In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Hagen stritten die Parteien über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise fristgerechten arbeitgeberseitigen Kündigung sowie im Wege eines uneigentlichen Hilfsantrages über einen Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers.

Der am 25.06.1959 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 19.05.1980 als Kaltwalzer (Klägervortrag) bzw. Mitarbeiter Produktion (Beklagtenvortrag) bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf ca. 3.000,00 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden.

Die Beklagte beschäftigt ca. 580 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat war in ihrem Betrieb gewählt. Bei ihr handelte es sich um einen Anbieter kaltgewalzter Produkte.

Der Kläger hatte ein Profil bei der Internet-Plattform „Facebook“ angelegt.

Hierbei handelt es sich um ein soziales Netzwerk, in dem jeder Nutzer ein eigenes Profil mit Namen und persönlichen Angaben anlegen kann. Im Falle von Facebook handelt es sich um ein Netzwerk eher privater Natur. Neben der reinen Präsentation der Person kann das Mitglied des Netzwerkes in Interaktion mit anderen Nutzern der Plattform treten, sei es durch individuelle Kommunikation mit Teilnehmern, so durch Nachrichten in Form eines „Chats“ oder auch durch sogenannte „Posts“, die eine Vielzahl von Empfänger erreichen können. Weitere Möglichkeiten der Kommunikation bieten Diskussionsforen. Daneben besitzt der Teilnehmer die Möglichkeit, sich mit anderen Nutzern zu vernetzen, direkt oder durch den Beitritt zu Interessengruppen. Das Profil ist Ausgangspunkt für Aktivitäten und Kommunikation, so daß ein Netzwerk entsteht.

Das Profil des Klägers wies zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung insgesamt 70 sogenannte „Freunde“ auf. „36“ dieser „Freunde“ waren zum Zeitpunkt der angegriffenen Kündigung Mitarbeiter der Beklagten. Der auch als „Freund“ angegebene M1 R2 war zum Zeitpunkt des für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Zeitraums bei der Beklagten nach Klägervortrag bereits ausgeschieden. Ein „Freund“ war als Mitarbeiter bei einer Schwesterfirma der Beklagten, der B1 S2 GmbH, tätig. Diesbezüglich reichte die Beklagte eine HardCopy (Bildschirmausdruck) des Profils des Klägers für die Rubrik „Freunde“ zum Zeitpunkt des Ausspruchs der in dem vorliegenden Rechtsstreit angegriffenen Kündigung zur Gerichtsakte.

Unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers zum Zeitpunkt des für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Kündigungssachverhalts war der Mitarbeiter G1 der Beklagten, der nicht zu den im Facebook-Profil des Klägers aufgeführten „Freunden“ gehörte.

Am 20.11.2011 um 13.46 Uhr postete der Kläger auf seiner Pinnwand im Facebook-Profil folgenden Text:

„hi M1, mir geht’s gut, und dir hoffe ich auch. Habe mich über diesen scheiss G1 geärgert hat mir zwei abmahnungen gegeben innerhalb von drei monaten wegen rauigkeit. Diesen kleinen scheisshaufen mache ich kaputt, werde mich beschweren über diesen wixxer bin 32jahre hier dabei und so ein faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben gibt mir zwei abmahnungen, da hat er sich im falschen verguckt diese drecksau naja sag mal bis bald“

Daraufhin antwortete der „Freund“ des Klägers, M1 R2, am 21.11.2011 um 7.20 Uhr folgendes:

„Morgen! Das gibt’s ja gar nicht! Das hätte ich echt nicht vom G1 gedacht! Und wie geht’s den anderen so? G4 jetzt mit dabei?“

Der Kläger antwortete hierauf am 23.11.2011 um 6.21 Uhr:

„hi, M1 denen geht’s allen gut G4 an der 430, F3 lernt walzen, ja und ich darf wieder an die 440 S4 einbinden son scheiss. Naja melde dich mal wieder wünsch dir noch was bis die Tage by by“.

Hieraufhin antwortete wiederum Herr R2 am 25.11.2011 um 13.37 Uhr:

„Echt? F3 lernt Walzen? Krass! Na da hat der G1 ja schnell Ersatz gefunden für mich: -(Hat der M3 noch was gesagt? Der hat sich ja auch einfach verpisst! Grüß alle!“

Worauf der Kläger wiederum am 26.11.2011, um 7.37 Uhr, antwortete:

„hi, moin moin M1 M3 hat nichts gesagt der G1 auch nicht sonst ist alles beim alten, der G1 hat wahrscheinlich einen draufbekommen wegen mir die personalabteilung hat ihn angerufen, weil ich mich angeblich über ihn beschwert haben soll. War noch garnicht nda bei der personalabteilung, aber egal schadet ihm garnichts, soll er mal ein bisschen von seinem hohen ross runterkommen der doofmann. 430 läuft nur noch eine schicht, nur frühschicht, werde wohl erstmal an der 440 bleiben. Wie sieht’s bei dir aus alles gut hast wieder einen job, wird schon klappen wünsch dir jedenfall viel glück dabei, bist ja noch jung also bis bald hoffe heute das BVB gewinnt. Hab mir sky bundesliga bestellt ist nicht so teuer kostet um die 24,ooeuro sind noch andere sender im packet, so muss mal bis bald meld dich mal wieder by by“.

Diese „Unterhaltung“ fand „öffentlich“ auf der sogenannten Pinnwand des Klägers bei Facebook statt. Sämtliche „Freunde“ des Klägers hatten Zugriff und wurden dementsprechend über die Kommunikation informiert, mithin auch die als „Freunde“ des Klägers ausgewiesenen Mitarbeiter der Beklagten.

Darüberhinaus hatten all diejenigen Nutzer von Facebook Zugriff auf diese Kommunikation, die wiederum als „Freunde“ der „Freunde“ des Klägers bestimmte Einstellungen im Rahmen ihres Profils gewählt hatten. Im Ergebnis handelte es sich also bei denjenigen, die Zugriff auf diese Kommunikation hatten, um eine enorme Personenzahl.

Am 24.11.2011 nahm die für die Beklagte tätigte Personalsachbearbeiterin, die Zeugin M4 S3, über die Zugangsmöglichkeit eines „Freundes“ des Klägers Zugriff auf dessen Pinnwand, als sich die am 20. und 23.11.2011 „geposteten“ Mitteilungen für die „Freunde“ des Klägers und auch deren „Freunde“ zugänglich auf dessen Pinnwand befanden.

Daraufhin informierte die Zeugin S3 die Geschäftsführung der Beklagten, die sich nach den letzten Äußerungen des Klägers am 26.11.2011 zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers entschied.

Mit Schreiben vom 02.12.2011 hörte die Beklagte den in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Neben Angaben zu den Sozialdaten des Klägers wurde zur Kündigungsbegründung dort im wesentlichen vorgetragen, daß der Kläger in Facebook seinen Vorgesetzten namentlich benannt und beschimpft habe und daß die Äußerungen über die im Betrieb der Beklagten tätigen „Freunde“ des Klägers im betrieblichen Umfeld einem größeren Kreis bekannt geworden seien (Schwarzes-Brett-Effekt). Der dargestellte Sachverhalt betreffend zwei Abmahnungen entspreche nicht der Wahrheit. Zudem habe der Kläger sich mit Mißfallen hinsichtlich eines Kunden geäußert. Eine HardCopy der entsprechenden Seiten der Äußerungen des Klägers wurde dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt. Die Beklagte teilte dem Betriebsrat weiter mit, eine Beschäftigung des Klägers seit 31 Jahren bei ihr wiege die Auswirkungen der Äußerungen nach ihrer Sicht nicht auf.

Der Betriebsrat reagierte auf die Anhörung mit schriftlich verfasstem Widerspruch vom 02.12.2011.

Mit Schreiben vom 05.12.2011, dem Kläger zugegangen am 06.12.2011, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos zum 07.12.2011, hilfsweise fristgerecht zum 31.07.2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Mit seiner am 20.12.2011 per Fax und am 21.12.2011 per Originalschriftsatz bei Gericht eingehenden Klageschrift wandte sich der Kläger gegen die Rechtswirksamkeit der Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2011.

Das Gericht befand die fristlose Kündigung als unwirksam.

Zwar habe grundsätzlich ein Sachverhalt vorgelegen, der an sich geeignet gewesen sei, einen wichtigen Grund für den Kündigungsausspruch zu ergeben. Der wichtige Grund sei darin zu sehen, daß der Kläger insbesondere am 20.11.2011, aber auch am 26.11.2011, seinen unmittelbaren Vorgesetzten G1 in dem sozialen InternetNetzwerk Facebook äußerst grob beleidigte und bedroht habe, sich zudem mißfällig über einen Kunden der Beklagten geäußert habe, was aufgrund der Tatsache, daß der Kläger seine Textnachrichten auf seine Pinnwand gepostet habe, die damit mindestens 36 Betriebsangehörigen Facebook-Freunden und auch deren Freunden zugänglich gewesen sei, quasi betriebsöffentlich stattgefunden habe. Jedoch halte das Gericht aus Gründen der Interessenabwägung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine fristlose Kündigung für nicht angemessen und daher rechtsunwirksam.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließe, sei eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB dann wirksam, wenn ein Sachverhalt vorliege, der an sich geeignet sei, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben, und wenn es dem Kündigungsberechtigten aufgrund dieses Sachverhalts nach einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht zuzumuten sei, das Arbeitsverhältnis, wenn auch zu veränderten Bedingungen, fortzusetzen, so daß die fristlose Kündigung die unausweichlich letzte Maßnahme für den Kündigungsberechtigten gewesen sein müsse.

Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung sei folglich in zwei Stufen zu prüfen.

Zunächst müßen Tatsachen vorliegen, die an sich geeignet seien, einen wichtigen Grund zu bilden.

Im zweiten Schritt sei festzustellen, ob unter Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine Weiterbeschäftigung zumutbar sei (BAG, Urteil vom 27.04.2006 – 2 AZR 415/05 -, in: NZA 2006, S. 1033 ff.).

Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines wichtigen Grundes sei derjenige, der die Kündigung ausspriche, hier die Beklagte als kündigende Arbeitgeberin. Sie treffe die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen würden. Allerdings habe hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen (BAG NZA 2004, 564 ff. a. a. O.; KR/Fischermeier, § 626 BGB, Rdnr. 382). Der Arbeitgeber habe jedoch zunächst die behaupteten Pflichtverletzungen nach Ort, Zeit und genauem Inhalt oder Ablauf näher zu beschreiben. Nicht ausreichend seien pauschale Werturteile oder Schlagworte.

Ein Verschulden sei keine notwendige Voraussetzung des wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Jedoch setze eine verhaltensbedingte Kündigung in der Regel, nicht zuletzt wegen der notwendigen Interessenabwägung, ein schuldhaftes, vorwerfbares Verhalten voraus.

In der Rechtsprechung sei anerkannt, daß grobe Beleidigungen insbesondere des Arbeitgebers oder seiner Vertreter, oder auch von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffene bedeuten würden, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bedeuten und eine außerordentliche, fristlose Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung rechtfertigen könnten. Es müsse sich um eine bewußte und gewollte Ehrenkränkung aus gehässigen Motiven handeln. Für die Bewertung, was als grobe Beleidigung anzusehen sei, komme es auf alle Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die, die zu einer Beleidigung geführt hätten. Das „Götz-Zitat“ unter Arbeitnehmern mag im allgemeinen nicht besonders schwer wiegen. Zu berücksichtigen seien auch der betriebliche und branchenübliche Umgangston, der Bildungsgrad und psychische Zustand des betroffenen Arbeitnehmers, sowie die Gesprächssituation. In minderschweren Fällen könne nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein oder eine Abmahnung.

Es entspreche daneben ständige Rechtsprechung des BAG, daß diffamierende und ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen unter bestimmten Umständen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnten (BAG, Urteil vom 17.02.2000 – 2 AZR 927/98 -, n.v. unter II. 3. a) der Gründe; Urteil vom 10.10.02 – 2 AZR 418/01-, in: DB 2003, 1797 f. unter B. I. 3) c) aa) der Gründe, juris Rdnr. 22; siehe auch LAG Köln, Urteil vom 18.04.1997 – 11 Sa 995/96, in: LAGE 111 zu § 626 BGB; KR/Etzel, § 1 KSchG, Rdnr. 465). Der Arbeitnehmer dürfe in solchen Fällen nämlich regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört bzw. das Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht zerstört (BAG, Urteil vom 10.10.02 a.a.O.). Ein Arbeitnehmer sei nicht gehalten von seinem Arbeitgeber und von seinen Kollegen nur positiv zu denken und sich in seiner Privatsphäre ausschließlich positiv über sie zu äußern.

Diesen Schutz der Privatsphäre und auch der Meinungsfreiheit könne jedoch nicht der Arbeitnehmer für sich in Anspruch nehmen, der selbst die Vertraulichkeit aufhebe, so daß die Gelegenheit für Dritte, seine Äußerungen wahrzunehmen, ihm zurechenbar werde.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit habe regelmäßig zurückzutreten, wenn sich die beleidigende Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstelle.

Für eine grobe Beleidigung als Kündigungsgrund komme es letztlich nicht auf die strafrechtliche Wertung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung einhergehenden Vertrauensbruch und damit die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Auch die Bedrohung des Arbeitgebers, von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen könne einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand darstellen.

Vorliegend habe der Kläger seinen unmittelbaren Vorgesetzten bei der Beklagten, Herrn G1, äußerst grob beleidigt, indem er in Bezug auf dessen Person über Facebook per „posting“ an seine Pinnwand am 20.11.2011 und 26.11.2011 folgende Formulierungen verwendete: „scheiss G1“, „kleiner scheisshaufen“, „wixxer“, „faules schwein, der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben“, „drecksau“ und „doofmann“. Für die erkennende Kammer seien die Kraftausdrücke und Schmähungen in ihrer Derbheit kaum noch steigerungsfähig. Sie seien für den Vorgesetzten G1 äußerst ehrverletzend.

Es habe sich bei den Äußerungen des Klägers auch um Beleidigungen im strafrechtlichen Sinne gehandelt, d.h. i.S.v. § 185 StGB, jedenfalls hinsichtlich des dortigen objektiven Tatbestandes, da eine Beleidigung i.S.d. Vorschrift dann gegeben sei, wenn die Kundgabe der Mißachtung oder Nichtachtung einer Person durch ehrverletzende Äußerungen zur Kenntniserlangung des Beleidigten (Ehrenträgers) oder Dritter erfolge, was vorliegend dadurch erfolgt sei, daß der Kläger die oben angeführten, äußerst ehrverletzenden Äußerungen an seine Pinnwand bei Facebook gepostet habe, wodurch seine „Facebook-Freunde“ und deren „Facebook-Freunde“ hiervon Kenntnis hätten erlangen können.

Die Kundgabe der beleidigenden Äußerungen sei quasi betriebsöffentlich, vergleichbar einem Aushang am „Schwarzen Brett“ im Betrieb erfolgt, da von den 70 „Freunden“ des Klägers bei Facebook, die unmittelbar Zugriff auf seine Pinnwand gehabt hätten, 36 zum Zeitpunkt der getätigten Äußerung bei der Beklagten beschäftigt gewesen seien und einer bei der Schwesterfirma B1 S2 GmbH. Darüberhinaus sei der von dem Kläger in seinen Texten unmittelbar angesprochene „Freund“ M1 R2, den die Beklagte ebenfalls noch als betriebsangehörig bezeichne, nach Klägervortrag jedenfalls kurz zuvor erst bei der Beklagten ausgeschieden.

Es sei dabei unerheblich, daß der Kläger seine ehrverletzenden Äußerungen in Bezug auf seinen Vorgesetzten G1 von zu Hause aus offenbar während seiner Freizeit, d.h. nicht während der Arbeitszeit im Betrieb, getätigt habe, da aufgrund der 36 oder 37 betriebsangehörigen „Facebook-Freunde“ eine unmittelbare Betriebsbezogenheit jedenfalls gegeben gewesen sei.

Die beleidigenden Äußerungen in Bezug auf den Vorgesetzten G1 seien auch nicht vertraulich „unter vier Augen“ erfolgt, indem der Kläger diese nur im „Chat-Modus“ an den angesprochenen M1 R2 gesendet hätte, sondern quasi betriebsöffentlich, indem er sie an seine Pinnwand gepostet habe, so dass seine 36 oder 37 betriebsangehörigen „Facebook-Freunde“ und über diese deren „Freunde“ Zugriff auf die beleidigenden Äußerungen in Bezug auf den Vorgesetzten G1 gehabt hätten.

Dies sei nicht nachvollziehbar versehentlich aufgrund eines Bedienfehlers seitens des Klägers erfolgt, wie dieser vortrage, und indem er ergänzend vortrage, daß er generell in Bezug auf die Benutzung des Internets, speziell des sozialen Netzwerks Facebook, unsicher sei.

Denn in welcher Weise dies versehentlich geschehen sein soll, habe der Kläger im einzelnen nicht dargelegt. Nach unbestrittenem Beklagtenvortrag habe er das soziale Netzwerk bereits über Jahre genutzt. Für ein Versehen des Klägers bedürfe es vergleichbar einem Rechtfertigungsgrund eines substantiierten Vortrages nach § 138 Abs. 2 ZPO durch diesen, zumal die Umstände, aus denen sich ein Versehen ergeben solle, sich ausschließlich in der Sphäre des Klägers zugetragen hätten. Ein ausreichend substantiierter Vortrag des Klägers liege hier jedoch nicht vor.

Im Gegenteil. Wenn der Kläger, wie er selbst vorträgt, generell in Bezug auf die Nutzung des Internets, speziell des sozialen Netzwerks Facebook, unsicher sei, hätte er sich, bevor er die hier relevanten Äußerungen an seine Pinnwand postete, vergewissern müssen, daß dies in dieser Weise nicht geschah, sondern sie nur im „Chat-Modus“ an Herrn M1 R2 versendet wurden. Indem er dies offenbar nicht getan habe, habe er zumindestens bedingt vorsätzlich die Texte an seine Pinnwand gepostet, da er dies für möglich hätte halten müssen und billigend in Kauf genommen habe.

Im Ergebnis habe der Kläger folglich äußerst grob beleidigende Äußerungen in Bezug auf seinen unmittelbaren Vorgesetzten G1 am 20.11.2011 und 26.11.2011 über seine Pinnwand jedenfalls bedingt vorsätzlich quasi betriebsöffentlich getätigt, was, da es sich im wesentlichen um Formalbeleidigungen und Schmähungen gehandelt habe, auch nicht durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei, wozu auf die oben genannte BAG-Rechtsprechung verwiesen werde.

Hinzu komme, daß der Kläger am 20.11.2011 in dem geposteten Text auch eine falsche Tatsache behauptet habe, indem er Herrn G1 zwei Abmahnungen zugesprochen habe, die dieser unstreitig nicht ausgesprochen hatte, und am 23.11.2011 einen Kunden der Beklagten in mißfällig geäußertem Zusammenhang namentlich bezeichnet habe („…ich darf wieder an die 440 S4 einbinden son scheiß.“), wodurch die Beklagte bei dem Kunden hätte in Mißkredit geraten können, mit evtl. wirtschaftlichen Folgen.

Auch habe der Kläger seinen unmittelbaren Vorgesetzten ausdrücklich bedroht („Diesen kleinen scheisshaufen mache ich kaputt, …).

Hiernach habe insgesamt zum Zeitpunkt des Ausspruchs der vorliegend angegriffenen Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2011 nach Auffassung der Kammer grundsätzlich ein wichtiger Grund i.S.V. § 626 Abs. 1 BGB für deren Ausspruch vorgelegen, der es der Beklagten unmöglich gemacht habe, das Arbeitsverhältnis des Klägers auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten.

Jedoch führe vorliegend eine umfassend durchzuführende Interessenabwägung dazu, daß die erkennende Kammer die hier angegriffene Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2011 unter Beachtung des ultima-ratio-Prinzips für unangemessen halte.

In einer durchzuführenden Interessenabwägung seien insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Lebensalter des Arbeitnehmer, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und wirtschaftliche Lage des Unternehmens.

Vorliegend sei der Kläger zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs 52 Jahre alt gewesen, was im Ergebnis eine nicht leichte Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt bedeute, auch angesichts der Tatsache, daß nicht erkennbar sei, daß der Kläger über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge.

Der Kläger habe bereits 31, 5 Jahre in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten gestanden. Dies seien nicht unerhebliche, sogar gewichtige Umstände, die zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien. Zu Unterhaltspflichten des Klägers und der wirtschaftlichen Lage der Beklagten sei nichts vorgetragen. Im Ergebnis halte die Kammer unter Beachtung des Lebensalters und der erheblichen Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, auch angesichts der schweren Pflichtverletzungen des Klägers, daher eine fristlose Kündigung für unangemessen, was jedoch nicht für die hilfsweise ordentliche Kündigung gelte.

Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 05.12.2011 werde das Arbeitsverhältnis des Klägers rechtswirksam mit Ablauf des 31.07.2012 beenden. Auch eine vorsorgliche Kündigung sei eine unbedingte Kündigung und daher zulässig.

Die ordentliche Kündigung sei hier fristgerecht ausgesprochen worden mit einer Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende gemäß § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 BGB unter Beachtung der Beschäftigungsdauer des Klägers hier zum 31.07.2012.

Das Schriftformerfordernis ist gemäß § 623 BGB gewahrt.

Unwirksamkeitsgründe im Hinblick auf die ordentliche Kündigung seien nicht erkennbar.

Die angegriffene Kündigung sei aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, wegen grober Beleidigung eines unmittelbaren Vorgesetzten.

Der Unterschied im Verhältnis zu der fristlosen Kündigung sei hier bei der ordentlichen Kündigung, daß nach Auffassung der Kammer im Rahmen der ordentlichen Kündigung auch eine Interessenabwägung nicht zu dem für den Kläger günstigen Ergebnis führen könne, daß auch diese rechtsunwirksam sei. Auch unter Beachtung des Lebensalters des Klägers und der nicht unerheblichen Dauer der Betriebszugehörigkeit von 31,5 Jahre bis Kündigungszugang sei der von dem Kläger vorgenommene erhebliche Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 1 BGB) durch quasi betriebsöffentlichen Ausspruch der groben Beleidigungen seines unmittelbaren Vorgesetzten G1 an seine Pinnwand in Facebook so gravierend, daß eine unbefristete Weiterbeschäftigung des Klägers über den Zeitraum der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus, d.h. hier über den 31.07.2012 hinaus, der Beklagten jedenfalls nicht zugemutet werden könne.

Einer Abmahnung habe es vor Kündigungsausspruch nicht bedurft.

Zwar sei anerkannt, daß es einer Abmahnung vor Kündigungsausspruch in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht bedürfe, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten stehe oder es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handele, daß eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei. Dies gelte grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich.

Vorliegend sei eine Abmahnung durch die Beklagte vor Kündigungsausspruch jedoch entbehrlich gewesen, da eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte offensichtlich – auch für den Kläger erkennbar – ausgeschlossen gewesen sei. Der Kläger habe in quasi betriebsöffentlicher Art und Weise seinen unmittelbaren Vorgesetzten in der Zeit vom 20.11.2011 bis 26.11.2011 über seine Pinnwand bei Facebook ausgesprochen grob beleidigt, was nach Auffassung der Kammer verbal kaum steigerungsfähig sei. Er habe gleichzeitig falsche Tatsachen behauptet (zwei Abmahnungen) und einen Kunden der Beklagten (Firma S4) in negativem Zusammenhang namentlich bezeichnet. Auch habe er seinen Vorgesetzten G1 bedroht. Insbesondere die groben Beleidigungen des Vorgesetzten G1 könne die Beklagte aber auch aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Mitarbeiter G1 und der Wahrung des Betriebsfriedens in keiner Weise hinnehmen. Daß die Beklagte bei einem derartigen Fehlverhalten sofort, insbesondere ohne eine vorhergehende Abmahnung, kündigen würde, sei für den Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen.