Das Landesarbeitsgericht Köln urteilte in seiner Entscheidung vom 16.05.2011 (2 Sa 1276/10), daß für den Fall, daß ein Arbeitnehmer seinen ursprünglichen Arbeitsplatz personenbedingt nicht mehr ausüben könne, der Arbeitgeber verpflichtet sei, das Direktionsrecht neu auszuüben und soweit vorhanden und möglich einen anderen, behindertengerechten Arbeitsplatz zuzuweisen. Der Arbeitnehmer könne den Anspruch auf Ausübung des Direktionsrechts in die Form eines Beschäftigungsanspruchs auf von ihm vorgeschlagene Arbeitsplätze kleiden.
Unterlasse der Arbeitgeber die ihm mögliche Ausübung des Direktionsrechts, mache er sich schadensersatzpflichtig, soweit die weiteren Anspruchsvoraussetzungen (Kausalität, Verschulden) gegeben seien (BAG 5 AZR 162/09). Stelle die Neuzuweisung eines Arbeitsplatzes eine Versetzung im Betriebsverfassungsrechtlichen Sinne dar, sei zuvor der Betriebsrat zu hören. Der Schadensersatzanspruch sei regelmäßig nicht entscheidungsreif, bevor der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt habe.
In dem Verfahren begehrte der seinerzeitige Kläger die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes.
Der im Jahre 1966 geborene Käger war verheiratet seinen 5 Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Er war am 03.10.1988 als Flugzeugabfertiger bei der Beklagten eingestellt worden. Er hatte vor seiner Erkrankung zuletzt als Oberlader im Gepäckdienst in Wechselschicht einschließlich Nachtschicht gearbeitet und war in Entgeltgruppe 7 TVöD eingruppiert. Beim Kläger wurde eine 30 prozentige Schwerbehinderung festgestellt worden. Mit Bescheid vom 23.11.2009 wurde er einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Vom 27.03.2006 bis zum 26.09.2009 wurde der Kläger als Shuttle-Busfahrer auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt. Diese befristete Beschäftigung beruhte auf einer Betriebsvereinbarung, die dazu dienen sollte, leistungseingeschränkten Mitarbeitern eine Erholungszeit ohne Vergütungseinbußen zu ermöglichen, in der möglichst die volle Leistungsfähigkeit wieder erreicht werde.
Aufgrund ärztlicher Gutachten vom 28.10.2009 sowie 08.12.2010 stand fest, daß der Kläger keine Gegenstände, die mehr als 10 kg wiegen würden heben und tragen dürfe. Ferner war ihm ein Nachtschichteinsatz nicht möglich, wohl aber der Einsatz im Wechsel zwischen Früh- und Spätschicht. Tätigkeiten, die langes Sitzen erfordern, waren ihm ebenfalls nicht möglich.
Seit dem 27.09.2009 wurde der Kläger nicht mehr beschäftigt. Ab dem 03.11.2009 bezog der Kläger Krankengeld. Erst im Laufe des vorliegenden Verfahrens führte die Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement durch.
Der Kläger erstrebte mit seinem Hauptantrag die Beschäftigung als Oberlader im Frachtdienst. Er stellte hierzu dar, daß im Bereich des Wareneingangs an der LKW-Laderampe Tätigkeiten anfallen würden, die mit Hilfsmitteln wie Gabelstaplern, Hubwagen und Rollwagen verrichtet werden könnten. Diese Tätigkeiten seien nach seiner persönlichen Einschätzung nicht derart körperlich belastend, daß sie zu einer Überforderung führten könnten. Insbesondere würden keine Trage- und Hebetätigkeiten anfallen, so daß bei Einsatz der Hilfsmittel ein zu 100 % ausgelasteter Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Die im Wareneingang angenommenen LKW-Ladungen würden unmittelbar oder nach Zwischenlagerung zu den Flugzeugen transportiert. Selbst ungewöhnliche Frachtformate könnten nach Aussage des Klägers mit den Hilfsmitteln (Gabelstapler, Hubwagen, Rollwagen) transportiert werden. Jedenfalls könne die Arbeit so aufgeteilt werden, daß er von dem selten vorkommenden Tragen und Heben von Gewichten ausgenommen werde. Auch die Herausnahme aus dem Nachtdienst sei an diesem Arbeitsplatz ohne weiteres möglich.
Der Kläger benannte hilfsweise noch eine Anzahl weiterer Arbeitsplätze, die die Beklagte ihm zuweisen könnte.
Das Arbeitsgericht sprach dem Kläger auf seinen Hilfsantrag eine Beschäftigungsmöglichkeit als Schichtführer im Gepäckdienst sowie als Ausbilder oder alternativ als Einweiser zu. Im übrigen wies es die Klage ab. Mit der Berufung erstrebte der Kläger die Beschäftigung nach seinem Hauptantrag und obsiegte.
Das Gericht führte aus, daß der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Neuausübung des Direktionsrechts durch die Beklagte und Zuweisung einer Beschäftigung aus § 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX in Verbindung mit § 68 Abs. 3 SGB IX folge.
Die Beklagte habe die Ausübung des Direktionsrechts bislang abgelehnt mit der Begründung, es gebe keinen Arbeitsplatz, den der Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen ausfüllen könne. Entsprechend seiner primären Darlegungslast habe der Kläger Arbeitsplätze benannt, auf denen seine Tätigkeit ohne Vertragsänderung möglich sein soll. Demgegenüber habe die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast dafür, daß ihr auch unter Berücksichtigung der besonderen Arbeitgeberpflichten aus § 81 Abs. 4 SGB IX eine zumutbare Beschäftigung des Klägers nicht möglich sei, nicht erfüllt.
Hinsichtlich der Verteilung der Darlegungslasten folgte das Gericht dabei der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 04.10.2005 -Az 9 AZR 632/04-.
Der Kläger habe die in der Frachtabteilung anfallenden Tätigkeiten hinreichend substantiiert geschildert. Er habe geschildert, daß in ausreichender Menge Arbeiten anfallen würden, die bereits schon in der Vergangenheit mittels Gabelstapler, Hub- oder Rollwagen durchgeführt worden seien. Ferner habe er auf die vorliegenden ärztlichen Atteste verwiesen, die lediglich das händische Heben von Gewichten über 10 kg und dauerhafte Tätigkeiten im Sitzen ausschließen würden. Danach wäre es Sache der Beklagten gewesen, substantiiert darzustellen, in welchem prozentualen Anteil das händische Heben von Gewichten im Frachteingang erforderlich sei, wie viele Mitarbeiter dort regelmäßig eingesetzt würden, welche Umorganisationen erforderlich würden, um den Kläger ausschließlich mit dem Transport mittels Gabelstapler, Hub- und Rollwagen zu beschäftigen.
Da die Beklagte bis zum März 2011 das betriebliche Eingliederungsmanagement hinsichtlich der vom Kläger vorgeschlagenen Arbeitsplätze nicht durchgeführt hätte und zum Kammertermin immer noch kein eindeutiges Ergebnis vorgelegen habe, ob die vom Kläger angebotene und gewünschte Arbeitsleistung ihm unmöglich sei, könne nach heutigem Stand nicht gesagt werden, daß der Kläger tatsächlich nicht in der Lage sei, einen Arbeitsplatz als Oberlader im Frachteingang unter Freistellung von Tätigkeiten, die das Anheben und Tragen von Gewichten mit mehr als 10 kg beinhalten, auszufüllen.
Da nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt worden sei, seien die in den Hilfsanträgen benannten weiteren Möglichkeiten der Zuweisung von Arbeit nicht mehr dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung angefallen. Dies bedeute nicht, daß die Beklagte nicht weiterhin frei wäre, ihr Direktionsrecht im Rahmen billigen Ermessens so auszuüben, daß dem Kläger ein anderer als der durch Urteil zugesprochene Arbeitsplatz zugewiesen würde.
Die tatsächliche Beschäftigung stehe, wie der Kläger bereits im Klageantrag formuliert habe, unter dem Vorbehalt, daß der Betriebsrat seiner Beschäftigung d. h. der erforderlich werdenden Versetzung zustimme. Die im Klageantrag auch enthaltene Floskel, daß gegebenenfalls die Beschäftigung nach Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu erfolgen habe, sei abzuweisen gewesen. Zwar könne der Antrag dahingehend ausgelegt werden, daß der Kläger verlangen würde, die Beklagte solle verpflichtet werden, in jedem Fall der Ablehnung durch den Betriebsrat ein Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Ein solcher Anspruch sei jedoch nicht gegeben.
Vielmehr richte sich die Frage, ob die Beklagte verpflichtet sei, ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen, nach den Argumenten, die der Betriebsrat gegen eine Versetzung möglicherweise vorbringe. Da das vorliegende Verfahren sich auf die von den beiden Parteien vorgebrachten Argumente beschränke, könne derzeit nicht prognostiziert werden, daß bereits in ausreichender Weise die Belange der anderen Mitarbeiter berücksichtigt worden seien, die von einer Versetzung des Klägers betroffen wären und die ggf. durch eine Herausnahme des Klägers aus dem Bereich des händischen Hebens und Tragens höheren Belastungen ausgesetzt würden. Deren Interessen zu wahren und zu berücksichtigen sei Sache des Betriebsrates. Je nach Begründungstiefe einer eventuell gegebenen Ablehnung der Versetzung müsse die Beklagte deshalb nicht in jedem Fall ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen (vgl. BAG vom 22.09.2005 -Az 2 AZR 519/04-).
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