In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hamm begehrte die Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrates zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden gerichtlich zu ersetzen, da der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hatte. Die Arbeitgeberin unterlag auch in zweiter Instanz durch den Beschluß des Landesarbeitsgericht Hamm vom 09.07.2010 (13 TaBV 28/10). Im einzelnen:
Der am 28.02.1953 geborene Arbeitnehmer, der einen Grad der Behinderung von 50 % aufwies, war seit dem 03.05.1984 für die Arbeitgeberin, in deren Betrieb ca. 110 Arbeitnehmer beschäftigt sind, als Monteur zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.281,47 tätig.
Zumindest in der Zeit vom 27.05. bis zum 25.08.2009 verschickte er vor Beginn seiner Arbeitszeit um 6.00 Uhr von dem PC, der dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt worden war, an 10 bis 13 Arbeitnehmer insgesamt mindestens 59 eMails. Diesen waren Bild- bzw. Videodateien mit in jedem Fall erotischem Inhalt beigefügt. Die Dateien hatte der Arbeitnehmer mittels eines USB-Sticks von zu Hause mitgebracht.
Zur Nutzung der EDV gab es im Betrieb eine Erklärung des IT-Beauftragten, daß sämtliche Fremdsoftware nur durch die IT-Abteilung aufgespielt werden solle. Schaltete ein Mitarbeiter den PC ein, erschien der Hinweis, daß eine Privatnutzung untersagt sei.
Am 25. und 28.08.2009 wurde der Arbeitnehmer in zwei Personalgesprächen mit dem Sachverhalt konfrontiert, den er sofort einräumte.
Mit Schreiben vom 02.09.2009 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die mit Schreiben vom 03.09.2009 versagt wurde.
Am 16.09.2009 erteilte das zuständige LWL-Integrationsamt Westfalen die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung.
Die Arbeitgeberin behauptete, zumindest in 13 Fällen hätten die versandten Dateien einen strafbaren pornografischen Inhalt gehabt. Im Übrigen müsse davon ausgegangen werden, daß die Empfänger der eMails, die teilweise mit „Euer Betriebsrat“ unterzeichnet gewesen seien, diese während der Arbeitszeit angesehen hätten, was zu einem Arbeitsausfall von 21 Stunden geführt hätte. Schließlich stelle das Herunterladen entsprechender Dateien von externen Servern eine erhebliche Gefahrenquelle dar; die Rückverfolgung der IP-Nr. könne zu einer Rufschädigung führen.
Der Betriebsrat behauptete, die Dateien hätten keinen pornograftischen Inhalt gehabt; es habe sich vielmehr auf dem Niveau dessen bewegt, was das Privatfernsehen zeige.
Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, daß unstreitig alle Dateien sofort gelöscht worden seien und er, der Arbeitnehmer, sich sowohl in einer Betriebsversammlung als auch anläßlich einer Betriebsratssitzung in Anwesenheit von Arbeitgebervertretern für sein Fehlverhalten entschuldigt habe.
Das Arbeitsgericht hatte den Antrag mit Beschluß vom 18.02.2010 abgewiesen. Zur Begründung hatte es im wesentlichen ausgeführt, daß der Betriebsratsvorsitzende zwar gegen das Verbot der privaten Nutzung des firmeninternen eMail-Systems verstoßen habe. Die darin liegende Pflichtverletzung sei jedoch gerade auch angesichts des nachträglichen einsichtigen Verhaltens des Arbeitnehmers nicht so schwerwiegend, um eine Abmahnung entbehrlich zu machen. Ein nach § 184 StGB strafbares Verhalten liege nicht vor. Es bestehe auch nicht die Gefahr einer Rufschädigung durch Rückverfolgung von IP-Adressen. Das Entstehen zusätzlicher Kosten sei ebenso wenig dargelegt worden wie ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistungen.
Das Landesarbeitsgericht Hamm erachtete die diesbzügliche Beschwerde der Arbeitgeberin als unbegründet. Der Zustimmungsersetzungsantrag sei abzuweisen, weil kein Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers gegeben ist.
Nach § 103 Abs. 2 S. 1 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG könne der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung eines Mitglieds diese Gremiums verlangen, wenn die Maßnahme unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt sei. Dies bedinge wiederum, daß die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB gegeben seien. Danach könne ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen würden, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne.
In dem Zusammenhang könne nach zutreffender allgemeiner Meinung in der unzulässigen privaten Nutzung betrieblich vorgehaltener EDV-Einrichtungen im Einzelfall ein so gravierendes Fehlverhalten liegen, daß die (sofortige) Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sei (BAG, 31.05.2007 2 AZR 200/06; 27.04.2006 2 AZR 386/05; 12.01.2006 2 AZR 179/05; 07.07.2005 2 AZR 581/04 ; LAG Hamm, 12.11.2009 – 15 Sa 848/09; LAG Rheinland-Pfalz, 17.12.2008 – 7 Sa 317/08; 10.12.2008 – 8 Sa 318/08).
Kündigungsrelevante Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten könnten namentlich darin liegen, daß bei unbefugten Downloads die Gefahr von Vireninfizierungen oder anderen Störungen bestehe oder es bei deren Rückverfolgung zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers, beispielsweise bei pornografischen Darstellungen, kommen könne. Es könne auch von Bedeutung sein, ob dem Arbeitgeber zusätzliche Kosten entstanden seien und/oder der Arbeitnehmer durch eine Privatnutzung während der Arbeitszeit seine Pflicht zur Arbeitsleistung verletzt habe.
Die genannten Voraussetzungen ließen sich hier hingegen nicht feststellen.
Zwar habe der Betriebsratsvorsitzende, wie er selbst wiederholt zugestanden habe, seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch verletzt, daß er über mehrere Monate immer wieder vom PC des Betriebsrates unzulässigerweise eMails mit Dateien zumindest erotischen Inhalts an 10 bis 13 Arbeitnehmer versandt habe. Es lasse sich aber nicht feststellen, daß damit kündigungsrelevante Folgen für die Arbeitgeberin verbunden gewesen seien.
In dem Zusammenhang könne dahinstehen, ob die versandten Bild- und Videodateien tatsächlich teilweise einen strafrechtsrelevanten pornografischen Inhalt aufgewiesen hätten. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, was allerdings nicht einfach festzustellen sei, soll im Falle Erwachsener – wie hier – durch § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB „nur“ die ungewollte Konfrontation damit verhindert werden (ArbG Hannover, 28.04.2005 10 Ca 791/04).
Arbeitgeberseits sei aber an keiner Stelle dargelegt worden, daß sich die erwachsenen Empfänger der eMails durch deren Inhalt in ihrer Intimsphäre verletzt gefühlt hätten. Es gebe auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, daß es infolge der mittels USB-Stick in das betriebliche EDV-System gelangten Dateien zu irgendeiner Rufschädigung auf Seiten der Arbeitgeberin gekommen sei.
Diese habe auch nicht konkret den Eintritt finanzieller Schäden darlegen können. So habe der Arbeitnehmer die Versendung der eMails nicht während seiner Arbeitszeit vorgenommen. Es sei auch nicht belegt worden, ob und, wenn ja, wann in welchem zeitlichen Umfang sich die 10 bis 13 Empfänger die Dateien angeschaut hätten, namentlich ob dies während deren individueller Arbeitszeit geschehen sei. Erst dann wäre die weitere Frage zu klären gewesen, inwieweit der Arbeitnehmer dafür hätte verantwortlich gemacht werden können.
Nach alledem bleibe festzuhalten, daß der Betriebsratsvorsitzende zwar abmahnwürdig durch die Versendung der eMails seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Da mit dem Fehlverhalten auf Arbeitgeberseite aber keine feststellbaren Folgen verbunden gewesen seien, könne es keine Kündigung des seit dem 03.05.1984 bestehenden Arbeitsverhältnisses eines 57 Jahre alten, schwerbehinderten Arbeitnehmers rechtfertigen, erst recht keine hier nur mögliche außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB.
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