für den erlernten Maurerberuf völlig ungeeignet. Dies werde auch durch den Umstand belegt, daß in der Zwischenprüfung der praktische Teil mit mangelhaft benotet worden sei.

Der Ausbilder könne das Ausbildungsverhältnis jedoch nicht mit der pauschalen Behauptung fristlos beenden, der Auszubildende werde wegen seiner schlechten Leistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Abschlußprüfung versagen (KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21-23 BBiG Rn. 63 mwN). Vielmehr ergebe der Umkehrschluss aus § 21 Abs. 3 BBiG, wonach sich das Berufsausbildungsverhältnis auf Verlangen des Auszubildenden bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung, höchstens um ein Jahr, verlängert, wenn er die Abschlussprüfung nicht besteht, daß vorherige schlechte Leistungen als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nur dann in Frage kämen, wenn feststehe, daß auf Grund der aufgetretenen Ausbildungslücken das Bestehen der Abschlussprüfung ausgeschlossen sei (APS/Biebl 4. Aufl. § 22 BBiG Rn. 17 mwN). Für die hierfür maßgebenden Tatsachen sei der Ausbilder in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Wie bereits ausgeführt, könnten diese Gründe nach § 22 Abs. 3 BBiG auch nur dann Verwendung finden, wenn sie der Ausbildende schriftlich im Kündigungsschreiben mitgeteilt habe. Im Kündigungsschreiben vom 24.07.2012 hat der Beklagte, wie sich aus dessen Wortlaut ergebe, lediglich auf das schlechte Ergebnis der Zwischenprüfung abgestellt und beanstandet, hierüber nicht informiert worden zu sein. Er habe nicht im Ansatz Tatsachen mitgeteilt, anhand derer sich ergäbe, daß das Bestehen der Abschlußprüfung vollkommen ausgeschlossen erschiene.