Das Landesarbeitsgericht Köln befand in seinen Urteil vom 02.08.2010 (2 Sa 176/10), daß wenn der bisherige Betriebsinhaber nach Betriebsübergang gegenüber einem übergegangenen Arbeitnehmer kündige und der Arbeitnehmer danach dem stattgefundenen Betriebsübergang widerspreche, zum Kündigungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Kündigendem bestanden habe. Die zum Kündigungszeitpunkt gegebenen Umstände (Betriebsgröße, Existenz eines Betriebsrats, Stilllegungsabsicht) seien der Prüfung der Wirksamkeit zugrundezulegen.

Dies hatte in dem vorliegenden Verfahren zur Folge, daß ein Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsübernehmer nicht begründet worden war und das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Betrieb gemäß § 1 KSchG die betriebsbedingte Kündigung rechtfertigten.

In dem Verfahren stritten die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung vom 20.04.2009 des Beklagten zu 1. (Insolvenzverwalter des bisherigen Betriebs) sowie um die Frage, ob die Beklagte zu 2. (Betriebsübernehmer) verpflichtet sei, die Klägerin nach einem Betriebsübergang weiter zu beschäftigen.

Die am 26.12.1968 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin war seit dem 01.07.1999 als Verkaufsabteilungsleiterin im Betrieb A der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens der Gemeinschuldnerin war der Einzelhandel mit Bekleidung. Das Unternehmen führte deutschlandweit 39 Filialen. In dem Betrieb A waren vor der Insolvenzeröffnung am 01.10.2008 elf Mitarbeiter beschäftigt. Es war ein Betriebsrat gewählt worden.

Am 01.10.2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt. Zuvor waren mit dem örtlichen Betriebsrat und dem Gesamtbetriebsrat gleichlautende Interessenausgleiche und Sozialpläne zustandegekommen. Diese sahen u. a. die Einrichtung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft vor. Aus dem Betrieb A wechselten neun Mitarbeiter vor dem 01.10.2008, also vor der Insolvenzeröffnung, in diese Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Die Klägerin und eine weitere Mitarbeiterin befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Elternzeit. Beide wechselten nicht in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft.

Der Insolvenzverwalter trug vor, er habe Anfang Oktober 2008 wegen der Ungewißheit, ob eine Betriebsübernahme stattfinden könne, entschieden, daß sämtliche Betriebe jedenfalls zum 31.01.2009 geschlossen werden sollten.

Am 10.10.2008 hörte der Insovenzverwalter die Betriebsratsvorsitzende des A Betriebs zur Kündigung der zwei verbliebenen Mitarbeiter an. Am 16.10.2008 schloß der Insolvenzverwalter mit dem Gesamtbetriebsrat einen weiteren Interessenausgleich mit Namensliste, der sämtliche Mitarbeiter enthielt, die nicht in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übergegangen waren. Auf dieser Namensliste befand sich auch der Name der Klägerin.

Seit etwa Ende Oktober/Anfang November 2008 führte die Beklagte zu 2. die Filiale in A weiter. Sie benutzte hierzu die bisherigen Betriebsräumlichkeiten, das bisherige Inventar sowie den in der Filiale vorhandenen Warenbestand weiter. Ferner hatte sie das Sortiment unverändert gelassen, welches aus ca. 60 % Eigenmarken und 40 % Fremdmarken (z. B. G , E ) bestand. Als Mitarbeiter setzte die Beklagte zu 2. die von der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft angestellten Mitarbeiter leihweise ein.

Wegen der Elternzeit der Klägerin beantragte der Insolvenzverwalter die Zustimmung der Bezirksregierung zur Kündigung und erhielt diese durch Bescheid vom 14.04.2009. Am 20.04.2009 sprach der Insolvenzverwalter die Kündigung der Klägerin zum 31.07.2009 aus. Diese Kündigung ging der Klägerin am 21. oder 22.04.2009 zugegangen. Sie erhob am 11.05.2009 Kündigungsschutzklage.

Am 01.04.2009 wurde veröffentlicht, daß das Insolvenzverfahren massearm ist. Am 21.10.2009, im Laufe des Kündigungsschutzverfahrens widersprachen die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin einem möglichen Betriebsübergang.

Im erstinstanzlichen Verfahren verteidigte sich der Beklagte zu 1. gegen die Klage damit, daß der Betrieb in A bei Zugang der Kündigung am 21. oder 22.04.2009 lediglich noch zwei Arbeitnehmer beschäftigt habe. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht mehr anwendbar.

Das LAG Köln befand, daß die Kündigung des Beklagten zu 1. vom 20.04.2009 das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.07.2009 beendet habe und zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2. kein Arbeitsverhältnis bestehe.

Am 20.04.2009 habe zwischen dem Beklagten zu 1. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und der Klägerin ein Arbeitsverhältnis bestanden. Zwar sei es zutreffend, daß spätestens gegen Ende Oktober/Anfang November 2008 ein Betriebsübergang des selbstständigen Betriebs A auf die Beklagte zu 2. stattgefunden habe.

An diesem Betriebsübergang hätte die Klägerin auch teilgenommen, wenn sie nicht am 21.10.2009 dem Betriebsübergang widersprochen hätte.

Der Widerspruch führe grundsätzlich dazu, daß unverändert und ununterbrochen mit dem bisherigen Arbeitgeber ein fortgesetztes Arbeitsverhältnis bestehen würde (BAG v. 13.07.2006, AZ 8 AZR 305/05, BAG v. 23.07.2009, AZ 8 AZR 538/08).

Der Widerspruch der Klägerin sei auch nicht unwirksam gewesen.

Dies ergebe sich zunächst unter Anwendung der Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 30.10.2003 (8 AZR 491/02) aufgestellt habe. Der Widerspruch gegen einen Übergang des Arbeitsverhältnisses sei nicht frei widerruflich. Er sei darauf gerichtet, die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebsübernehmer nicht eintreten, sondern stattdessen das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbestehen zu lassen. Seine Ausübung stelle ein bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft dar, das durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erfolge. Diese Voraussetzungen an die Widerspruchserklärung erfülle das Schreiben der Klägervertreter vom 21.10.2009. Es sei gerichtet an den Beklagten zu 1. und habe offensichtlich darauf gezielt, im bereits anhängigen Kündigungsschutzverfahren den Beklagten zu 1. wieder zum Arbeitgeber der Klägerin zu machen, um sodann mit der in den Parallelverfahren vertretenden Rechtsansicht, bei der Kündigung sei eine Betriebsschließung nicht beabsichtigt gewesen, obsiegen zu können.

Die Klägerin habe allerdings hierbei übersehen, daß die Kündigungen in dem Parallelverfahren bereits Mitte bis Ende Oktober 2008 ausgesprochen worden seien.

Der Widerspruchs sei auch nicht so lange frei widerruflich, solange dem Arbeitnehmer die Informationen nach § 613 a Abs. 5 BGB noch nicht erteilt worden seien. Würde man die Ansicht vertreten, daß ein bereits ausgeübter Widerspruch solange frei widerruflich sei, als eine ordnungsgemäße Information nicht erfolgt sei, hätte dies zur Folge, daß Arbeitnehmer, die Informationen über einen möglichen Betriebsübergang lediglich aus Presseberichten erhalten würden, bis zu einer nachgeholten Information seitens der beteiligten Arbeitgeber ihren Widerspruch ggf. auch mehrfach ausüben und widerrufen könnten. Eine rechtssichere Beurteilung, wer genau Arbeitgeber des Arbeitnehmers sei, würde sich hiermit nicht vereinbaren lassen. Auch in den Massenverfahren zur Frage der fehlerhaften Information über einen Betriebsübergang (A und B ) sei seitens der Gerichte nicht überprüft worden, ob der Widerspruch gänzlich unbeachtlich oder ggf. noch widerruflich sei, weil zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchs immer noch keine abschließende und vollständige Information der Arbeitnehmer erfolgt war.

Wenn ein Widerspruch erfolge, könne vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Arbeitnehmer sich die fehlenden oder unvollständigen Informationen zum Betriebsübergang selbst verschafft habe und sein Widerspruchsrecht deshalb ausübe, weil er das Arbeitsverhältnis mit seinem bisherigen Vertragspartner fortsetzen wolle. Soweit bei Abgabe dieser Erklärung ein beachtlicher Rechtfolgenirrtum vorgelegen haben sollte, reichten die im BGB vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten, um die Erklärung zu beseitigen. Der auf Grund der fehlenden Information bestehende Schwebezustand sei im Gesetz so angelegt. Die Wirksamkeit des Widerspruchs ebenfalls von der ausreichenden Information nach § 613a Abs.5 BGB abhängig zu machen, widerspräche dem Grundsatz, daß Ausnahmeregelungen nicht analog anwendbar sind.

Auch aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.10.2007 (8 AZR 989/06) ergebe sich nicht, daß vorliegend der Widerspruch der Klägerin gegen den Betriebsübergang unbeachtlich gewesen sei. In dieser Entscheidung habe das Bundesarbeitsgericht einen Widerspruch deshalb für unbeachtlich gehalten, weil die Maßnahme, über die nach § 613 a Abs. 5 BGB der betreffende Arbeitnehmer informiert worden sei, gar nicht durchgeführt worden sei. Da nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts die Maßnahme, über die informiert worden sei, ohnehin nicht die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs erfüllt hätten, sei auch der darauf bezogene Widerspruch unbeachtlich gewesen.

Vorliegend habe eine Information über einen Betriebsübergang zwar gar nicht stattgefunden, jedoch sei die Klägerin doch sehr wohl in der Lage gewesen, die Voraussetzungen des tatsächlich durchgeführten Betriebsübergangs zu recherchieren und die Tatbestandsvoraussetzungen zutreffend vorzutragen. Zudem sei ihr zum Zeitpunkt des Widerspruchs bekannt gewesen, daß seit dem 01.04.2009 Massearmut gegeben gewesen sei. Richtigerweise hätte die Klägerin statt eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang ihre rechtliche Argumentation in erster Instanz darauf aufbauen können, daß der Beklagte zu 1. am 20.04.2009 (ohne den Widerspruch) gar nicht Arbeitgeber der Klägerin gewesen sei und die Kündigung deshalb für den Bestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu 2. unbeachtlich gewesen sei.

Da der Widerruf somit weder nichtig gewesen sei noch eine Anfechtungserklärung abgegeben worden sei, noch wegen der fehlenden arbeitgeberseitigen Information der Ablauf der Monatsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB bei Erklärung des Widerspruchs am 21.01.2009 eingetreten gewesen sei, entfalte der Widerspruch seine Wirkung in der Weise, daß zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. begründet worden sei, sondern das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 1. ununterbrochen und damit auch zum Zeitpunkt der Kündigung bei Bestand gewesen sei. Diese Rechtsfolge widerspreche auch nicht dem Grundsatz, daß Kündigungen keinen Schwebezustand vertragen würden. Denn zum einen sei gerade durch die Widerspruchsmöglichkeit gegenüber einem Betriebsübergang eine schwebende Unklarheit über den richtigen Arbeitgeber und die von diesem oder einem Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung im Gesetz angelegt. Zudem sei auch im Falle einer Kündigung durch einen nicht Vertretungsberechtigten eine rückwirkende Genehmigung anerkannt (BAG v. 26.03.1986, AZ: AZR 585/84, BAG v. 26.03.09, AZ: 2 AZR 403/07, Rn. 21 u. 24). Anders als im letzteren Fall hätte vorliegend die Erklärungsempfängerin sogar die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Erklärung zu steuern.

Die Kündigung des Beklagten zu 1. sei auch gemessen an den Gründen des § 1 KSchG wirksam. Es könne dahinstehen, ob es für den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes nach § 23 KSchG ausschließlich auf den Betrieb in A angekommen sei oder ob sämtliche Arbeitnehmer, die nicht in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übergetreten seien und deren Arbeitsverhältnis möglicherweise ebenfalls nicht von einem Betriebsübergang erfaßt worden sei, zusammenzurechnen seien. Denn zum Kündigungszeitpunkt habe der Beklagte zu 1. als Insolvenzverwalter keinen Einzelhandelsbetrieb mehr geführt und habe auch nicht beabsichtigt, zukünftig Arbeitnehmer im Rahmen eines Bekleidungseinzelhandelbetriebes zu beschäftigen.

Ein Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin in einem Betrieb des Beklagten zu 1. sei deshalb nicht gegeben gewesen, so daß die Voraussetzungen des § 1 KSchG für eine betriebsbedingte Kündigung vorgelegen hätten, ohne daß es auf die Frage des Interessenausgleichs mit Namensliste ankommen würde.

Die Kündigung sei auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.

Da wie oben dargestellt das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 1. bestanden habe und durch die streitgegenständliche Kündigung zum 31.07.2009 beendet worden sei, sei auch der gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Antrag abzuweisen.