Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf befand in seinem Urteil vom 03.11.2010 (12 Sa 974/10), daß der Arbeitgeber, dem gesetzlich die wohlwollende Betrachtung des Gesamtbildes angesonnen werde, das Arbeitsverhältnis bzw. das Arbeitszeugnis nach guter Leistung und Führung mit dem Dank an den Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit und guten Wünschen für den weiteren Berufsweg ausklingen zu lassen habe. Im Rahmen des § 109 GewO seien daher wechselseitig kleinere, ephemere Unvollkommenheiten hinzunehmen (Fortführung der Bezirksrechtsprechung seit ArbG Düsseldorf NZA 1985, 812 = NJW 1986, 1281). Unentschieden ließ es das Gericht, ob es der effizienten Ausübung des Rechts auf Elternzeit (Art. 33 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegensteht, wenn der Arbeitgeber das Zeugnis ohne höfliche Schlußformel mit dem Satz abschließt, daß die Arbeitnehmerin „nach ihrer dreijährigen Elternzeit im beiderseitigen Einvernehmen aus dem Unternehmen ausscheide“.

In dem Verfahren stritten die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte in das Arbeitszeugnis der Klägerin als Schlußsatz eine Dankes- und Wunschformel aufzunehmen habe.

Die Klägerin war seit dem 01.03.2003 bei der Beklagten, die als Systempartner der DATEV Steuerberater und deren Mandanten betreut, als Teamsprecherin beschäftigt.

Unter dem 19.07.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin anläßlich der Inanspruchnahme von Elternzeit wunschgemäß ein Zwischenzeugnis.

Im Jahre 2009 kam es zwischen den Parteien zu einem Rechtsstreit (ArbG Düsseldorf 11 Ca 4116/09) über die Weiterbeschäftigung der Klägerin in der Funktion der „Mitarbeiterin des Service Centers“ und einer am 30.03.2009 ausgesprochenen Änderungskündigung. Zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung berief sich die Beklagte darauf, daß während der Elternzeit der Klägerin die Position der Teamsprecherin betrieblich in Wegfall gebracht worden sei. Die Klägerin, die das Änderungsangebot abgelehnt hatte, und die Beklagte verständigten sich in einem am 19.07.2009 geschlossenen Prozessvergleich darauf, daß das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger fristgemäßer betriebsbedingter Kündigung vom 30.03.2009 mit Ablauf des 31.05.2009 sein Ende gefunden habe. Weiterhin verpflichtete die Beklagte sich in dem Vergleich, „der Klägerin ein wohlwollendes und qualifiziertes Endzeugnis auf der Basis des bereits erteilten Zwischenzeugnisses vom 19.07.2006“ zu erteilen.

Das daraufhin unter dem 31.05.2009 ausgestellte Endzeugnis war – abgesehen von der Schlußformulierung – vom Wortlaut her identisch mit dem Zwischenzeugnis. Nach der Darstellung des Aufgabenbereichs wurden Leistung und Führung wie folgt beschrieben:

„Frau X. erledigte alle ihr übertragenen Aufgaben völlig selbständig zu unserer vollsten Zufriedenheit. Sie engagierte sich sehr für ihre Aufgaben und wies ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft bei guter Arbeitsqualität auf. Aufgrund ihrer aktiven und kooperativen Mitarbeit wurde Frau X. von Vorgesetzten und Kollegen gleichermaßen geschätzt und anerkannt. Hervorzuheben ist ihr freundlicher und angenehmer Umgang mit den Kunden, der ihr für die Akquise neuer Projekte und für die Festigung langfristiger Kundenbeziehungen sehr zum Vorteil gereichte.“

Während das Zwischenzeugnis mit dem Satz endet, dass „das Zwischenzeugnis auf Wunsch von Frau W. aufgrund ihrer mehrjährigen Elternzeit ausgestellt“ werde, war in dem Endzeugnis formuliert: „Nach ihrer dreijährigen Elternzeit scheidet Frau W. aus unserem Unternehmen im beiderseitigen Einvernehmen aus.“

Mit der im März 2010 vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erhobenen Klage hatte die Klägerin eine umfängliche Änderung des Zeugnisses und u.a. die Aufnahme einer Dankes- und Wunschformel als Schlusssatz begehrt.

Das Arbeitsgericht wies durch Urteil vom 08.06.2010 die Klage gerichtet auf die Formulierung „Wir danken Frau X. für ihre geleistete Arbeit und wünschen ihr auf ihrem weiteren Berufswege alles Gute und weiterhin viel Erfolg.“ ab.

Das Landesarbeitsgericht erachtete die von der Klägerin sodann eingelegte Berufung als begründet und urteilte, daß die Beklagte gemäß § 109 GewO verpflichtet sei, die in dem Berufungsantrag vorformulierte Dankes- und Wunschformel in das Schlusszeugnis aufzunehmen.

Das Arbeitsgericht hatte zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung ausgeführt, daß grundsätzlich kein Anspruch auf Aufnahme eines derartigen Schlußsatzes bestehe und auch der Prozessvergleich vom 19.07.2009 die Beklagte hierzu nicht verpflichte. „Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 20.02.2001 (9 AZR 44/00) entschieden, daß solche Schlußsätze nicht zum gesetzlich geschuldeten Inhalt eines Arbeitszeugnisses gehören. Das Fehlen solcher Schlußsätze macht ein Zeugnis nicht unvollständig. Dem Arbeitgeber obliegt die Formulierung und Gestaltung des Zeugnisses. Ein Zeugnis ohne Schlußsatz wird nicht zwingend entwertet. Ohne gesetzliche Grundlage kann ein Arbeitgeber nicht verurteilt werden, Dank oder Bedauern auszudrücken und dem Arbeitnehmer solche Gefühle schriftlich zu bescheinigen. Die vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf in der Entscheidung vom 21.05.2008 (12 Sa 505/08) erhobenen Bedenken sind bereits in der Entscheidung vom 20.02.2001 vom Bundesarbeitsgericht berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund schließt sich die Kammer der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an.“

Dem folgte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf nicht.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf war vielmehr – unter Anknüpfung an ihr Urteil vom 12.05.2008 – (12 Sa 505/08, LAGE Nr. 5 zu § 630 BGB 2002) der Auffassung, daß die Verpflichtung zur Aufnahme einer Dankes- und Zukunftsformel insbesondere dann in Betracht komme, wenn die dem Arbeitnehmer zustehende Leistungs- und Verhaltensbewertung über ein „befriedigend“ signifikant hinausgehe und Inhalt und Form des vorgelegten Arbeitszeugnisses bei Bewerbungen bzw. der Bewerberauswahl relevant zu sein pflegen würde. In dieser Konstellation stelle das Fehlen einer Schlussformulierung, mit der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und alles Gute und Erfolg für den weiteren Berufsweg wünscht, eine nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO unzulässige Abwertung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung dar. Mit einem ohne abschließende freundliche Schlußfloskel (clausula comis benevolentiae) ausgestellten Zeugnis genüge der Arbeitgeber nicht dem allgemeinen zeugnisrechtlichen „Wohlwollensgebot“.

Danach müsse das Zeugnis von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und dürfe dessen weiteres Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren (BAG 21.06.2005 – 9 AZR 352/04 – BAGE 115, 133, 10.05.2005 – 9 AZR 261/04 – BAGE 114, 322, vgl. BAG 12.08.2008 – 9 AZR 632/07 – BAGE 127, 237; an die „altehrwürdige Fürsorgepflicht

[§ 242 BGB]“ erinnernd: ArbG Berlin 07.03.2003 – 88 Ca 604/03). Das „Wohlwollensgebot“ ergebe sich aus dem Gesetzeszweck, wonach – im Rahmen der Zeugniswahrheitspflicht – das Zeugnis dem Interesse des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung tragen solle (LAG Hamburg 06.12.2007 – 8 Sa 51/07).

Das Zeugnis solle dem Arbeitnehmer als Unterlage für eine neue Bewerbung dienen und somit einen Dritten, der die Einstellung des Zeugnisinhabers erwäge, unterrichten. Indem es dazu bestimmt sei, in Unternehmen oder Verwaltungen, bei denen der Arbeitnehmer sich bewerbe, den zuständigen Personen einen Eindruck über die bisherige berufliche Tätigkeit des Bewerbers, dessen Qualifikation und Leistungs- und Führungsverhalten zu verschaffen, komme es nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl und Zeugnisgestaltung verbinde. Vielmehr sei maßgebend die Sicht des Zeugnislesers.

Dieses Verständnis sei geprägt von den Gebräuchlichkeiten des jeweiligen Rechtskreises. Damit seien, was Erscheinungsbild und Inhalt des Zeugnisses anbelange, die Gepflogenheiten im Arbeitsleben zu berücksichtigen. Hier habe sich seit langem eine eigene Kultur standardisierter Gestaltungsformen und -inhalte in besonderer stilistischer Blüte entwickelt und – über gesellschaftliche Sprach- und Höflichkeitsformen hinaus – eine eigene Semantik der Zeugnissprache herausgebildet. So dürfe ein Zeugnis nichts auslassen, was der Leser eines Zeugnisses erwarten dürfe (LAG Düsseldorf 03.05.2005 – 3 Sa 359/05), oder hinter einer zweideutigen Wortwahl Tadel verstecken (LAG Hamm 27.04.2000 – 4 Sa 1018/99). Das Zeugnis dürfe keine fehlerhaften Angaben z.B. zur Person enthalten und sollte Rechtschreibefehler vermeiden (BAG 21.06.2005 – 9 AZR 352/04, ArbG Düsseldorf 19.12.1984 – 6 Ca 5682/84; BAG 03.03.1993 – 5 AZR 182/92). Arbeitnehmer müßten aber kleinere, nicht ins Gewicht fallende Unvollkommenheiten ihrer Arbeitgeber hinnehmen, gleiches gelte auch dann umgekehrt.

Indem das Zeugnis typischerweise verwendet werde für Bewerbungen in Deutschland und namentlich in der Region des bisherigen Wohn- und Arbeitsortes, komme es darauf an, was ein potentieller Arbeitgeber im deutschen und – wie hier – im rheinischen Kultur- und Sprachraum in Kenntnis der Gebräuchlichkeiten nach Form, Inhalt und Sprache von einem Arbeitszeugnis erwarte. Dazu zähle die Wahrung von Höflichkeitsformeln.

Höflichkeit sei Rheinkultur. Ebenso werde sie stets und zu Recht als ein Grundwert der deutschen Leitkultur u.a. neben Disziplin, Pünktlichkeit und Rücksichtnahme genannt. Höflichkeit manifestiere sich in freundlicher Konzilianz: „Die wahre Höflichkeit besteht darin, daß man einander mit Wohlwollen entgegenkommt. Sobald es uns an diesem nicht gebricht, tritt sie ohne Mühe hervor“ (Rousseau, Émile 2,4).

Am Schluß eines Endzeugnisses finde Höflichkeit ihren üblichen Ausdruck in der Danksagung für die geleistete Arbeit und Wünschen für die Zukunft.

Wäre es so, daß in der freundlichen Schlußfloskel das Bestehen von Gefühlen wie Wertschätzung, Anteilnahme und Bedauern schriftlich bescheinigt werden solle, würde allerdings das „Wohlwollensgebot“ die Verurteilung des Arbeitgebers zu derartigen Aussagen über seine persönliche Empfindungen nicht bzw. erst nach entsprechender gesetzlicher Konkretisierung legitimieren (zutreffend BAG 20.02.2001 – 9 AZR 44/00). Es sei aber nicht so. Weder schulde der Arbeitgeber im Arbeitszeugnis Emotionsarbeit, noch werden im Zeugnisrechtsstreit von ihm als Gefühlsausdruck formulierte Aussagen auf Echtheit des Gefühls nachgeprüft und am tatsächlichen oder rechtlich schutzwürdigen Vorhandensein desselben gemessen.

Die freundliche (Schluß-)Formel sei mithin nicht Kundgabe wirklicher oder vorgeblicher Empfindungen. Nicht anders als bei der Leistungswertung nach der sog. Zufriedenheitsskala (oder auch bei allgemeinen Grußformeln) äußere der Arbeitgeber in der Schlußformulierung nicht seine subjektiv aufrichtigen Gefühle, sondern wahre gerade und nur allgemeine Standards und Höflichkeitsformen. Das Weglassen solcher Formeln könne dementsprechend als Distanzierung und Brüskierung des beurteilten Mitarbeiters aufgefaßt werden.

Umso mehr sei dann, wenn – wie hier – eine überdurchschnittlich positive Beurteilung des Leistungs- und Führungsverhaltens des Arbeitnehmers erfolgt sei, das Weglassen der Schlussformel geeignet, die Beurteilung abzuwerten und Mißtrauen zu erregen. Das Fehlen der Dankes- und Wunschformel könne den Zeugnisleser zudem veranlassen, Nachfrage bei dem früheren Arbeitgeber zu halten und positiv klingenden Auskünften Skepsis entgegenzubringen.

Dagegen lasse sich nicht einwenden, daß der Zeugnisleser das Fehlen der Dankes- und Zukunftsformel als persönliche Eigenheit des Zeugnisausstellers oder dessen Unkenntnis der Zeugnissprache abtun könnte. Eine solche Einschätzung des Ausstellers könnte nämlich den Zeugnisleser auf den Gedanken bringen, daß es auch sonst mit der Kompetenz des früheren Arbeitgebers womöglich nicht zum Besten bestellt gewesen sei, und dementsprechend das erteilte Zeugnis entwerten.

Im Licht der vorerwähnten Rechtsgrundsätze habe die Klägerin zu Recht das Fehlen einer Dankes- und Wunschformel im Endzeugnis moniert.

Der ebenso schlichte wie lieblose Schlußsatz, daß die Klägerin nach dreijähriger Elternzeit in beiderseitigem Einvernehmen aus dem Unternehmen ausscheide, stehe in auffälligem Widerspruch zu der überdurchschnittlich positiven Leistungs- und Führungsbewertung und entwerte schon deshalb die Gesamtaussage des vorausgehenden Zeugnistextes. Das Auslassen einer Dankes- und Wunschformel könne nach dem objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses als beredtes Schweigen und Hinweis auf Unstimmigkeiten oder Enttäuschungen im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstanden werden.

Auf die Dankes- und Wunschformel könne vorliegend umso weniger verzichtet werden, als der Umstand, daß in dem voraufgehenden Text Beendigungstatbestand „beiderseitiges Einvernehmen“ angegeben werde, bei dem Zeugnisleser, der den betriebsbedingten Auflösungsgrund nicht kenne bzw. einschätzen könne, leicht der Eindruck entstehen könne, daß es anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zuzurechnende negative Begleitumstände im Anschluß an die in Anspruch genommene Elternzeit gab. Indem die Formel diesen Eindruck verwische, habe die Kammer sich nicht mehr die unionsrechtlich brisante Frage vorzulegen, ob die (dreijährige) Elternzeit als eine wesentliche tatsächliche Unterbrechung der Beschäftigung im Zeugnis erwähnt werden dürfe oder gemäß § 7 Abs. 1, § 1, § 3 Abs. 2 AGG (Art. 3 Abs. 1 c EGRL 78/2000) zu beanstanden wäre.

Das Zeugnis (mit der begehrten Schlussformel) sei für die Klägerin eine bei künftigen Bewerbungen wichtige Unterlage, insbesondere wenn es um Stellen gehen würde, bei denen der mögliche künftige Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die „völlig selbständige“ Aufgabenerledigung mit Projekt- und Mitarbeiterverantwortung (was die Beklagte der Klägerin in der Funktion der Teamsprecherin des Service-Centers attestierte) erwarte. Hier könne das Zeugnis Grundlage für die Personal(vor)auswahl sein. Die Dankes- und Wunschformel gehöre dann, wie ausgeführt, zu einem anständigen Zeugnis.

Da sich die beanspruchte Zeugnisergänzung bereits aus dem § 109 GewO immanenten „Wohlwollensgebot“ ergebe, könne dahinstehen, ob der Prozeßvergleich vom 28.07.2009 die gesteigerte Obliegenheit der Beklagten zu einer „wohlwollenden“ Abfassung des Zeugnisinhalts begründet habe.

Die im Klageantrag formulierte Dankes- und Wunschformel liege im Rahmen zeugnisüblicher Höflichkeit und sei das Mindeste, was ein Arbeitgeber einem überdurchschnittlich beurteilten Arbeitnehmer schuldet. Die Beklagte habe auch keine konkreten Einwände gegen die streitgegenständliche Formulierung erhoben.