Das Landesarbeitsgericht Köln befand in seinem Urteil vom 29.03.2011 (12 Sa 1395/10), daß, wenn der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Informationen an den Betriebsrat bestreite, es schon aus Gründen der Sachnähe Aufgabe des Arbeitgebers sei, darzulegen und notfalls zu beweisen, daß er den Betriebsrat nicht bewußt in die Irre geführt habe (BAG vom 22.09.1994 – 2 AZR 31/94).

Bestreite ein Zeuge, auf den sich der Arbeitgeber für eine Verdachtskündigung berufe, die belastende Aussage gemacht zu haben, auf die sich die Betriebsratsanhörung stütze, müsse der Arbeitgeber jedenfalls unter Beweis stellen, wann und wo der Zeuge diese Aussage gemacht haben soll, um seiner Darlegungs- und Beweislast zu genügen.

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Die Beklagte war ein Unternehmen der Automobilindustrie und beschäftigte weit mehr als 10 Arbeitnehmer.

In dem Vefahren ging es um einen 1974 geborenen Kläger, der seit dem 01.09.1991 bei der Beklagten zuletzt als Werkschutzmitarbeiter mit einer monatlichen Bruttovergütung von 4.200,00 € beschäftigt war.

Im Rahmen eines im Jahr 2009 von dem Kläger gegen seine damalige Ehefrau angestrengten Ermittlungsverfahrens wegen Bedrohung hatte die beschuldigte Ehefrau gegenüber der Polizei angegeben, daß der Kläger im Dezember 2007 eine im Eigentum der Beklagten stehende Standheizung der Marke W in die Wohnung ihrer Eltern gebracht habe.

Hintergrund hierfür sei gewesen, daß strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Kündigung eines anderen Werkschutzmitarbeiters, des Herrn A , erfolgt seien, in deren Rahmen der Kläger eine Durchsuchung seiner Wohnung befürchtet habe. Zu der Vernehmung brachte die damalige Ehefrau des Klägers die Standheizung der Marke W mit.

Die Polizei ging diesen Vorwürfen nach und befragte am 07.12.2009 den Werkschutz der Beklagten zu der Herkunft der Standheizung, die sodann unzweifelhaft als eine im Eigentum der Beklagten stehende Standheizung identifiziert werden konnte. Anhand der Individualnummer auf dem Label der Heizung konnte W feststellen, daß diese für eine Nachrüstung bestimmte Heizung in der Kalenderwoche 46 in 2006 gefertigt worden war. Sie gehörte zu einer Lieferung von 5 Stück und wurde an die F gesendet. Empfänger dieser Lieferung sollte das V sein. Der Kläger hatte als Werksschutzmitarbeiter Zugang zu dieser Halle. Die Sendung wurde am 17.12.2006 in der zentralen Warenannahme angeliefert. Eine Empfangsbestätigung indes konnte nicht beigebracht werden.

Der Kläger wurde zu den Anschuldigungen am 12.01.2010 befragt. Hierbei äußerte er sich zu den Anschuldigungen nicht, gab jedoch an, daß das Ganze ein Komplott seiner Exfrau sei.

Am 15.01.2010 fand ein weiteres Treffen des Werkschutzes mit der damaligen Ehefrau des Klägers statt, welche die Aussage noch einmal bestätigte. Darüber hinaus gab sie an, daß zum Zeitpunkt der Ermittlungen betreffend den ehemaligen Werkschutzmitarbeiter A ein Treffen mit weiteren Werkschutzmitarbeiter nämlich den Herren K , E , A und S sowie dem Kläger stattgefunden habe, bei dem besprochen worden sei, dass aufgrund von weiteren möglichen Hausdurchsuchungen vorhandenes Diebesgut, so auch die Standheizung der Marke W , in Sicherheit gebracht werden müßten.

Im Anschluß an die erneute Befragung der Ehefrau wurde der Kläger am 21.01.2010 in Beisein des Betriebsrats zu den gegen ihn gemachten Anschuldigungen angehört.

Mit Schreiben vom 21.01.2010 hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Klägers wegen des dringenden Tatverdachts, Straftaten zu ihren Lasten begangen zu haben, an. In diesem Anhörungsschreiben stützte die Beklagte den dringenden Diebstahlverdacht auf die Aussagen der Exfrau des Klägers Frau U . Hinsichtlich des Treffens der Werkschutzmitarbeiter mit dem Inhalt, daß vorhandenes Diebesgut, so auch die Standheizung in Sicherheit gebracht werden müsse, führte sie in der Anhörung aus, daß der Mitarbeiter S eingeräumt habe, daß die Angaben von Frau U zuträfen. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hieß es zudem wörtlich:

„Zusätzlich bestätigt Herr S den Inhalt des Treffens, in dem es um die drohende Hausdurchsuchungen gegangen ist. Dies macht die Aussage der Nochehefrau vollends glaubwürdig.“

Mit Schreiben vom 02.02.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.06.2010.

Mit seiner am 04.02.2010 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Klage wandte sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der Kündigung.

Der Kläger vertrat die Ansicht, daß ein wichtiger Grund für die eine außerordentliche Kündigung nicht gegeben sei. Insbesondere bestritt er die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats und insbesondere, daß der Zeuge S die Aussage seiner Ex-Ehefrau bestätigt habe.

Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, daß die Kündigung als Verdachtskündigung gerechtfertigt sei. Aufgrund der Aussage seiner Ex-Ehefrau ergebe sich ein dringender Tatverdacht, dasß der Kläger zulasten der Beklagten einen Diebstahl begangen habe. Es sei keine andere Möglichkeit erkennbar, wie die Standheizung in den Besitz der Ex-Ehefrau des Klägers gekommen sein könnte.

Das Arbeitsgericht erhob Beweis durch Vernehmung des Zeugen S. Mit Urteil vom 08.09.2010 gab das Arbeitsgericht Köln dem Kündigungsschutzantrag statt und verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Das Arbeitsgericht begründete sein Urteil im wesentlichen damit, daß die fristlose Kündigung bereits wegen den Nichteinhaltungen der Frist des § 626 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam sei. Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei jedenfalls nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam, da der Betriebsrat zur Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. In dem Anhörungsschreiben der Beklagten habe diese dem Betriebsrat mitgeteilt, daß neben den Verdachtsmomenten, die durch die Aussage der Frau U begründet würden, auch der Werkschutzmitarbeiter S die Aussage bestätigt habe. Dies habe ein erheblich stärkeres Verdachtsmoment gegen den Kläger begründet im Hinblick auf die zwischen dem Kläger und seiner Ex-Ehefrau bestehende Auseinandersetzung und der nicht auszuschließenden Belastungstendenz, so daß der Betriebsrat seine Willensbildung mit darauf habe gründen müssen. In seiner gerichtlichen Vernehmung hätte Zeuge S dies jedoch nicht bestätigt, so daß der Betriebsrat insoweit nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.

Das Landesarbeitsgericht befand, daß die Betriebsratsanhörung fehlerhaft gewesen sei und daher die Kündigung unwirksam sei.

Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG müsse der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei Anhörung zu einer beabsichtigten Kündigung diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich seien. Diesen Kündigungssachverhalt müsse er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet werde, so beschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen könne. Dabei verstoße der Arbeitgeber jedenfalls gegen § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG, wenn falsche Informationen gegeben und entlastende Umstände nicht mitgeteilt würden. Komme der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und würden ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler unterlaufen, sei die Kündigung unwirksam und zwar unabhängig davon, ob und wie der Betriebsrat zu der mangelhaften Anhörung Stellung genommen habe.

Allerdings sei die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert, worauf die Beklagte zu Recht hinweise. An die Mitteilungspflicht seien deshalb nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß. Es müßten dem Betriebsrat nicht alle objektiv kündigungsrechtlichen erheblichen Tatsachen, sondern nur die für den Arbeitgeber für die Kündigung ausschlaggebenden Umstände mitgeteilt werden

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe die Beklagte den Betriebsrat vorliegend nicht ordnungsgemäß angehört. Die Beklagte habe den Betriebsrat in der schriftlichen Anhörung vom 21.01.2010 zu einer Verdachtskündigung wegen Straftaten zu ihren Lasten angehört und ausdrücklich mitgeteilt, daß sich der Verdacht auf die belastende Aussage der damaligen Ehefrau des Klägers stütze und der Mitarbeiter S gegenüber dem Werkschutz deren Angaben über ein Treffen von Arbeitskollegen, bei dem es auch um die angeblich entwendete Standheizung gegangen sei, bestätigt habe. In ihrer insoweit vorgenommenen rechtlichen Würdigung in der schriftlichen Anhörung des Betriebsrats habe die Beklagte sodann darauf hingewiesen, daß die Aussage der Ex-Ehefrau insbesondere vollends glaubwürdig dadurch werde, daß der Mitarbeiter S die Aussage bestätigt habe. Damit habe es sich bei der Aussage des Herrn S aus Sicht der Beklagten um eine für die Verdachtskündigung kündigungsrechtlich erhebliche Tatsache gehandelt. Dies ergebe sich auch daraus, daß die Beklagte in der Betriebsratsanhörung selbst ausgeführt habe, daß in einem laufenden Scheidungsverfahren nicht von der Hand zu weisen sei, daß die Ehefrau dem Kläger etwas „anhängen“ wolle, so daß der Aussage eine den Verdacht verstärkende Wirkung zukomme. Somit messe die Beklagte dieser Aussage auch im Hinblick auf dies subjektive Determinierung einiges Gewicht bei.

Hinzu komme, daß dieser Aussage auch aus einem weiteren Gesichtspunkt erhebliches Gewicht zukomme. Gerade bei Kündigungen, bei denen sich aus Indizumständen ein dringender Tatverdacht ableiten solle, sei im Rahmen des Anhörungsverfahrens das ermittelte Ergebnis, das die beabsichtigte Kündigung tragen solle, dem Betriebsrat gegenüber vollständig und korrekt darzustellen, damit dieser den dringenden Tatverdacht nachvollziehen könne. Eine bewußte Abweichung von diesem Ergebnis sei als irreführend zu bewerten und führe zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung. Ein solcher Fall sei gegeben, weil die Beklagte sich nur auf Indiztatsachen berufen könne und insbesondere nicht nachvollziehen könne, wann und wie genau die Standheizung entwendet worden sei. Vielmehr verliere sich deren Spur bei der Beklagten unmittelbar nach der Anlieferung. Ob die Heizung zu irgendeinem Zeitpunkt in der Halle N in N , wo der Kläger sie möglicherweise hätte entwenden können, angekommen sei, wisse die Beklagte nicht. Der Verdacht stütze sich allein auf die Aussage der Zeugin U, die im Besitz der Standheizung gewesen sei, und deren Angaben allein von dem Zeugen S bestätigt worden sein sollen, während die weiteren Teilnehmer des Treffens von Arbeitskollegen diesen Inhalt gerade nicht bestätigt hätten.

Die Tatsache, daß der Mitarbeiter S die Aussage der Ex-Ehefrau des Klägers bestätigt habe, werde jedoch von dem Kläger bestritten. Den Arbeitgeber treffe insoweit die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Dies gelte auch für eine nicht bewußte Irreführung des Betriebsrats. Bestreite der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Informationen an den Betriebsrat, sei es schon aus Gründen der Sachnähe Aufgabe des Arbeitgebers, darzulegen und notfalls zu beweisen, daß er den Betriebsrat nicht bewußt in die Irre geführt habe.

Dieser Darlegungs- und Beweislast sei die Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht nachgekommen. Insbesondere habe sie nicht unter Beweis gestellt und nicht substantiiert vorgetragen, daß der Zeuge S gegenüber dem Werkschutz eine entsprechende Äußerung getätigt habe. Vielmehr habe der Zeuge S im erstinstanzlichen Verfahren ausgesagt, eine solche Äußerung gerade nicht getätigt zu haben. Aufgrund dieser Aussage sei das Arbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte nicht bewiesen habe, daß die Anhörung des Betriebsrats nicht bewußt fehlerhaft gewesen sei. Insoweit wäre es jedenfalls nach dem Beweisergebnis in erster Instanz Sache der Beklagten gewesen, auszuführen, gegenüber welchem Werkschutzmitarbeiter wann genau diese Äußerung des Zeugen getätigt worden sein soll. Nur dann hätte gegebenenfalls nach Beweisaufnahme davon ausgegangen werden können, daß die Beklagte lediglich die ihr bekannten Informationen weitergegeben habe und damit den Betriebsrat nicht fehlerhaft informiert habe, weil sie sich auf die subjektive Determinierung der Betriebsratsanhörung habe berufen können. Hierzu fehle es aber an jeglichem Vortrag. Dem vorliegenden Abschlußbericht des Werkschutzes vom 18.01.2010 sei weder eine Anhörung des Mitarbeiters S noch eine entsprechende Aussage zu entnehmen.

Damit sei die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht nachgekommen, sodaß von einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrates und damit der Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG auszugehen sei.