Das Landesarbeitsgericht Köln befand in seinem Urteil vom 17.03.2011 (6 Sa 1413/10), daß sich an der Verbindlichkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung sich nichts ändere, wenn der Arbeitnehmer subjektiv, etwa infolge längerer Arbeitsunfähigkeit, nicht in der Lage sei, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen.

In dem Verfahren stritten die Parteien über die Zahlung von Karenzentschädigung aufgrund eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß § 5 des Arbeitsvertrages vom 19.12.1995. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Prozeßvergleich vom 08.07.2009 zum 31.03.2010.

Durch Urteil vom 30.09.2010 hatte das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung der monatlichen Karenzentschädigung in Höhe von 2.022,50 € brutto für die Zeit von April 2010 bis März 2012 verurteilt. Zur Begründung hatte es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht verzichtet, zumal der Prozeßvergleich über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Aussage zum Wettbewerbsverbot enthalte. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht verfallen, weil er sie mit Schreiben vom 26.04.2010 rechtzeitig geltend gemacht habe.

Mit ihrer Berufung machte die Beklagte unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, sie habe durch den Prozeßvergleich stillschweigend auf das Wettbewerbsverbot verzichtet. Das ergebe sich bei verständiger Auslegung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage aus der unwiderruflichen Freistellung des Klägers. Mit dem Vergleich sei eine Gesamtregelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezweckt worden. Das nunmehrige Berufen des Klägers auf das längst vergessene Wettbewerbsverbot sei treuwidrig, zumal gar keine Wettbewerbsmöglichkeit für ihn bestehe.

Das Landesarbeitsgericht erachtete die Klage als begründet, mithin die Berufung als unbegründet

Der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Karenzentschädigung in unstreitiger Höhe folge aus § 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vom 19.12.1995 i. V. m. § 74 Abs. 2 HGB. Ein Verzicht auf das wirksam vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot, der nach § 75 a HGB vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses jederzeit „durch schriftliche Erklärung“ möglich gewesen wäre, habe weder ausdrücklich noch stillschweigend stattgefunden. Er könne insbesondere nicht durch Auslegung aus dem von den Prozeßbevollmächtigten der Parteien ausgehandelten Prozeßvergleich hergeleitet werden.

Zutreffend sei allerdings im Ausgangspunkt, daß die Arbeitsvertragsparteien jederzeit durch schriftliche Vereinbarung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot aufheben könnten. Das könne nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch durch eine in einem Vergleich enthaltene Ausgleichsklausel geschehen (vgl. BAG 24.06.2009 – 10 AZR 707/08 – F-). Welche Rechtsqualität und welchen Umfang die in einer Ausgleichsklausel abgegebenen Erklärungen haben würden, sei nach den Regeln der §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. So könnte in der Vereinbarung, daß mit der Erfüllung des Vergleichs „sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig ob bekannt oder unbekannt, erledigt sind“, ein negatives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 397 Abs. 2 BGB liegen, welches auch die Ansprüche auf Einhaltung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und auf Zahlung einer Karenzentschädigung erfasse. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß Ausgleichs- und Abgeltungsklauseln in Aufhebungsvereinbarungen, gerichtlichen Vergleichen und sog. Abwicklungsvereinbarungen grundsätzlich weit auszulegen seien. Die Parteien wollten in solchen Vereinbarungen in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend regeln und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie daran dachten oder nicht.

Der vom Arbeitsgericht Bonn nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellte Vergleich der Parteien im Verfahren 4 Ca 1498/09 enthalte aber keine Ausgleichsklausel, die eine solche Rechtsfolge haben könnte. Sie lasse sich auch nicht der Freistellungsregelung in Ziffer 2 entnehmen, in der es heiße:

„Die Beklagte stellt den Kläger von weiterer Arbeitsleistung unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses frei. Die Freistellung erfolgt unter Anrechnung auf sämtliche noch bestehende und entstehende Urlaubs- und Zeitausgleichsansprüche des Klägers aus dem Jahre 2007 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Parteien sind sich einig, dass damit die dem Kläger zustehenden Urlaubsansprüche in Natur gewährt sind.“

Auch wenn man mit dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 06.09.2006 – 5 AZR 703/05 -) davon ausgehe, daß der Arbeitnehmer bei einer einseitigen unwiderruflichen Freistellung unter dem Vorbehalt der Anrechnung anderweitigen Verdienstes regelmäßig annehmen dürfe, er sei in der Verwertung seiner Arbeitsleistung frei und nicht mehr an vertragliche Wettbewerbsverbote (§ 60 HGB) gebunden, so sei eine vergleichbare Fallgestaltung hier nicht gegeben.

Weder handele es sich um eine einseitige Freistellungserklärung, noch gebe es einen Anrechnungsvorbehalt. Im Gegenteil sehe Ziffer 3 des Vergleichs vor, daß die Beklagte das monatliche Bruttoentgelt an den Kläger bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahle, ungeachtet einer Beschäftigungspflicht bzw. Arbeitsfähigkeit des Klägers. Sei aber die vergleichsweise vereinbarte Freistellung dahingehend auszulegen, daß abweichend von § 615 S. 2 BGB eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht erfolgen solle, dann könne der Arbeitnehmer redlicher Weise nicht ohne ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers davon ausgehen, der Arbeitgeber habe auf die Einhaltung des vertraglichen Wettbewerbsverbots verzichtet. Denn wenn der Arbeitgeber einen weiteren Verdienst nicht anrechnen wolle, könne er regelmäßig erwarten, der Arbeitnehmer erziele diesen Verdienst nicht durch die Leistung von Wettbewerb. Da die Vereinbarung der Parteien einen Anrechnungsvorbehalt nicht enthalte, könne nicht ohne weiteres angenommen werden, der Kläger sei von dem vertraglichen und in der Folge dann auch von dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot freigestellt worden.

Angesichts der Interessenlage der Parteien hätte es vielmehr nahegelegen, die Frage der Geltung insbesondere des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots anzusprechen und in dem Vergleich positiv oder negativ, etwa im Rahmen einer umfassenden Ausgleichsklausel, zu regeln. Da dies nicht geschehen sei, vielmehr über das Thema Wettbewerb damals nicht gesprochen worden sei, bliebe es insoweit bei den bestehenden Vereinbarungen.

Das Berufen des Klägers auf die Vereinbarungen in § 5 des Arbeitsvertrages sei auch nicht treuwidrig. Für ihn habe keine Obliegenheit bestanden, das Thema in die Vergleichsverhandlungen einzubeziehen. Als Schuldner des Karenzentschädigungsanspruchs wäre es vielmehr Sache der Beklagten gewesen, die Aufhebung des Wettbewerbsverbots zu vereinbaren oder von der einseitigen Möglichkeit des § 75a HGB Gebrauch zu machen.

An der Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots und der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung ändere sich schließlich auch dann nichts, wenn der Kläger infolge seiner längeren Arbeitsunfähigkeit und seiner gegenwärtigen Verfassung subjektiv gar nicht in der Lage sein sollte, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen. Das Wettbewerbsverbot gelte auch bei persönlichen Hinderungsgründen, wie sich im Umkehrschluß aus § 74 c Abs. 1 S. 3 HGB ergebe.